Titel: Die XIII. Hauptversammlung der Bunsengesellschaft.
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 426
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Die XIII. Hauptversammlung der Bunsengesellschaft. (Fortsetzung von S. 399 d. Bd.) Die XIII. Hauptversammlung der Bunsengesellschaft. Ueber: „Die Frage der technischen Ueberführung nitroser Gase in Salpetersäure oder Salpetersäure Salze“ sprach Prof. Klaudy (Wien). Der Vortragende legt seinen Rechnungen einen Gehalt der nitrosen Luft von 2 v. H. und eine Ausbeute von 600 kg wasserfreier Salpetersäure für das Kilowattjahr zu Grunde. Der Preis eines Kilowattjahres (= 1,36 PS-Jahre) ist am niedrigsten an einigen Orten Norwegens, wo es dank der billigen Wasserkraft nur rund 20 M. kostet. Für grosse Wasserkräfte in Oesterreich und der Schweiz wird der Preis doppelt so gross sein, am Niagarafall viermal so gross. Kleinere Wasserkräfte in Oesterreich erfordern den sechsfachen Preis, während zu kleine Wasserkräfte gar nicht in Betracht kommen können. Was die mit Brennstoffen betriebenen Kraftanlagen betrifft, so wird der Preis dort, wo grosse Mengen von Gicht- oder Generatorgasen abfallen, nicht höher sein als in Norwegen oder gar noch geringer; für die Generatorgas- oder Mineralölmotoren (⅔ Pfennig für die PS-Stunde) erreicht er die vierfache Höhe. Bei. Kohlen wird er unter aussergewöhnlichen Umständen bei grossen Maschinenanlagen auf den sechsfachen, zumeist aber auf den zwölffachen Wert steigen (2 Pfennig auf die PS-Stunde). Unter den günstigsten Umständen kann also 1 kg aktivierter Stickstoff in Form von Stickstoffdioxyd (NO2) mit einem Aufwand von 15 Pfg., was den Kraftbedarf anlangt, erzeugt werden. In Form von Chilesalpeter kostet heute der Stickstoff 1,15 M. in Form von Salpetersäure zu 36° B und 1,91 M. in der Salpetersäure von 48° B.Chilesalpeter nach dem billigsten Marktpreise zu 19 M., Salpetersäure von 36° B zu 20 M. und Salpetersäure von 48° B zu 40 M. für 100 kg gerechnet. Unter den verschiedenen technischen Verwendungen der nitrosen Luft liegt es am nächsten, sie direkt als Ersatz des Salpeters im Bleikammerbetriebe zu verwenden. In gutgeleiteten Schwefelsäurefabriken verbraucht man 0,7 kg NaNO3 auf 100 kg H2SO4. Dieser Menge NaNO3 entsprechen rund 10 cbm nitroser Luft von 2 v. H. Volumenprozent NO2. Der Kammerraum, der für eine tägliche Erzeugung von 100 kg H2SO4 gebraucht wird, beträgt 40 cbm. Durch die Zuführung der nitrosen Luft würde daher eine Verdünnung der Kammergase von 4 auf 5 eintreten, welche Kiesröstgase (von normal 7–8 v. H. SO2) nicht ohne wesentliche Betriebsstörung ertragen würden (ihr Gehalt sänke auf 5,6–6,4 v. H. SO2). Wenn es gelänge eine fünfprozentige nitrose Luft zu erzeugen, dann könnte diese ohne weiteres in die Kammer geleitet werden. Der Ausweg, schon den Kiesbrennern nitrose Luft zuzuführen, ist nicht gangbar, weil in ihnen die Stickoxyde vollständig zersetzt würden. Ebenso dürfte es nicht angängig sein, die Röstgase zwischen den Kiesbrennern und dem Glover-Turm zu nitrosieren. Zur Zeit bleibt also nur übrig das Stickstoffdioxyd durch Schwefelsäure zu absorbieren und die entstandene Nitrose in Kochtrommeln oder den Glover-Turm einzuführen. Zweckmässig wendet man zur Absorption eine Schwefelsäure von 60° B an, von der 1 Liter 41 g NO2 aufnehmen kann. Bei einem Salpeterverbrauch von 0,7 kg sind dann für 100 kg H2SO4 = 128,8 kg von 60° B. 9,24 Liter = 15,8 kg Absorptionssäure von 60°B erforderlich. Diese Menge Nitrose kann unbedenklich eingeführt werden. Ebenso hat die Absorption im Turm keine Schwierigkeiten; der freistehend zu bauende Gay-Lussac-Turm kann mehr als 8 mal kleiner sein als der des Systems; die Mehrarbeit des Glover-Turms spielt keine Rolle. Weil der Gehalt der Nitrose an Nitrosylschwefelsäure und Salpetersäure schwanken kann, sind Vorratsgefässe und analytische Kontrolle der Nitrose wünschenswert. Uebrigens wollen Birger und Halvorsen durch direkte Behandlung von nitrosen Dämpfen mit SO2 und H2O krystallisierte Nitrosulfonsäure bezw. eine konzentrierte Lösung derselben gewinnen und, wenn gewünscht, aus dieser konzentrierte reine Säuren herstellen. Da eine grosse Kammeranlage von 10000 cbm und 25000 kg H2SO4 täglicher Produktion 175 kg Salpeter zu 33,25 M. verbraucht, an deren Stelle die nitrosen Gase bei einem Kraftpreise von 20 M. nur 4,37 M. und bei einem Kraftpreise von 80 M. 17,48 Mark kosten; bei einem Kraftpreise von 152 M. werden die Kosten beiderseits gleich. Andere direkte Verwendungen nitroser Luft z.B. in der organischen Chemie kommen zur Zeit nicht in Betracht. Es lassen sich wohl Nitrosoverbindungen gewinnen, nicht aber wertvolle Nitrokörper. Für Oxydationswirkungen (vielleicht auch Desinfektionen) können nitrose Gase benutzt werden, indes konntinuierlich nur bei Zuführung von reinem Sauerstoff. Bei der Stickoxydregeneration durch Luftzufuhr werden die Abgase fortschreitend verdünnt und können schliesslich nur mit Belästigung der Umgebung entlassen werden. Was die Verarbeitung der nitrosen Gase zu Handelsprodukten anlangt, so kommt in erster Linie die Düngerfabrikation und in zweiter Linie die Salpetersäureerzeugung in Frage. In Deutschland verbraucht die Landwirtschaft jährlich 400000 Tonnen Salpeter, die chemische Industrie 100000 Tonnen; Deutschland nimmt fast die Hälfte alles Chilesalpeters auf, der nach Europa eingeführt wird. Um den deutschen Salpeterbedarf zu decken, müssten nach dem heutigen Stande der Luftverbrennungstechnik rund 1⅛ Millionen Pferdekräfte arbeiten. Ferner brauchte man zur Herstellung des Natronsalpeters, den allein die deutsche Landwirtschaft benötigt, 25000 Waggons Soda, doppelt so viel als heute in Deutschland hergestellt wird. Hinderlich ist "ür die Weiterverarbeitung der geringe Prozentgehalt der nitrosen Luft. Um das Gas billig zu konzentrieren, könnte man es mit Schwefelsäure von 60° B absorbieren, die entstandene Nitrose durch Verdünnung mit Wasser auf 50° B wieder zersetzen und die Schwefelsäure durch Eindampfen wieder auf 60° B bringen. Für 100 kg HNO3 im Werte von 3 M. an Kraftkosten würden 3042 kg Schwefelsäure von 60° B erforderlich sein, deren Eindampfen von 50° auf 60° B 6,09 M. (20 Pfg. auf 100 kg) kosten würde. Es soll unentschieden bleiben, ob dieser Weg lohnt. Sieht man von einer Anreicherung der nitrosen Luft ab, so müssen alle Absorptionsapparate wesentlich grösser gehalten werden oder es müssen die gewonnenen Lösungen so lange durch diese Apparate kreisen, bis sie genügenden Gehalt haben. Sucht man zu Salpetersäure von möglichst hoher Konzentration dadurch zu gelangen, dass man der nitrosen Luft Wasserdampf beimischt, so kann man nicht höher als zu Salpetersäure von 63,63 v. H. HNO3 kommen (40,6 B). Tatsächlich erreicht man dies in den sogenannten Plattentürmen von Lunge und Rohrmann; indessen braucht man verhältnismässig grosse Türme und muss mehrmals hochpumpen. Billiger ist die Absorption der nitrosen Gase durch flüssiges Wasser; indessen stört hier die Bildung von salpetriger Säure. Auch hier kann man theoretisch nur zur gleichen Säurestärke gelangen wie beim Plattenturm, praktisch kommt man meist nur bis auf 50 v. H. HNO3 (spez. Gew. 1,315 = 34,6° B). Versucht man durch Einleiten von Stickstoffdioxyd weiter zu konzentrieren, so vermehrt sich der Salpetersäuregehalt auf Kosten der salpetrigen Säure bis auf 50–60 v. H. und es entweicht Stickoxyd, das mit überschüssigem Sauerstoff Dioxyd zurückbildet und in den folgenden Absorptionsstellen sich von neuem mit Wasser zu Salpetersäure und salpetriger Säure umsetzt. Ist schliesslich der überschüssige Sauerstoff verbraucht, so bleibt ein Gasgemisch von NO und NO2, das mit Wasser nur salpetrige Säure gibt. Jede Verdünnung mit sauerstoffreien Gasen führt früher zu reiner salpetriger Säure. Die verdünnten Säuren der letzten Türme sind in den ersten Türmen zu verwenden. Zum Schluss wird man, um alles zu absorbieren, wohl Kalkmilch einschalten müssen. In den ersten Türmen wird man vermutlich 60 v. H. Salpetersäure mit wenig salpetriger Säure, in den weiteren Türmen schwächere Säure mit mehr salpetriger Säure erzielen; im Durchschnitt dürfte die Salpetersäure 50 v. H. haben und etwas salpetrige Säure enthalten, die man durch eingeblasene Luft einigermassen entfernen kann. Künstliche Oxydationsmittel für die salpetrige Säure, wie Ozon usw., sind noch zu teuer. Durch Destillation oder durch Einsieden lässt sich der Gehalt an Salpetersäure theoretisch nicht über 68 v. H. (spez. Gew. 1,412 = 42,15° B) steigern. Vielleicht wäre es zweckmässiger mit heissem Wasser zu absorbieren, das ja in dem abfliessenden Kühlwasser des elektrischen Ofens geboten wird. Ebenso wäre es vielleicht nützlich die Gase vorher mit Wasserstaub zu befeuchten. Die Salpetersäure kommt heutzutage mit zwei Konzentrationen in den Handel, mit 36–42° B (52,8–67,5 v. H. HNO3) als Scheidewasser zum Grosspreise von 20 M. und mit 48° B (86–94 v. H. HNO3) zum Grosspreise von 40 M. Verdünntere Säuren sind kaum verkäuflich bezw. transportfähig. Die Säure von 36–42° B wird etwa 40 v. H. des deutschen Verbrauches decken (10 v. H. für Schwefelsäuredarstellung, der Rest hauptsächlich für die Metallindustrie). Bei dieser Säure dürfte der Nitritgehalt nicht stören und diesen Bedarf könnte die Luftverbrennungsindustrie wohl leicht decken. Die konzentrierte Säure dient im wesentlichen zur Herstellung organischer Nitroprodukte (Sprengstoffe, Farbstoffe usw.); diese Säure darf höchstens 1 v. H. salpetriger Säure enthalten. Der deutsche Bedarf beträgt etwa 60000 t jährlich. Um die verdünntere Säure auf 48° B einzuengen, können wasserentziehende Mittel dienen, z.B. konzentrierte Schwefelsäure. Um 100 kg HNO3 aus 50prozentiger Säure derart herzustellen, wären 500 kg Schwefelsäure von 62° B erforderlich, welche sich durch das Wasser, das sie der Salpetersäure entziehen, auf 54° B verdünnen. Diese Konzentrationsgrenzen erweisen sich am günstigsten für das Verfahren. Die Schwefelsäure vor 54° B gibt alle nitrosen Verbindungen in der Wärme ab. Die Eindampfung von 100 kg Schwefelsäure von 54° B auf 92° B kostet 25 Pfennig, für 600 kg demnach 1,50 M. Die bei der Eindampfung frei werdenden Stickoxyde können wieder verwertet werden. Schätzt man den Verlust an Schwefelsäure auf 1 v. H., so ergeben sich alles in allem die Kosten der Salpetersäure zu 4,70 M. gegenüber einem Grossverkaufspreis von 40 M.Wieder der Kraftpreis zu 20 M. für das Kilowattjahr angenommen und der Preis der Schwefelsäure zu 3,30 M. für 100 kg von 62° B. Indessen ist noch nicht erwiesen, ob sich dieses Verfahren durchführen lässt und ob dabei alle Salpetersäure herauszubekommen ist. Auf einem Umwege kann man konzentrierte Salpetersäure herstellen, indem man aus verdünnter Säure salpetersaure Salze erzeugt (etwa Magnesiumnitrat) und diese durch Schwefelsäure zersetzt. Hierbei würde die Beseitigung des abfallenden Magnesiumsulfats Schwierigkeiten machen. Stellte man Calciumnitrat her, so würde die Bildung des unlöslichen Gipses stören. Beide Sulfate könnten nur unter Oeffnung der Retorte entfernt werden. Was schliesslich das wirtschaftlich wichtigste Erzeugnis, den Dungsalpeter anlangt, so kommt bei einem Grosspreise von 19 M. für 100 kg Chilesalpeter 1 kg Stickstoff auf 1,15 M., während die entsprechende Menge nitroser Luft von 2 v. H. bei einem Kraftpreise von 20 M. nur 0,15 M. kostet. Es können also erhebliche Arbeitskosten gedeckt warden, besonders wenn man die billigste Base, den Kalk, zur Bindung der Salpetersäure verwendet. Wesentlich störend würde hier der Nitritgehalt wirken; indessen legen diesem Einwände Lepel u.a. keine ausschlaggebende Bedeutung bei. Zu der Herstellung dieser salpetersauren Salze wird man am zweckmässigsten die Karbonate mit der verdünnten Salpetersäure versetzen und zur Verminderung des Nitritgehaltes mit stärkerer und reinerer Säure nachbehandeln. Die entweichenden Stickoxyde kehren in den Kreislauf zurück. Das Eindampfen der Salzlösungen kostet je nach den Kohlenpreisen 1 M. bis 1,80 M. für das Kubikmeter, für 1 kg Stickstoff rund 1 Pfennig, fällt also wenig ins Gewicht. Nimmt man zur Bindung der Salpetersäure Soda, so kostet sie auf 1 kg Stickstoff 0,42 M. (100 kg Soda zu UM. gerechnet). Der Kalkstein kostet samt gebranntem Kalk (um basisches Nitrat herzustellen, 0,15 M. der Magnesit 0,30 M. Demnach würde sich 1 kg Dungstickstoff beim Kraftpreise von 20 M. in Form von künstlichem Natronsalpeter auf 0,64 M., von basischem Kalksalpeter auf 0,36 M. und von Magnesiasalpeter auf 0,51 M. stellen. Dazu kommen noch die kleinen Betriebsspesen, die Löhne und die Generalunkosten, so dass bei höherem Preise der Kraft der Gewinn nur klein ausfällt, was allerdings durch grossen Umsatz wettgemacht werden kann. Ein basisches Nitrat des Calciums wird deshalb hergestellt, weil dieses nicht Wasser anzieht und sich darum erheblich besser handhaben lässt. Nach den obigen Ausführungen des Vortragenden scheint die beschriebene neue Industrie eine gute Zukunft zu besitzen. Allerdings, betont er zum Schluss, spielen dabei andere Umstände eine grosse Rolle, die Lage der Fabrik, die Transportbedingungen und vor allem die Frage, ob die Kraft wirklich so billig kommt, wie sie oft berechnet wird, geradeheraus, ob bei den sehr billigen Preisen die unvermeidlichen Ausbesserungen und Fehlprodukte richtig mit eingeschätzt sind. Der Vortragende verneint diese Frage, erwartet aber sicher die entsprechenden technischen Fortschritte. Nach dem Vortrage von Prof. Klaudy machte an Stelle des nicht anwesenden Prof. Frank (Charlottenburg) Dr. Erlwein (Charlottenburg) einige neue Mitteilungen über die Stickstoffaktivierung durch Kalkstickstoff, in denen er unter anderem auch einen Apparat zur Ammoniakherstellung im Lichtbilde vorwies, bei dem Wasserdampf auf den Kalkstickstoff einwirkt. Die bereits seit ½ Jahr arbeitende Kalkstickstoffabrik in Piano d'Orta stellt sich ihren Stickstoff aus verflüssigter Luft zum Preise von 3–4 Pf. für das Kilo dar und erzeugt auf das PS-Jahr 330 kg gebundenen Stickstoff. In der Diskussion warf Erlwein die Frage auf, warum ein Zusatz von Calciumchlorid günstig auf die Bildung von Kalkstickstoff wirkt; die Meinungen waren geteilt darüber. Geh. Rat Hempel machte schliesslich auf eine bisher arg vernachlässigte Quelle von Stickstoff, das Wasserkloset, aufmerksam und hält eine Umwälzung auf dem Gebiete der modernen Fäkalienbeseitigung für höchst wichtig. Nachdem so die Frage der Verwertung des Luftstickstoffs auf das ausführlichste erörtert war, folgte am Nachmittage des 21. Mai ein Vortrag von Geh. Rat Will (Berlin): Technische Methoden der Sprengstoffprüfung. Zunächst gab der Vortragende eine kurze geschichtliche Uebersicht, in der er darauf hinwies, wie man früher sich beim alten Schwarzpulver mit sehr rohen Prüfungen begnügt hat, indem man einfach bei Schiessversuchen die Schussweite bestimmte oder durch Explosionen Gewichte heben liess. Grundlegend für die exakte Forschung sind die Arbeiten von Berthelot, der zuerst die kalorimetische Bombe zur Untersuchung der Verbrennungswärme von Sprengstoffen anwandte. Die Wärmeentwicklung allein ist aber noch kein rechtes Mass der Wirkung, denn sie sagt ebenso wenig wie der Quotient Kalorien × spez. Vol.: spez. Wärme der Explosionsgase etwas über die Geschwindigkeit aus, mit der die spezifische Wärme verläuft. Gerade die Zeitdauer ist wichtig, weil bei langsamer Verbrennung Wärmeverluste eintreten; wenn die Explosion sehr rasch verläuft, erhält man ausserdem grössere Anfangsdrucke. So sehr hängt die Reaktionsgeschwindigkeit von der physikalischen Beschaffenheit des Sprengstoffes ab, dass z.B. Nitrocellulose je nachdem 40 m bis 6000 m Explosionsgeschwindigkeit haben kann. Zahlreiche Forschungen haben sich mit der Aufklärung dieser Verhältnisse beschäftigt und auch das Auftreten von katalytischen Einflüssen bemerkt. Für die Fortschritte der Sprengtechnik sind die Untersuchungen von Jäger besonders wichtig. Den bei der Explosion entwickelten höchsten Druck kann man durch die Stauchung eines Kupferzylinders messen. Die Verbrennung des Sprengstoffes geht in konzentrischen Schichten vor sich; durch die Aenderung der Oberflächengrösse lässt sich die Explosionsgeschwindigkeit regeln. Durch die Forschungen von Dixon, Berthelot und Le Chatelier sind unsere Kenntnisse über die Explosionsvorgänge wesentlich erweitert worden. Unter anderem wurde gefunden, dass mit dem Druck die Explosionsgeschwindigkeit wächst. Der Explosionsdruck bietet ein Mass der Arbeitsfähigkeit eines Sprengstoffes. In der Praxis bedient man sich selbsttätiger Registrierapparate. Die Geschwindigkeit des Geschosses im Rohr wird durch Rücklaufmesser, seine Geschwindigkeit auf der Flugbahn durch das Zerreissen elektrischer Kontakte aufgezeichnet. Je nach der Verwendung des Sprengstoffes ist auch seine Prüfung verschieden zu gestalten. Im Bergwerksbetrieb ist zum Beispiel das spezifische Gewicht von Bedeutung, da sich hiernach die Grösse der Bohrlöcher richtet. Ferner ist die Empfindlichkeit eines Sprengstoffes gegen Schlag, seine Gefrierbarkeit usw. wichtig. Ein Mass der Sprengwirkung gibt die Ausbauchung von Löchern bei der Explosion in Bleiklötzen, in denen sich, indem das Blei bis zum Schmelzen erwärmt wird, eine runde flaschenförmige Ausbauchung bildet. Die Brisanzwirkung wird am freiliegenden Sprengstoff gemessen, indem entweder die Stauchung eines Kupferzylinders zwischen Stahlplatten oder die Durchschlagskraft auf Metallplatten ermittelt wird. Weiter ist der Siemenssche Funkenphotograph und das ballistische Pendel (ein Mörser, der frei pendelnd aufgehängt ist) zu erwähnen. Die genannten Methoden geben Mittel, die Sprengstoffe ausreichend zu beurteilen; aber man soll das Urteil immer erst auf die Ergebnisse mehrerer Methoden gründen. In der anschliessenden Besprechung wurde bedauert, dass die Reaktionsgeschwindigkeit bei ihrer grossen Wichtigkeit noch nicht gut genug messbar ist. Der Leiter der neuen „Zeitschrift für das gesamte Schiess- und Sprengstoffwesen“ regt an, die klassischen Werke von Nobel in deutscher Sprache herauszugeben. Einen interessanten Punkt berührt Geh. Rat Bergmann (Charlottenburg) vom Militär-Versuchsamt, indem er die Versuche zur Herabsetzung des Mündungsfeuers erwähnt. Das Mündungsfeuer entsteht, indem das in den heissen Gasen, die aus dem Rohr entweichen, enthaltene Kohlenoxyd an der Luft verbrennt, vielleicht wirken auch Funken aus dem Rohre mit. Ein Gegenmittel sucht man in Zusätzen zum Sprengstoff, die dessen Explosionstemperatur herabsetzen; vielleicht ist das Dicyandiamid ein solches Mittel, das aber nicht sehr erheblich wirkt. Durch solche Zusätze, die die Explosionstemperatur herunterdrücken, wird auch die Wirkung auf das Geschoss geschwächt, so dass man nur geringe Mengen dieser Zutaten nehmen darf. Geh. Rat Will lenkte weiter die Aufmerksamkeit auf die Nachexplosionen, die namentlich bei langsam geleiteter Verbrennung eintreten können. Die Gefährlichkeit der nach dem Schusse im Rohr zurückbleibenden Gase steigt mit der Verringerung des Explosionsdruckes; deshalb empfiehlt es sich, bei Versuchen das Gasgemisch vor Oeffnung des Verschlusses zu entfernen, indem man etwas Kohlensäure durch das Rohr leitet. Der nun angesetzte Vortrag von Prof. Jäger (Charlottenburg) über kalorimetrische Messungen mittels des Platinthermometers fiel aus; statt dessen sprach Dr. von Steinwehr von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt über den Einfluss der Korngrösse auf die elektromotorische Kraft von Normalelementen. Es folgte der Vortrag von Prof. Bredig (Heidelberg): Ueber Katalyse im heterogenen System und ein neues Quecksilberoxyd, der ebenso wie der vorhergehende Vortrag sich hier im Auszuge nicht wiedergeben lässt. Erwähnen will ich nur, dass Bredig durch Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf Quecksilber ein explosives Quecksilbersuperoxyd von der Formel HgO2 hergestellt hat, einen dunkelgefärbten Stoff, der in der Kälte sich tagelang halten kann, sich dann aber oft plötzlich unter grosser Gasentwicklung zersetzt. Hierauf besprach Prof. Cohen (Utrecht) physikalisch-chemische Untersuchungen über Silber und Gold und legte dar, dass drei von Thomsen vermeintlich aufgefundene verschiedene Modifikationen des Goldes in Wirklichkeit ein und dasselbe sind und dass gleiches auch von fünf allotropen Formen des Silbers gilt, die Berthelot angegeben hatte. In einem Falle war eine Beimengung von Kupfer die Ursache zu dem anscheinend verschiedenen Verhalten des Silbers. In der Besprechung wurde von verschiedenen Seiten die theoretische Wichtigkeit der allotropen Formen für die Anordnung der Elemente im periodischen System erörtert. (Schluss folgt.)