Titel: Neuere Schienenstossanordnungen mit enger Stosschwellenlage.
Autor: F. Jaehn
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 437
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Neuere Schienenstossanordnungen mit enger Stosschwellenlage. Von Regierungsbaumeister F. Jaehn in Bromberg. (Fortsetzung von S. 424 d. Bd.) Neuere Schienenstossanordnungen mit enger Stosschwellenlage. Es sei im Nachstehenden kurz auf die Stossverbindungen eingegangen, mit denen die verschiedensten Eisenbahnverwaltungen durch Verringerung der Stossschwellenentfernung die schädlichen Einflüsse des Schienenstosses zu mindern gesucht haben. Textabbildung Bd. 321, S. 437 Fig. 11a. Textabbildung Bd. 321, S. 437 Fig. 11b. 1. Schweizerische Gotthardbahn. Mit der Stossschwellenentfernung wurde auf 340 mm herabgegangen. Nach den Mitteilungen der Direktion dieser EisenbahnverwaltungM. Coüard, notes sur les deformations permanentes de la voie in der Revue générale des chemins de fer 1897 S. 40. soll sich diese Anordnung (Fig. 11a u. 11b) gut bewährt haben. Textabbildung Bd. 321, S. 437 Fig. 12a. Textabbildung Bd. 321, S. 437 Fig. 12b. Textabbildung Bd. 321, S. 437 Fig. 12c. Unter Verwendung eiserner Schwellen in ausgedehntem Masse hat man die Stossverbindung durch Laschen mit Keilantrieb und ArbeitsleistenHaarmann, Eisenbahngleis, kritischer Teil S. 175.Eisenbahntechnik der Gegenwart II 2 S. 230. anderweitig zu kräftigen versucht, wobei jedoch die geringe Stosschwellenentfernung von 356 mm, also eine nicht wesentlich höhere als die vorgenannte, beibehalten wurde. Klagen über ungünstiges Verhalten infolge schlechter Schwellenlage sind nicht laut geworden, im Gegenteil verweist Coüard auf die damit erzielten guten Erfolge und erklärt die einseitige Unterstopfung nicht nur für gut ausführbar, sondern hebt noch hervor, dass sich die Schwellen in ihrer Lage sicher erhalten haben. Textabbildung Bd. 321, S. 438 Fig. 13a. Textabbildung Bd. 321, S. 438 Fig. 13b. 2. Französische Ostbahn. Eine wesentliche Verstärkung der Schienenstösse wurde durch Verringerung der Entfernung der Stosschwellenmitten von 600 auf 420 mm erzielt (Fig. 12a und 12b). Infolge dieser engen Schwellenlage war ein Unterstopfen der Schwellen von der Stosseite her kaum angängigHaarmann, Eisenbahngleis, Kritischer Teil, S. 157.. Man hat daher durch Abschrägen der dem Stossfelde zugekehrten oberen Schwellenkanten den für das Schwingen der Stopfhacke erforderlichen Platz geschaffen (Fig. 12c). Die starke Abnutzung eines GleisstückesHaarmann, Eisenbahngleis, Kritischer Teil, S. 161. dieses Oberbaues welches in den Jahren 1889 bis 1902 von rund 700000 Zügen befahren worden ist (Strecke Paris–Belfort) ist auf das ungünstig bemessene Schienengestänge – hoher Schienenkopf, schwache Winkellaschen, Mangel an Unterlagsplatten – zurückzuführen, während gerade die mangelnde Tragfähigkeit des Schienengestänges am Stosse durch dichtes Zusammenschiebendder Stossschwellen in erster Linie ausgeglichen wurde. 3. Deutsche Bahnen. Der Stosschwellenabstand betrug früher vielfach bis 700 mm, ist jetzt aber meistens auf 600 bis 500 mm ermässigt worden; einzelne Verwaltungen haben auch noch geringere Stossteilungen gewählt. So haben die Bayerischen StaatsbahnenH. Marggraf, Das Eisenbahngleis, München 1902 S. 60. beim Holzschwellenoberbau von Hauptbahnen den Mittenabstand der Stosschwellen auf 500 mm festgesetzt, nur für Neulegung und Schwellenumbauten von Gleisen mit den nur 6 m langen Schienen und Flachlaschen des Profils I (Stahlkopfschiene von 37,8 \frac{\mbox{kg}}{\mbox{m}} Gewicht) ist die Näherrückung der Stosschwellen auf 400 mm Mittenabstand unter Verwendung besonders breiter und teilweise enggelochter Unterlegsplatten vorgeschrieben. Diese Anordnung hat sich vortrefflich bewährt, trotzdem die beiden Endschwellen in diesem Falle beim Unterstopfen wie eine einzige behandelt werden müssen; die einseitige Unterstopfung ergab bisher keine Uebelstände. Bei dem Eisenschwellenoberbau des Profils X (Stahlschiene von 43,5 \frac{kg}{m} Gewicht, 12 und 15 m lang) werden neuerdings die Stosschwellen sogar auf nur 340 mm Mittenabstand nähergerückt. Die bisher hiermit gemachten ErfahrungenV. D. E. V. Auszug aus dem Protokoll No. 81, S. 9. lauten günstig, sodass man erwartet, dass auch das Näherrücken der hölzernen Querschwellen auf 420 mm Abstand sich günstig erweisen wird. Textabbildung Bd. 321, S. 438 Fig. 14a u. 14b. Schienenstoss mit Kreuzschwelle und schrägem, doppelt verlaschtem und unterstütztem Blattstosse. Textabbildung Bd. 321, S. 438 Fig. 15a u. 15b. Schienenstoss mit Schwelle Form 51 und schrägem, doppelt verlaschtem und unterstütztem Blattstosse. Die Preussischen Staatsbahnen haben gelegentlich kleinerer Versuche mit sogenannten Stossfangschienen zum erstenmal im Jahre 1896 die geringe Stossteilung von 360 mm angewendet (Fig. 13a und 13b). Wenn diese Stossverbindung so wenig den gehegten Erwartungen entsprochen hat, so ist dies nach den gemachten ErfahrungenA. Goering, Die Stossfangschiene und die preussischen Staatsbahnen Org. f. Fortschr. 1904 S. 81. in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Zweck der Stossfangschiene, das Tragen der Räder durch eine wesentliche Verbreiterung der Lauffläche zu bewirken, wegen der Verschiedenheit der Radreifen auf die Dauer nicht erreichbar ist. Textabbildung Bd. 321, S. 439 ]Fig. 16a. Stossverbindung auf eisernen Doppelschwellen. Fig. 16b. Stossverbindung auf hölzernen Doppelschwellen. Fig. 16c. Dubel und hölzerne Doppelschwelle. Aller Voraussicht nach würden gleichzeitige Versuche mit starken Kremplaschen unter Beibehaltung der engen Stosschwellenentfernung günstigere Erfahrungen gezeitigt haben. Gegenwärtig werden Versuche mit einer Stossteilung von 360 mm unter Verwendung des sogenannten festen BlattstossesE. Schubert, Eine neue Oberbau-Anordnung, Ztg. des Vereins Deutscher Eisenb.-Verw. 1905 S. 226. nach dem Patent von Becherer und Knüttel (D. R. P. No. 80971) in Verbindung mit Kreuzschwellen (Fig. 14a u. 14b) und Schwellen der Form 51 (Fig. 15a und 15b) angestellt. Die bis jetzt mehrfach mit dieser Oberbau-Anordnung auf den preussischen Staatsbahnen angestellten Versuche haben sehr günstige Erfahrungen gezeitigt. Wenn aber in Erwägung gezogen wird, dass der Materialaufwand infolge des schweren Schienenprofils No. 9 mit 18 mm starkem Stege, der 500 m langen Ueberblattung und dem entsprechenden Verlust an Schienenlänge, und schliesslich infolge langer und starker Winkel- bezw. Kremplaschen nicht unerheblich ist, so würde es hinsichtlich des Kostenpunktes von Interesse sein, wenn gleichzeitig angestellte Versuche mit der Schienenform No. 8 unter Anwendung des Stumpfstosses mit kurzen Winkellaschen, aber unter Beibehaltung eines Stossschwellenabstandes von 360 mm einen Ueberblick über die Wirtschaftlichkeit beider Systeme gäben. Die Königliche Eisenbahndirektion zu Kattowitz hat mit eisernen und hölzernen Doppelschwellen (Fig. 16a bis 16c) VersucheGelbcke, Doppelschwellen, Zentralbl. d. Bauv. 1905. S. 433.V. D. E. V. Auszug aus dem Protokoll No. 81, S. 14. angestellt und zwar wurden die Schnellen teils mit je zwei Hakenplatten, teils mit je einer durchgehenden Hakenplatte am Stosse ausgerüstet. Vorgenommene Messungen haben ergeben, dass die Schienenenden bei dem Stosse auf Doppelschwellen weniger angegriffen werden als beim gewöhnlichen schwebenden Stoss und dass diesem gegenüber die Abnutzung der Schienen an den Stössen gleichmässiger und geringer ist. Ein Senken des belasteteten Schienenkopfes gegenüber dem unbelasteten tritt nicht ein. Die Verbindung der hölzernen Doppelschwelle mit fünf eisernen Dübeln (Fig. 16c) hat sich vorzüglich bewährt. Sowohl die eisernen als auch die hölzernen Doppelschwellen haben sich sehr leicht und auf den ganzen Lagerflächen gleichmässig gut unterstopfen lassen. Textabbildung Bd. 321, S. 439 Schienenstoss auf zwei Schwellen. Warschau–Kalischer Linie; Fig. 17. Seitenansicht des Schienenstoss von innen, von aussen; Gewicht der Stosslasche 8,06 kg; Fig. 18. Grundriss. Wagerechter Schnitt; Fig. 19. Schnitt in der Mitte des Schienenstosses; Fig. 20. Schnitt über einer Stossschwelle; Fig. 21. Schnitt über einer Zwischenschwelle. Die Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen haben im März 1901 auf je 500 m Länge einer Haupt- bezw. Nebenstrecke den ZweischwellenstossV. D. E. V. Auszug aus dem Protokoll No. 81 S. 10. eingebaut. Der Unterstopfung der Stosschwellen stellten sich erhebliche Schwierigkeiten nicht entgegen. Ein Kanten derselben nach der Schienenstossmitte zu ist nur ganz vereinzelt und nur in sehr geringem Masse eingetreten. Im übrigen haben sich diese Stossverbindungen sehr gut gehalten. Die Gleise befahren sich merklich ruhiger, da die Einsenkung eine wesentlich geringere ist als beim schwebenden Stosse, und es tritt das Bedürfnis des Unterstopfens und Anhebens dieser Stösse seltener auf. Auch bei den üblichen schwebenden Stossverbindungen, soweit auf Schnellzugstrecken mit einer Schwellenvermehrung begonnen war, wurde eine Stosschwellenentfernung von 340 mm angeordnet, um einem ungleichmässigen Senken des ganzen Gleises entgegenzuwirken. Textabbildung Bd. 321, S. 440 Schienenstoss auf zwei Schwellen. Warschau–Wiener-Eisenbahn. (Hauptlinie.) Anordnung II. Mit Winkellaschen und besonderen Winkeleisen zur Verhinderung des Wanderns der Schienen; Fig. 22. Querschnitt a-b; Fig. 23. Seitenansicht des Schienenstosses von aussen; Fig. 24. Grundriss und wagerechter Schnitt; Fig. 25. Querschnitt a-b; Fig. 26. Seitenansicht von aussen; Fig. 27. Wagerechter Schnitt. 4. Russische Bahnen. Auf Grund eingehender BeobachtungenA. Wasiutynski, Beobachtungen über die elastischen Formänderungen des Eisenbahngleises, Ergänzungsheft zum Org. f. Fortschr. 1899 S. 323.Derselbe, Schienenstoss auf zwei Schwellen, Ergänzungsheft zum Org. f. Fortschr. 1905 S. 337. wurde von dem Direktions-Ingenieur der Warschau – Wiener Bahn, Professor A. Wasiutyuski, der in den Fig. 17 bis 21 dargestellte Oberbau mit Zweischwellenstoss entworfen und auf der ganzen 251 km langen Strecke der Warschau-Kalischer Eisenbahn verlegt. Die 32 \frac{\mbox{kg}}{\mbox{m}} schweren und 15 m langen Schienen ruhen auf 20 Schwellen, deren Mittenteilung in der Mitte der Schiene 810 mm, im vorletzten Felde 712,5 mm und am Stosse 275 mm beträgt. Zwischen den beiden Stosschwellen ist ein theoretischer Zwischenraum von 30 mm freizulassen, um etwaigen Abweichungen in den Querschnittsmassen Rechnung zu tragen. Die Schienen ruhen auf keilförmigen Unterlagsplatten und sind auf den Stosschwellen bis 57 mm von ihren Enden unterstützt. Zur Befestigung der Schienen dienen Hakennägel. Die Unterlagsplatten greifen in Ausschnitte der Doppewinkellaschen, um das Wandern der Schienen zu verhindern. Die Laschen mit 4 Bolzen sind nur 540 mm lang und 8 kg schwer. Die Bettung besteht fast auf der ganzen Strecke aus grobkörnigem Grubensande. Eine gute Unterstopfung der Zwillings-Stosschwellen konnte ohne Anstand erzielt werden. Dieser Oberbau steht jetzt ungefähr 3 Jahre im Dienst und hat sich während dieser Zeit gut bewährt. Ein Kippen der Stosschwellen nach innen ist nur ausnahmsweise bemerkt worden. Die Stosschwellen liegen durchweg fest und brauchen nicht öfterals die übrigen Schwellen nachgestopft zu werden. Genaue Messungen haben ergeben, dass beim Zwischenschwellenstoss die Schienenenden und Laschen nach oben gebogen sind, während beim gewöhnlichen schwebenden Stoss das Umgekehrte der Fall ist. Diese Erscheinung ist wohl in erster Linie auf die spezifisch starke Unterschwellung der Stosstelle, dann aber auf die Gewohnheit der Bahnarbeiter, die Stosschwellen besonders kräftig zu unterstopfen, zurückzuführen. Textabbildung Bd. 321, S. 440 Schienenstoss auf zwei Schwellen. Anordnung I mit Doppelwinkellaschen; Fig. 28. Grundriss und wagerechter Schnitt nach c-d des Schienenstosses; Fig. 29. Querschnitt a-b; Fig. 30. Seitenansicht des Schienenstosses von aussen. Das günstige Verhalten des Oberbaues der Warschau-Kalischer Linie hat die Verwaltung der Warschau-Wiener Eisenbahn angeregt, den Stoss auf zwei Schwellen auch auf der Hauptlinie Warschau-Granica für 38,5 \frac{\mbox{kg}}{\mbox{m}} schwere Schienen des seit 1903 vorgeschriebenen russischen Querschnittes auf zwei Strecken mit einer Länge von etwa 7 km versuchsweise anzuwenden und zwar sowohl mit Doppelwinkellaschen, welche auch dem Wandern der Schienen entgegenwirken (Fig. 28 bis 30), als auch mit Winkellaschen (Fig. 22 bis 27), bei deren Anwendung das Wandern der Schiene durch besondere Winkeleisen verhindert wird, die zu je drei Paaren auf den drei mittleren Schwellen jeder Schiene angebracht werden. Diese Anordnungen werden nach einiger Zeit ein noch sichereres Urteil über den Wert des Zweischwellenstosses erlauben. 5. Amerikanische Eisenbahnen. Der geringe Schwellenabstand ist die beste und bestgekannte Seite des amerikanischen OberbauesE. Reitler, Ueber englischen und nordamerikanischen Oberbau, Wien 1895 S. 20.E. Giese, Einige Bemerkungen über den Oberbau amerikanischer Bahnen, Ztschr. d. Vereins Deutscher Ingenieure 1906 S. 87.W. Hoff und F. Schwabach, Nordamerikanische Eisenbahnen, Berlin 1906 S. 55.. Er beträgt in Hauptgleisen etwa 51 cm, auf Hochbahnen meist 46 cm, in Nebengleisen bis 62 cm, am Stoss 36-50 cm. Diese enge Schwellenlage und die schweren Schienenprofile von 39,56 und 42,03 \frac{\mbox{kg}}{\mbox{m}} neuerdings sogar von 49,45 \frac{\mbox{kg}}{\mbox{m}} sichern dem amerikanischen Oberbau genügende Steifigkeit und Tragfähigkeit. Aus der ausserordentlich dichten Schwellenlage hat sich in Verbindung mit dem festen Stoss der sogenannte „Dreischwellenstoss“ entwickelt, eine Stossanordnung, die sich neuerdijgs immer mehr das Feld erobert. Der Dreischwellenstoss (Fig. 31) wird mit sehr langen Laschen – 90 bis 100 cm lang – und 6 Bolzen ausgerüstet. Der grundsätzliche Nachteil dieser Stossverbindung liegt darin, dass es recht schwierig ist, drei Schwellen immer in derselben Höhe zu erhalten. Liegt die Stosschwelle höher, so wird der Dreischwellenstoss zu einem minderwertigen ruhenden Stoss, sinkt sie nieder, so wird er zu einem schlechten schwebenden; die in jedem dieser beiden Fälle eintretenden hohen Beanspruchungen haben häufig zu Laschenbrüchen geführt. Nichtsdestoweniger hat sich bei starkbelasteten Strecken mit schwerem Oberbau, gute Unterhaltung und gute Bettung vorausgesetzt, der Dreischwellenstoss bei Anordnung des versetzten oder Wechselstosses jeder anderen Anordnung überlegen gezeigt, so dass die Oberingenieure der bedeutendsten amerikanischen Eisenbahnverwaltungen seine ausschliessliche Verwendung bei Um- und Neubauten in Aussicht genommen haben. Textabbildung Bd. 321, S. 441 Fig. 31. (Schluss folgt).