Titel: Neue Glasbearbeitungsmaschine und Werkzeuge.
Autor: Rud. Stübling
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 198
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Neue Glasbearbeitungsmaschine und Werkzeuge. Von Rud. Stübling. Neue Glasbearbeitungsmaschine und Werkzeuge. Die Glasbearbeitung spielt auf den verschiedensten Gebieten eine hervorragende Rolle und so ist man denn fortgesetzt bestrebt, Einrichtungen und Werkzeuge zu schaffen, mit denen man diesem äußerst harten und spröden Material immer besser beizukommen vermag. Glastafeln, Glasröhren und Glasstäbe genau so zerlegen zu können, wie man ein Brett zerlegt, d.h. mit eben solcher Leichtigkeit durchschneiden zu können, dieses ist nicht allein das Ideal der Groß-Optik, sondern auch der Firmenschilder-Industrie u.s.w. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Glas für zahlreiche Zwecke Bedeutung gewinnt, für die es bisher keine hatte, sobald seine Bearbeitung im Wege des Zerschneidens eine bedeutend leichtere wird wie bisher. Man muß geradlinige Schnitte und Curven ebenso leicht in Glasplatten schneiden können, wie man es mittelst Bandsäge in Holzplatten vermag, dann werden sich weitere Verwendungsarten des Glases ganz von selbst ergeben. In neuerer Zeit scheint auch hier der richtige Weg gefunden zu sein. Ich hatte Gelegenheit auf einer Studienreise in Frankreich eine neue Maschine zu sehen, welche sich das betreffende Institut selbst erbaut hatte und die bereits recht gute Ergebnisse lieferte. Fig. 1 stellt die Einrichtung zum Zerschneiden des Glases dar. Textabbildung Bd. 322, S. 199 Sie besteht im wesentlichen aus zwei Trommeln 1 u. 2. Diese beiden Trommeln können außerhalb des eigentlichen Arbeitsraumes montiert sein, so etwa die obere Trommel 2 auf dem Dachboden und die untere Trommel 1 im Keller. Sie können aber auch außerhalb des Gebäudes in einem Schuppen beieinander montiert sein. Dieses muß sich ganz nach den örtlichen Verhältnissen und jeweilig zur Verfügung stehenden Räumen richten. Die Trommeln werden wechselseitig angetrieben und zwar von einer Lattentrommel aus (in der Abbildung nicht dargestellt) auf die Riemscheiben 7 u. 8. In der gegebenen Verbildlichung wäre die untere Trommel 1 die angetriebene. Sie rotiert in Richtung des auf die Riemscheibe 7 aufgezeichneten Pfeiles und bewegt sich gleichzeitig nach rechts, d.h. in Richtung des Pfeiles 20. Diese Bewegung wird durch die Gewindespindel 19 und die in der Trommel vorgesehenen Gewinde-Muttern 41 u. 42 veranlaßt. Ihre Arbeitsleistung besteht darin, den Stahldraht 9 aufzuwickeln, d.h. von der oberen Rolle 2 abzuwickeln. Jede Trommel hat etwa 50 cm Durchmesser und von Rand zu Rand eine Länge von 150 cm. Die ganze Drahtlänge beträgt etwa 7500 m. Der Draht ist in der Anfangsstellung achtfach auf die obere Trommel 1 aufgewickelt. Hat nun die untere Trommel 1 nach rechts ihre äußerste Stellung erreicht, so ist die obere Trommel 2 links in der äußersten Stellung angelangt. Sie haben beide ihre Stellung gewechselt, und es ist eine Lage Draht von der einen Trommel auf die andere übergegangen. In diesem Augenblick werden durch einen Auslösestift (diese Mechanismen sind nicht dargestellt) die Muttern 41 u. 42 der unteren Trommel 1, ebenso die Muttern 37 u. 38 der oberen Trommel 2 zum Aufklappen gebracht, und gleichzeitig kommen sie mit den Gewindespindeln 17 u. 19 außer Eingriff, so daß die seitliche Bewegung nach beiden Seiten unterbrochen wird. Im selbigen Augenblick heben sich die Segmentschienen und übernehmen die Bewegung der Trommeln in entgegengesetzter Richtung, bis wieder eine Drahtlage abgewickelt ist. Nun beginnt das Spiel von neuem und die Muttern klappen zu, die Bewegung wieder übernehmend, während die Segmentschienen sich einige Millimeter senken. Es ist nur unter die untere Trommel 1 die Segmentschiene 43 eingezeichnet. Die Schiene weist Gewindegang auf und die Trommelränder 4 u. 5 ebenfalls und dieser Gewindegang vermittelt die eine wagerechte Bewegung. Eine Trommel, resp. eine Einrichtung mit zwei Trommeln in der Grösse von 50 cm Durchmesser und 155 cm Länge mit achtfacher Bewicklung läuft in einer Richtung rund 3 Stunden. Dann ist der Draht vollständig auf der unteren Rolle und die ganze Maschine wird in diesem Augenblick selbsttätig umgesteuert, nachdem sie eine Minute oder zwei Minuten vorher, ebenfalls selbsttätig durch ein Glockenzeichen den Zeitpunkt der Umsteuerung gemeldet hat. Der Draht muß mit einer Geschwindigkeit von mindestens 400 m i. d. Minute von einer Trommel zur anderen laufen. Diesen wandernden Draht kann man nun über entsprechende Leitrollen überall entlang führen, bevor er zur zweiten Trommel gelangt und so die Arbeitsplätze unabhängig von den Trommeln einrichten. Zwischen der oberen und unteren Trommel in der Mitte der Abbildung ist der Draht 9 auf dem Arbeitsplatz installiert dargestellt. Er tritt von oben in die Führung 25 ein, durchläuft diese und den darunter befindlichen Arbeitstisch 28, passiert darauf das Abstreichband 32, welches sich in wagerechter Richtung über die Rollen 30 u. 31 bewegt und tritt von da in die Führung 43 ein. Aus dieser heraus wird der Draht dann über eine Rolle hochgeführt, tritt in die Führung 44, läuft an dem Abstreichband 32 entlang, von unten durch den Arbeitstisch 28 in die obere Führung 25a und tritt hier als Draht 11 heraus um über eine andere Rolle wieder abwärts ev. durch einen zweiten Arbeitsplatz geleitet zu werden u.s.w. Die Drähte 12, 13 ergeben einen zweiten Arbeitsplatz und in dieser angedeuteten Weise kann man zwischen zwei Trommeln beliebig viele Arbeiter beschäftigen. Die Transportspindeln 17 u. 19 sind in kräftigen Verlängerungen 14, 45 u. 23 u. 21 angeordnet, welche ihrerseits in den Köpfen 15, 16, 22, 24 des Maschinengestelles gefaßt sind. Durch die Verlängerungen 14, 15, 23, 21 hindurch sind die Führungen 47 u. 46 der Gewinde-Segmentschienen 43 geführt, gelangen von hier zur Steuerungs-Mechanik. Bei jedem Arbeitsstande wird der abwärtslaufende Draht als Säge benutzt. Bei dem Eintritt in die Führung 25 erthält der abwärts laufende Draht aus einem nicht dargestellten Tropfglas Oel und direkt unter dieser Führung bei seinem Austritt aus dem Röhrchen eines höherstehenden Gefäßes, welches mit einem Schüttelwerk verbunden ist, Corubin. Jetzt ist der Draht schnittfähig und bearbeitet das auf dem Arbeitstische aufliegende Glas, wie eine Bandsäge Holz bearbeitet. Hat der Draht das Glas und die Arbeitstischplatte passiert, so wird durch das sich horizontal dicht an dem Draht entlang bewegende Abstreichband 32 das Corubin-Oelgemisch, welches einzig und allein den Draht schnittfähig gemacht hat, vollkommen entfernt und der Draht tritt sauber und rein in die untere Führung 43 und geht von hier über eine Rolle aufwärts zu der Führung 44 u.s.w., bis er aus der Führung 25a heraus wieder oben auf einer Rolle angekommen, weiter und schließlich wieder abwärts geleitet wird. Ist das Glockenzeichen ertönt, welches ankündigt, daß die ganze Maschine umsteuert, so wird das Oel auf der Führung 25 abgestellt, ebenso das Corubin unter derselben, und nun beginnt der sich vorher in Abwärtsbewegung befindliche Draht 9 den umgekehrten Weg, und der mit 11 bezeichnete Draht, der vorher aufwärts lief, läuft nun abwärts. Oel und Corubin wird jetzt bei der Führung 25a angestellt und die Arbeit bei dem nun abwärts laufenden Draht fortgesetzt. Das Band 32 wird durch die Abstreicher 33 u. 34 ständig gesäubert und das Oel-Corubin-Gemisch abgeleitet und gesammelt, um es nachher auf Scheiben für Schleifund schließlich für Polierzwecke zu verwenden. Dieses Band 32 erhält einen Schnurantrieb über den Wörtel 48. Trotzdem der Draht im sauberen Zustande die Führungen passiert, laufen sich letztere öfters aus, und es sind deshalb leicht auswechselbare Führungsbuchsen vorgesehen, wie aus Fig. 2 hervorgeht, welche den Arbeitstisch 28 mit dem Führungsständer 27 in der Draufsicht zeigt. Die Anwendung des Arbeitsbandes 32 ist in Punktierung unter dem Arbeitstische 28 sichtbar in Fig. 2 und das an den Drähten entlang streichende Band-Trum mit 32a bezeichnet. Diese geschilderte Anlage ist durchaus nicht so kompliziert, wie es der Beschreibung nach den Anschein hat; da sie sehr leistungsfähig ist, so sollte sie weitgehendste Beachtung in der Technik finden. Daß man auch bestrebt gewesen ist, in einem solchen Betriebe die Scheiben für die Bearbeitung des Glases zu verbessern, kann nicht wundernehmen. In Fig. 3 ist eine solche Scheibe, die allgemeines Interesse erregen dürfte, dargestellt. Sie besteht aus einem Gußeisen-Rumpf f, welcher mit 12 Armen besetzt ist. Jeder Arm ist mit einer zylindrischen Erweiterung e versehen. Zwischen diese Arme sind entsprechend geformte Holzteile a eingesetzt. Fig. 4 zeigt einen gegenüber der Scheibe Fig. 3 vergrößerten Holzeinsatz a von der Breitseite und Fig. 5 von der Stirnseite. Diese Pappelholzeinsätze sind leicht auswechselbar und können die verschiedensten Profile usw. in einem Rumpf nach einander benutzt werden. Man benutzt auch Einsätze, welche in der Mitte einen schwalbenschwanzförmigen Einschnitt b haben, in welchen ein entsprechend geformtes Kupferstück eingesetzt ist. Die beiden Pfeile unten links bei Fig. 3 markieren die Ausdehnung eines Einsatzes. Wie weit sich diese Scheiben bewähren und für welche besonderen Zwecke sie speziell vorteilhaft sind, ist mir nicht bekannt. Die Praxis wird dieses aber bald heraus finden. Die Deckscheibe c schützt die Einsätze gegen seitliches Verschieben. Sie wird durch eine Vorlegescheibe geschützt. In Fig. 6 u. 7 ist eine Scheibe schematisch dargestellt, welche ganz besonderes Interesse verdient. Zwischen den äußeren Vorlegescheiben A, A und den schwachen äußeren Holzscheiben B, B (Fig. 7) wechseln schwache Kupferblechscheiben und schwache Pappelholz-Fournierscheiben miteinander ab. Die Kupferblech- und Pappelholz-Fournierscheiben sind unter großen Druck zusammengepreßt und zwischen die einzelnen Lagen Corubin von entsprechender Körnung gegeben. Dieses ist also infolge der starken Pressung sowohl in das Kupferblech, als auch das Pappelholzfournier eingedrungen, und so eine Scheibe geschaffen, welche alle Vorteile des Steines, der Kupferscheiben und der Holzscheibe in sich vereinigt und für viele Zwecke sehr gute Dienste leisten soll. Jedenfalls empfiehlt es sich, versuchsweise eine solche Scheibe herzustellen. Die beiden geschilderten Scheiben-Systeme können auch in anderer Anordnung als Seitenscheiben ausgebildet werden, wenn sie sich dauernd gut bewähren sollten. Daß man anstelle des Corubin auch Schleifsand benutzen kann, erscheint mir nicht ausgeschlossen. Da aber das Corubin eine ganz außerordentlich hohe Schleifkraft besitzt, welche die des Sandes um ein Vielfaches übersteigt und hierdurch die Arbeit selbst ganz bedeutend gefördert wird, so soll man sich am Preisunterschied zwischen diesen beiden Schleifmitteln nicht stoßen. Er ist sehr groß. Jedoch Zeit ist Geld und es bedarf des besseren Schleifmittels dann auch in bedeutend geringeren Mengen. Ich führe dieses gerade darum aus, weil der Preis-Unterschied zwischen Schleifersand und Corubin sonst von vornherein so abschrecken könnte, daß man überhaupt den Versuch unterläßt. Handelt es sich um Erzeugung sauberer geradliniger Schnitte durch Glas, so benutzt man mit Erfolg eine Scheibe aus Gußeisen von möglichst großem Durchmesser und setzt auf oder an diese einen Kupferflansch. Dieser wird wie eine Kreissäge benutzt. Er muß also höher sein wie das zu durchschneidende Glas und so schnell rotieren, daß er mindestens 500 Umfangsgeschwindigkeit hat i. d. Minute. Die obere Kante des Arbeitstisches muß in Höhe der oberen Kante der Gußeisenscheibe liegen. Der Kupferflansch wird ständig mit Corubin und Oel bestrichen und können so die stärksten Glasplatten leicht und sauber wie Holz zerschnitten werden. Um genaue Gewinde auf Glasstäbe zu schneiden, setzt man einen weichen Stahlring mit dem Profil des Gewindezahnes auf die beregte Gußeisenscheibe und läßt die Stäbe mit Hilfe eines Patronen-Hohlspindelkastens an der Peripherie des Profil-Gewindezahnringes entlang transportieren, unter Anwendung von einem Corubin-Oel-Gemisch.