Titel: Versuche über hydraulische Stoßverluste.
Autor: Herbert Baer
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 178
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Versuche über hydraulische Stoßverluste. Von Dipl.-Ing. Herbert Baer, Nürnberg. Versuche über hydraulische Stoßverluste. Der Zweck vorliegender Versuche ist die experimentelle Untersuchung, inwieweit der Energieverlust durch Stoß in einem Rohr mit plötzlicher Querschnittserweiterung durch die Formel (w0w1)22g rechnerisch wiedergegeben wird. Dabei bedeutet w0 die Geschwindigkeit im engeren, w1 die im weiteren Teile des Rohrs. Dieser Wert des Verlustes ergibt sich aus der Hypothese, daß der Energieverlust beim Geschwindigkeitswechsel von w0 auf w1 ebenso groß sei, wie der beim Stoß starrer Körper aufeinander, welcher durch M2(w0w1)2 bestimmt wird, wobei w0 die Geschwindigkeit vor, w1 die nach dem Stoße ist. Diese Annahme ist (cf. Föppl. Vorlesungen über technische Mechanik, Bd. 4, S. 474) identisch mit der, daß an der Stelle der plötzlichen Querschnittserweiterung AA (siehe Fig. 1 und 2) in dem ringförmigen Querschnitte gleichmäßig der Druck p0 herrsche.
[Textabbildung Bd. 322, S. 177]
Fig. 1 u. 2.Schema der Versuchsanordnung.
Die Versuche wurden im Maschinenlaboratorium der Kgl. Techn. Hochschule, München, durchgeführt. Die Versuchseinrichtung ist in Fig. 2 angedeutet. In Verwendung kamen Gefäße aus Blech, welche die Rohre mit den plötzlichen Querschnittserweiterungen darstellten. In den Gefäßwandungen befanden sich mehrere Bohrungen, die durch Gummischläuche mit einem Steigrohr verbunden waren. Verwendet waren drei Gefäße. Das untere engere Rohrstück hatte bei allen den inneren Durchmesser D0 von 50 mm, also den Querschnitt F0 = 1936 qmm. In seiner Wandung befanden sich zwei Bohrungen, die eine 10 mm, die andere 100 mm unter der Stelle der plötzlichen Erweiterung, sie waren, um sich nicht gegenseitig zu beeinflussen, in der Vertikalen gegeneinander versetzt. Die Durchmesser D1 des weiteren Teils waren
bei Gefäß 1: D1 = 170 mm, 2: D1 =    122,5 3: D1 =      86,5
die Querschnittsverhältnisse des weiteren und engeren Teiles demnach
bei Gefäß 1: F1F0 = 11,5 bei Gefäß 2: F1F0 =   6,0 bei Gefäß 3: F1F0 =    3,0.
In dem ringförmigen Boden (Fig. 2) befanden sich ebenfalls Bohrungen, welche mit dem Steigrohr in Verbindung gesetzt werden konnten, und zwar
bei Gefäß 1: 35 45 55 65 75 mm vom Mittelpunkt entfernt, 2: 31 37 42 48 54 3: 30 35 40
Die Bohrungen waren spiralförmig angeordnet. In der Wandung des oberen erweiterten Teils waren dann noch neun Bohrungen in der Vertikalen versetzt, in folgenden Entfernungen von Boden AA angebracht.
10 20 35 50 65 85 105 125 155 mm.
Von diesen einzelnen Löchern gingen Gummischläuche zu dem Steigrohr, welche sämtlich durch Schlauchkammern abgesperrt werden konnten, so daß man nach der Reihe an jeder Stelle den Druck ablesen konnte. Sämtliche Gefäße waren mit senkrechter Achse aufgestellt, einerseits weil damit die sonst unvermeidlichen Ungleichheiten von Druck und Geschwindigkeit in einem Querschnitt vermieden wurden, und andererseits, weil diese Aufstellung noch eine Vereinfachung in der Bestimmung der Verlustgrößen zur Folge hat. Die Rohre selbst waren nicht länger als notwendig, um die Verluste durch direkte Reibung an den Wandungen möglichst herabzusetzen. Diese Reibungsverluste sind bei den angewendeten verhältnismäßig kleinen Geschwindigkeiten und kurzen Rohren so klein, daß sie außerhalb der Meßgrenze liegen. Mit jedem Gefäß wurden fünf Versuchsreihen durchgeführt und zwar bei angenähert denselben Geschwindigkeiten, nämlich bei
w 0 = 0,32 m/Sek. = 1,10 = 1,70 = 2,20 = 2,85
Die Berechnung der Verluste geschah auf folgende Weise: Das Arbeitsvermögen an der Stelle 0 (Fig. 1) ist gegeben durch A0=H0+p0+w022g, wobei H0 die Höhe über einem bestimmten Niveau, p0 der Druck um w0 die Geschwindigkeit ist. An der Stelle 1 ist analog A1=H1+p1+w122g. Die Aufstellung mit senkrechter Achse gewährt nun insofern eine Vereinfachung, als H und p zusammengefaßt werden können, denn wenn man um ein bestimmtes Maß in die Höhe geht, nimmt der Druck auch um dieselbe Größe ab, so daß man immer gleich die Größe H + p ablesen kann. Die Veränderungen des Wasserspiegels im Steigrohr sind dann nur durch die Aenderungen der Geschwindigkeitshöhe w22g bedingt.
[Textabbildung Bd. 322, S. 178]
Fig. 3.
Tritt nun kein Verlust auf, so muß A1 = A0 sein; bezeichnet man die hieraus berechnete Summe H1 + p1 mit (H1 + p1)', so ist (H1+p1)=H0+p0+w022gw122g. Anstelle dieser theoretischen Größe findet man nun durch direkte Ablesung am Steigrohre eine Größe (H1 + p1)'', so daß sich das wirkliche Arbeitsvermögen zu A1=(H1+p1)+w122g ergibt. Die Größen w0 und w1 sind hierbei natürlich nur als mittlere Werte der Geschwindigkeit im betreffenden Querschnitte F bekannt und aus w=qsecF auszurechnen. Der Energieverlust ist dann gegeben durch V=A1A1=(H1+p1)(H1+p1)=(H0+p0w02w122g(H1+p1)) Als Bezugsniveau wurde bei allen Messungen die Ebene der plötzlichen Querschnittserweiterung AA zugrunde gelegt.
[Textabbildung Bd. 322, S. 178]
Fig. 4a.
Die Versuche erfolgten nun in der Weise, daß nach Einstellung der Geschwindigkeit des von unten in den engeren Teil eintretenden Wassers, was durch die Hahnstellung in der Zuleitung und Wassermessung kontrolliert wurde, die Ablesungen nacheinander an sämtlichen Bohrungen vorgenommen wurden; um genaue Werte zu erhalten, erfolgten die Ablesungen durchschnittlich zehnmal. Sie geschahen an einer am Steigrohr angebrachten Skala. Der Bezugspunkt der Skala wurde in der Weise festgelegt, daß das Gefäß gerade zum Ueberlaufen mit ruhendem Wasser gefüllt und die zugehörige Ablesung notiert wurde. Die Höhe über die Erweiterung AA wurde dann durch Messung der Entfernung des Spiegels von AA bestimmt.
[Textabbildung Bd. 322, S. 179]
Fig. 4b.
Die Versuchsergebnisse sind in den Diagrammen Fig. 3 und 4 dargestellt. In dem Diagramm I (Fig. 3) sind die Energieverluste V als Ordinaten zu den Querschnittsverhältnissen F1F0 als Abszissen für konstante Geschwindigkeit im Diagramm II zu den Geschwindigkeiten als Abszissen für konstante Querschnitts Verhältnisse aufgetragen. In beiden Diagrammen sind noch die Größen w02w122g und (w02w1)22g als Kurven eingezeichnet. Dabei stellt w02w122g den Verlust dar, wie er sich ergibt, wenn gar keine Umsetzung von Geschwindigkeit in Druck erfolgt, somit aller Geschwindigkeitsüberschuß in Wirbelreibung und damit in Wärme verwandelt wird; (w1w0)22g gibt den Verlust unter Annahme desselben Gesetzes wie für starre Körper. Beide Werte müssen demnach die Grenzwerte für den Verlust sein. Die Kurve der gemessenen Verluste liegt auch durchwegs zwischen beiden Grenzkurven.
[Textabbildung Bd. 322, S. 179]
Fig. 4c.
Aus den Versuchsergebnissen folgt nun, daß sich die Verluste um so mehr dem obern Werte w02w122g nähern, d.h. daß um so mehr von Geschwindigkeit in Reibung verzehrt wird, je größer die plötzliche Erweiterung und je kleiner die Geschwindigkeiten sind. Je größer dagegen die Geschwindigkeit und je kleiner die Querschnittserweiterung ist, um so mehr nähert sich der Verlust dem Werte (w0w1)22g. Letztere Formel gilt somit nur für Geschwindigkeiten w0 > 3 m/Sek. und Querschnittserweiterungen F1F0<3 annähernd genau. Zum Schlusse erübrigt mir noch, den Herrn Professoren Dr. Camerer und Dr. Schröter für die Ermöglichung der Durchführung der Versuche und die dabei erfolgte liebenswürdige Unterstützung meinen ergebensten Dank auszusprechen.