Titel: Automobilachsen.
Autor: Lutz
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 548
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Automobilachsen. Von Professor Lutz, Aachen. (Fortsetzung von S. 535 d. Bd.) Automobilachsen. Vorderachsen. Die allgemeine Gestalt von Vorderachsen wird nach Fig. 8 durch folgende Masse beeinflusst: Textabbildung Bd. 321, S. 548 Fig. 8. Raddurchmesser: Ergibt die Höhenlage der Achsschenkelmitte (S); Höhe der Rahmenoberkante: Diese legt bei einer gewissen Rahmenhöhe h1 und Federhöhe h2 sowie bei gewähltem Federdurchschlag f die Höhenlage des Federtellers (T) fest; Lage der Motorwelle: Aus ihr folgt nach Annahme der Durchschlaghöhe f1 > f (um Achsbruch zu verhüten) die Achstiefe M in der Mitte. Spurbreite B und Rahmenbreite R. Textabbildung Bd. 321, S. 548 Fig. 9. Soweit es die Rücksichtnahme auf alle diese Masse zulässt, wird man ausserdem versuchen, eine Verdrehungsbeanspruchung der Achse dadurch hintan zu halten, dass man Achszapfenmitte und Schwerpunkt des in Betracht kommenden Achsquerschnittes in die gleiche Höhe legt. Das wäre bei dem für Torsion ungünstigen Doppel-⊤ Querschnitt noch mehr zu beachten, als etwa bei einer Rohrachse. Die Vorderräder eines Kraftwagens erhalten durchweg einen sogenannten Sturz, d.h. eine Neigung gegen die Vertikalebene, welchezahlenmässig als Tangente des Winkels α (Fig. 8) ausgedrückt wird. Durch den Sturz wünscht man das Abfliegen des Rades vom Zapfen, etwa nach Lösung der Verschlussmutter zu verhüten und erreicht zugleich den Vorteil, dass die Räder ungefähr senkrecht zu dem gewölbten Strassenprofil stehen. Uebermässiger Sturz vermehrt den Fahrwiderstand durch Seitenabrollung der Reifen und schädigt auch letztere. Die Werte für tg α liegen zwischen 1 und 3 v. H. Textabbildung Bd. 321, S. 549 Fig. 10. Von ganz besonderer Einwirkung auf den Bau von Vorderachsen ist aber die Art der bei Kraftwagen üblichen Lenkung. Es ist ja allgemein bekannt, dass Strassenfuhrwerke für animalischen Betrieb eine Lenkachse besitzen, welche sich um einen Drehzapfen bewegt; jeder Stoss eines Wegehindernisses gegen ein Rad wirkt demnach an einem Hebelarm = der halben Spurweite. Die Anwendung einer solchen Lenkachse auf den Automobilbett ieb hat früher stattgefunden, führt jedoch zu unerträglichen Verhältnissen, da einerseits die hohe Fahrgeschwindigkeit entsprechende Stossmomente herbeiführt und dadurch den an und für sich unsicheren Aufbau und die Bedienung der Lenkung gefährdet, andererseits der heutige Motorwagen mit seiner vorn stehenden Kraftmaschine den Einbau einer Drehachse nahezu unmöglich macht. Daher hat sich im Kraftwagenbau allgemein die Achsschenkellenkung nach Fig. 9 eingebürgert. Der Wagenlenker dreht das Handrad H, bewegt dadurch mittels einer Schrauben- oder Schneckenübersetzung S den Hebel h, dessen Schwingung die Schubstange T in leicht kenntlicher Weise auf jeden Achsschenkel A (Drehpunkt P am Ende der festgelagerten Achse) überträgt. Die Lagerung der Achsschenkel („Achsstummer“, „Stummelachsen“) in der Achse wird gemäss Fig. 10 in der Weise vorgenommen, dass der Drehzapfen sich entweder in einer geschlossenen Büchse bewegt (A) oder aber durch Gabel geführt wird, wobei diese Gabel entweder an der Achse (B) oder am Achsschenkel (C) oder schliesslich an beiden (D) sitzt. In allen Fällen sind folgende konstruktiven Grundbedingungen zu erfüllen: 1. Sichere Lagerung des Lenkzapfens, also richtige Aufnahme der Horizontal- und Vertikalkräfte; 2. Gute Sclmierung; 3. Leichter Zusammenbau; 4. Einfache Formung der für die Betriebssicherheit. wichtigen Lenkhebel; 5. Geringes Antriebsmoment, also:a) Langer und leicht gehender (Kugellager) Drehzapfen,b) Geringer Abstand der Radmitte von Mitte Drehzapfen. (Im folgenden der Kürze halber als „Drehradius“ bezeichnet.) Textabbildung Bd. 321, S. 549 Fig. 11. Vordere Rohrachse für 12- und 16 PS-Wagen. Adler-Fahrradwerke vorm. Heinr. Kleyer, Frankfurt a. M. Tabelle 3. (Die Lfd. No. entsprechen denen der Tabelle 1.) Textabbildung Bd. 321, S. 549 Lfd.No. pmm hmm Radbe-lastungkg Spurlager-druck in akg/qcm Horizon-taldruck Hkg Traglager-druck in bkg/qcm Aufnahme des Vertikaldruckes Bemerkungen   1   97   87   163 152 35 durch gewölbte Tragfläche   2   55   90   133   21   82     „    Rotgussbüchse   3   65   93   280 200 19     „    Stützkugellager   4   85 120   290   92 205 56     „    ebene Stahlplatte   5   70 173   280   34 113   18,5     „    2 Stahlkugeln   6   80   80   275   61 275 40     „    ebene Druckplatte   7   60 200   350   50 105 17     „    2 Stahlkugeln   8   77 104   300   61 222 38     „    ebene Stahlplatte   9   90 100   300 270 49     „    gewölbte Stahlplatte 10   80   97   360   51 297 19     „    ebene Stahlplatte 11   72 215   400 134 27     „    Stützkugellager 12   98 270   750   50 272   21,5     „    Kammlager 13 110   750 238   30,5     „    Stahlplatte und Druck-          schraube Drehzapfen der ganzen Länge(180 mm) nach gelagert 14 103 290 1250 43 444   32,8     „    2 Stahlkugeln 15 112 305 1500 113 550 35     „    2 Stahlkugeln 16 147 1500 52 38     „    Rotgussbuchse Drehzapfen der ganzen Länge(240 mm) nach gelagert Tab. 3 gibt eine Zusammenstellung der Abmessungen und ruhenden Beanspruchungen von Drehzapfen. Die Zahlen sind Konstruktionen entnommen, deren Besprechung Textabbildung Bd. 321, S. 550 Fig. 12. Omnibus-Vorderachse für 1500 kg Achsbelastung. H. Büssing, Braunschweig. Textabbildung Bd. 321, S. 550 Fig. 13. Vordere Lastwagenachse, Achsbelastung 3000 kg. Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, Berlin. nunmehr Aufschluss über typische Vorderachsbauarten geben mag. 1. Vertreter der Anordnung A in Fig. 10: Fig. 11: Rohrachse der Adler-Fahrradwerke für 12- und 16-pferdige Wagen: Das rechte Laufkugellager sitzt fast in der Radmitte, um so geringen Drehradius (65 mm) zu erzielen. Der Staubabschluss ist durch den gefetteten Filzring F ermöglicht. Die Horizontaldrucke des Drehzapfens sind in Gleitlagern aufgenommen, deren Drehung im Achsendstück E durch kleine Stifte gehindert wird, die Vertikalkraft in einem Stützkugellager. Unter diesem sitzt eine Feder, welche die untere Lagerschale stets nach oben drückt und so verhindert, dass beim Anheben der Achse (Reifenauswechselung) das Lager auseinanderfällt. Der Lenkhebel L ist mittels Vierkant und einer durch Umnietung gesicherten Mutter auf dem Drehzapfen befestigt. Die Schmierung geschieht in leicht erkenntlicher Weise von oben her; ein Filzring R schliesst die Lager nach unten zu ab. Fig. 12: Omnibusvorderachse von Büssing, Braunschweig: Auch hier bewegt sich der Drehzapfen in einer von oben her geschmierten Büchse, jedoch ist der Senkrechtdruck in einem nachstellbaren Gleitlager mittels stählerner Schraube und Stahlplatte aufgenommen. Die Eindrehung E, in welche eine (in der Figur nicht sichtbare) Schraube von aussen her hineinfasst, hält den Zapfen auch beim Lüften der Achse in dieser fest. Der Lenkhebel L sitzt mittels Konus und Keil fest, was der Vierkantbefestigung gegenüber im Interesse der Spielfreiheit vorzuziehen ist. Ein geringer Drehradius ist dadurch erzielt worden, dass die Nabe weit in den Lenkzapfen hineinfasst. Die Feder f verhütet selbsttätiges Lösen der Verschlusskapsel K. Die neuerdings häufiger angewendete Kapselsicherung durch einen federnden Ring ist in der Fig. 12 gesondert dargestellt. Fig. 13: Lastwagenvorderachse der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin: Die Abweichung dieser Konstruktion von den vorher besprochenen beruht in der andersartigen Aufnahme des Vertikaldruckes, welche am unteren Ende der Drehhülse mittels der Büchse B erfolgt. Der Reibungsradius wird infolgedessen gross, die Lenkung erschwert Andererseits ist eine bessere Druckverteilung erzielt. Ein tief eingelassener Filzring schützt den Drehzapfen vor Staub und hindert allzu raschen Oelabfluss. Die Lenkhebel M werden in einer konischen Bohrung K des Achsstummels befestigt. (Fortsetzung folgt.)