Titel: Die Härte der Gefügebestandteile des Eisens.
Autor: E. Preuß
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 170
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Die Härte der Gefügebestandteile des Eisens. Die Härte der Gefügebestandteile des Eisens. Kürzlich wurden in einem besonderen Bande des Journal of the Iron and Steel Institute1906, Bd. II. die Forschungsarbeiten der Inhaber des Carnegiestipendiums veröffentlicht. Eine dieser Arbeiten von Boynton befaßt sich mit der Härte der Gefügebestandteile des Eisens. Boynton hat für diese Untersuchungen den Härtemesser von Jaggar gewählt. Der ApparatAmerican Journal of Science 1897, S. 399. besteht im wesentlichen aus einem wagerecht angeordneten, um eine wagerechte Achse drehbaren Wagebalken, der eine von einem Schnurlauf gedrehte senkrechte Achse trägt. In das untere Ende dieser Achse ist ein Diamant eingesetzt. Dasjenige Ende des Wagebalkens, an dem sich der Diamant befindet, wird durch Gewichte beschwert. Der zu prüfende Gegenstand wird unter die sich drehende Diamantspitze gebracht, so daß sie sich in seine Oberfläche hineinbohrt. Da der Wagebalken stets mit demselben Gewicht belastet wird, so kann die Anzahl der Umdrehungen des Diamanten, die erforderlich war, um stets die gleiche Bohrtiefe zu erzielen, als Härtemaßstab dienen. Die in den folgenden Tabellen angegebenen Härtezahlen sind also nichts anderes als die zur Erzielung der festgesetzten Bohrtiefe erforderliche Umlaufszahl des Diamanten. Die in den Tabellen angegebenen Zahlen sind das Mittel von mindestens fünf verschiedenen Versuchen. Die Abweichung der einzelnen Werte vom Mittelwert betrug nicht mehr als ± 4,8 v. H. Als Bohrtiefe wurde 1/100 mm festgesetzt. Sie wird mit Hilfe eines wagerecht angeordneten Mikroskops aus der Bewegung des Wagebalkens abgelesen. Der Apparat macht 25 Umläufe in der Minute, die durch ein besonderes Zählwerk gezählt werden. Zum Bohren wird die gut ausgebildete Spitze eines Diamanttetraeders benutzt. Die Belastung der Diamantspitze beträgt 20 gr. Sie hatte sich selbst nach sehr starkem Gebrauch nicht abgenutzt, wie durch Versuche mit stets dem gleichen Probestück und durch sorgfältige Inaugenscheinnahme nachgewiesen wurde. Untersucht sind die in Tab. 1 aufgeführten Eisensorten. Alle Proben wurden zunächst auf 1000° erhitzt und langsam erkalten gelassen, um den Einfluß der vorausgegangenen Behandlung zu beseitigen und größere Kristalle zu erhalten. Tabelle 1. Verzeichnis des Probematerials. No. Material-Art Gehalt n v. H. an C Si Mn P S 1 Elektrolyt. Eisen   0,0125 2 Schweißeisen 0,025 0,225 0,125 0,216 0,015 3 0,12 0,240 0,350 0,130 0,027 4 Tiegelstahl 0,035 0,090 0,030 0,009 0,007 5 Bessemerstahl 0,065 0,015 0,275 0,102 0,054 6 0,13 0,043 0,460 0,062 0,016 7 0,20 0,031 0,360 0,046 0,040 8 Tiegelstahl 0,35 0,14 0,012 0,012 9 Bessemerstahl 0,45 0,16   0,72 0,075 0,033 10 0,48 0,13   0,33 0,032 0,013 11 Tiegelstahl 0,58 0,09   0,12 0,011 0,025 12 Bessemerstahl 0,68 0,18 0,332 0,042 0,041 13 Tiegelstahl 0,86 0,241 0,193 0,013 0,010 14 0,91 0,19 0,150 0,013 0,013 15 1,24 0,14 0,140 0,010 0,014 16 1,52 0,137 0,210 0,013 0,022 17 1,78 0,19 0,210 0,018 0,020 18 Weißes Roheisen 3,24 0,27 0,050 0,015 0,015 19 Graues Roheisen 4,55 0,50   0,18 0,015 0,011 Tabelle 2. Härte von Ferrit. Material: Auf elektrolyt. Wege gewonnenes Eisen. (s. No. 1 Tab. 1.) Zustand Härtezahl nicht umgeschmolzen ungeätztgeätzt 505502 umgeschmolzen ungeätztgeätzt 460463 abgeschreckt bei 850°1300° in CO2von – 78,6° 998982 Die Versuche begannen mit der Prüfung von Ferrit in Gestalt von elektrolytischem Eisen in dem in Tab. 2 angegebenen Zustande. Die Ergebnisse zeigen, daß Aetzen keinen Einfluß auf die Härtezahl ausübt. Abschrecken dagegen verdoppelt nahezu die Härte des Ferrits. Im Anschluß hieran wurde der Ferrit in verschiedenen Stahlsorten geprüft, wobei die in Tab. 3 wiedergegebenen Werte erzielt sind. Sie zeigen, daß die Härte Tabelle 3. Härte von Ferrit. Material mit 0,035–0,68 v. H. C. No.(s. a. Tab. 1) Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl   4 0,035 Erhitzt auf 1000°, langsam ab-gekühlt   478   5 0,065 desgl.   954   6 0,13 desgl.   678   6 0,13 2 Std. bei 1000° geglüht, langsamabgekühlt   598   7 0,20 Erhitzt auf 1000°, langsam ab-gekühlt   538   8 0,35 desgl.   595   9 0,45 desgl.   612 10 0,48 desgl.   607 12 0,68 desgl.   660   5 0,065 Abgeschreckt bei 850° 1237   6 0,13 Abgeschreckt bei 1000° 2309 des Ferrit durch längeres Glühen (Material No. 6) herabgesetzt wird und – mit Ausnahme des Materials No. 5, das eine auffällige Abweichung zeigt – mit wachsendem Kohlenstoffgehalt etwas zunimmt. Dies unterstützt nach der Ansicht von Boynton die von Benedicks ausgesprochene Vermutung, daß der Ferrit Kohlenstoff gelöst enthält und zwar um so mehr, je höher der Kohlenstoffgehalt des Materials ist. Bei der abgeschreckten Probe der Sorte 6 in Tab. 3 glaubt Boynton noch Ferrit gefunden zu haben. Bei der gewählten Abschreckwärme von 1000° ist dies aber ausgeschlossen; es liegt bereits Martensit vor. Im Schweißeisen zeigte Ferrit die in Tab. 4 angegebenen Härtezahlen. Bei Material No. 2 ist im Anlieferzustand noch die durch die Bearbeitung gesteigerte Tabelle 4. Härte von Ferrit. Material: Schweißeisen. No. Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl 2 0,025 Anlieferzustand2 Std. bei 900° geglüht 1557  798 3 0,12 Erhitzt auf 900°2 Std. bei 900° geglüht   909  686 Härte des Ferrits zu erkennen. Längeres Glühen setzt auch bei Schweißeisen die Härte des Ferrits wesentlich herab. Die Härte des Ferrit ist sowohl im Flußeisen (Tab. 3) als auch im Schweißeisen (Tab. 4) höher als im elektrolytischen Eisen (Tab. 2), was durch den Kohlenstoffgehalt der beiden ersteren Eisensorten bedingt sein dürfte (vergl. die Hypothese von Benedicks). Die Härte des Perlit nimmt mit wachsendem Kohlenstoffgehalt zu, wie Tab. 5 erkennen läßt. Bei Proben Tabelle 5. Härte von Perlit. MaterialNo. Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl 7 0,20 Erhitzt auf 1000°, langsamabgekühlt   842 8 0,35 desgl. 1745 9 0,45 desgl. 1957 10 0,48 desgl. 2046 11 0,58 desgl. 2090 12 0,68 desgl. 2147 13 0,86 desgl. 3129 14 0,91 desgl. 3994 15 1,24 desgl. 4109 16 1,52 desgl. 4711 19 4,55 desgl. 2152 mit weniger als 0,2 v. H. Kohlenstoffgehalt ließen sich nicht genügend große Perlitanhäufungen erzielen, um die Härteprüfung ausführen zu können. Die für Ferrit und Perlit bei verschiedenem Kohlenstoffgehalt des Eisens erhaltenen Härtezahlen sind in dem Schaubilde Fig. 1 dargestellt. Alle Proben, deren Härte in diesem Schaubild angegeben ist, waren bis auf 1000° erhitzt und langsam im Ofen abgekühlt. Textabbildung Bd. 322, S. 171 Fig. 1.Kohlenstoff in v. H. Perlit; Ferrit. Sorbit zeigte die in Tab. 6 wiedergegebenen Härtezahlen. Die Härte von Martensit nimmt stark mit steigendem Kohlenstoffgehalt zu (s. Tab. 7). Tabelle 6. Härte von Sorbit. MaterialNo. Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl 10 0,48 Erhitzt auf 1000°, an der Luftabgekühlt 3694 11 0,58 desgl. 3729 Tabelle 7. Härte von Martensit. MaterialNo. Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl   7 0,20 Abgeschreckt bei 850°   17896   8 0,35 desgl.   54486 11 0,58 desgl. 104987 13 0,86 desgl. 110559 15 1,24 desgl. 116560 16 1,52 desgl. 120330 Die Härte des Austenit, die nach Kourbatoff sehr schwankt, konnte nicht genügend sicher festgestellt werden, da es schwierig war, hinreichend große Austenitansammlungen zu erhalten. Die Proben, deren Härte in Tab. 8 wiedergegeben ist, wurden bei 1300° in einer Lösung von fester Kohlensäure in Alkohol (– 78,6°) abgeschreckt. Tabelle 8. Härte von Austenit. MaterialNo. Gewalt anC v. H. Zustand Härtezahl 17 1,78 Bei 1300° abgeschreckt 53117 18 3,24 desgl. 47591 Cementkristalle von hinreichender Größe für die Härteprüfung konnten nur bei einem Material gefunden werden und ergaben eine etwas größere Härte als Martensit. Tabelle 9. Härte von Cementit MaterialNo. Gehalt anC v. H. Zustand Härtezahl 18 3,24 Erhitzt auf 1000°, langsam imOfen abgekühlt 125480 Bei weiteren Versuchen wurden Stahlstangen nur an seinem Ende bis zur Weißglut erhitzt und abgeschreckt und dann wurde an verschiedenen Stellen die Härte gemessen. Benutzt wurde der Tiegelstahl No. 11 (Tab. 1) mit 0,58 v. H. C. Die erhaltenen Werte sind in Tab. 10 zusammengestellt und zwar beginnend mit dem nicht erhitzten Ende des Stabes. Tabelle 10. Gefüge Härtezahl Perlit + Ferrit 2055 Sorbitischer Perlit, wenig Ferrit 2540 Sorbit, wenig Ferrit 7310 Sorbit 15470 Sorbit + Troostit 24655 Troostit + Martensit 40564 Martensit 104987 Setzt man die Härte des Perlit = 1, so ergibt sich aus Tab. 10, also für ein Material mit 0,58 v. H. C, in runden Zahlen folgendes Verhältnis für die Härte der übrigen Gefügebestandteile: Tabelle 11. Vergleich der Härte der verschiedenen Gefügebestandteile. Gefügebestandteil Härtezahl Verhältnis Perlit 2000 1 Sorbit 2000–25000 1–12,5 Troostit 40000 20 Martensit 105000 52,5 Die für Sorbit, Martensit, Austenit, Cementit und Troostit erhaltenen Werte sind in Fig. 2 zusammengestellt. Um die Abnahme der Härte durch Anlassen festzustellenIn abgeschrecktem Zustande besteht das Gefüge aus Martensit, der durch das Anlassen bei wachsender Erhitzung allmählich in Troostit und Sorbit und schließlich in Perlit übergeht., wurde dasselbe Stück Tiegelstahl No. 13 mit 0,86 v. H. C auf 850° erhitzt, in kaltem Wasser abgeschreckt, dann stufenweise auf die in Tab. 12 angegebenen Wärmegrade erhitzt und nur langsam abgekühlt. Bis zur Erwärmung auf 450° zeigt sich nur langsame und allmähliche Abnahme der Härte, bei Erwärmung auf 500° aber ein jäher Härteabfall. Ein zweites abgeschrecktes Stück des gleichen Materials wurde ohne Zwischenstufen bis auf 500° erhitzt und ergab die Härtezahl 9170. Die Ergebnisse sind schaubildlich in Fig. 3 zusammengestellt. Textabbildung Bd. 322, S. 172 Fig. 2.Kohlenstoff in v. H. Martensit; Troostit; Sorbit; Cementit; Austenit. Textabbildung Bd. 322, S. 172 Fig. 3.Wärmestufe. Tabelle 12. Anlaßwärmestufe Härtezahl Nicht angelassen 110559 100° 107890 150° 105515 200° 102925 250° 100680 300°   97054 350°   93788 400°   81940 450°   64170 500°     9205 550°     1897 600°     1926 650°     1961 700°     1930 750°     1974 800°     2118 Zum Schluß sei darauf hingewiesen, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß Si-, Mn-, P- und S-Gehalt einen wesentlichen Einfluß auf die Härte der Gefügebestandteile des Eisens ausüben. Wie groß dieser Einfluß ist, wurde bei den Versuchen von Boynton nicht festgestellt. E. Preuß.