Titel: Kupplungen für Kraftfahrzeuge.
Autor: R. Lutz
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 68
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Kupplungen für Kraftfahrzeuge. Von Prof. R. Lutz. (Schluß von S. 54 d. Bd.) Kupplungen für Kraftfahrzeuge. Verfolgt man das in Fig. 27 angewendete Mittel zur Verminderung des Achsialdruckes weiter, so ergeben sich die jetzt in sehr beträchtlichem Umfange angewendeten Lamellenkupplungen. Ihr Prinzip ist leicht verständlich. Nehmen wir einmal an, in Fig. 28 stelle a einen mit dem antreibenden Schwungrade verbundenen Zylinder dar, b dagegen die vierkantige, anzutreibende Welle des Wechselgetriebes. Liegt in a eine metallene Scheibe von der inneren, kreisförmigen Kontur d und vor der äußeren, gleichfalls kreisförmigen, jedoch mit Einschnitten versehenen Kontur c, so wird diese Scheibe von a mitgenommen werden, auf b jedoch leer gehen. Deckt man nun auf diese erste Scheibe eine zweite (e), deren Innenausschnitt auf die Vierkantwelle b paßt, deren Durchmesser jedoch geringer als die lichte. Weite zwischen zwei entgegengesetzten Innennasen von a ist, und preßt beide Scheiben achsial zusammen, so wird bei genügender Reibung b durch a mitgenommen werden können. Voraussetzung für befriedigendes Arbeiten einer solchen Kupplung ist, daß beide Scheiben aus verschiedenem Material bestehen (gewöhnlich Stahl und Messing), und daß ihre Schleifflächen in einem Oelbad laufen, wozu sich eine Mischung von gewöhnlichem Lageröl und Petroleum empfiehlt. Die gelegentliche Entfernung von Oelrückständen durch Einspritzen von Benzin oder Petroleum ist nötig. – Zur Vergrößerung der Reibung kann man in die Platten auch keilförmige Rillen einpressen. Textabbildung Bd. 323, S. 68 Fig. 28. Legt man mehrere Paare der in Fig. 28 dargestellten Platten achsial verschiebbar aufeinander und preßt sie zusammen, so entsteht die eigentliche Lamellenkupplung, welche mannigfache Vorzüge aufweist. Ihre nach Ausschaltung am Wechselgetriebe hängenden Schwungmassen sind gering und stören daher das Umschalten und Bremsen wenig. Der erforderliche Anpressungsdruck ist umgekehrt proportional der Anzahl der Reibungsflächen. Man kann daher bei Verwendung vieler Plattenpaare erhebliche Drehmomente übertragen, also auch die stärksten Wagen bequem antreiben. Dazu kommt die Anpassungsfähigkeit der Kupplung an verschiedene Motorgrößen, da man ja dasselbe Kupplungsmodell nur durch Veränderung der Plattenzahl für weite Grenzen der Maschinenleistung verwenden kann. Vor allem ist das sanfte Anfahren der Kupplung auch bei den schwersten Fahrzeugen erwähnenswert, eine Eigenschaft, welche in erster Linie die Ausbreitung der Lamellenkupplungen bewirkt hat. Hervorgerufen wird dieses allmähliche Anziehen dadurch, daß beim Anpressen der Platten erst das Oel nach und nach aus den Reibflächen verdrängt, dadurch die Reibung vergrößert wird, die Platten also nacheinander zur Anlage kommen und so ein sich stetig vergrößerndes Drehmoment übertragen. Man kann das Kupplungspedal mit voller Kraft einfallen lassen und doch ein weiches Anziehen erreichen, man kann sogar die Kupplung im vollen Betriebe des Wagens spielen lassen und so regelnd auf die Fahrgeschwindigkeit wirken. Textabbildung Bd. 323, S. 68 Fig. 29. Eine für einen 40 PS-Wagen bestimmte Lamellenkupplung von Hüttis (Zürich) stellt Fig. 29 dar. – Das Kupplungsgehäuse wird mittels der Schrauben a mit dem Schwungrade verbunden. Gleichzeitig fassen diese Schrauben in entsprechende Ausschnitte der großen Platten und treiben diese an. Das achsial auf einem Wellenvierkant verschiebbare Stück b drückt unter dem Einfluß der zentralen Spiralfeder die Lamellen zusammen. Die Federdrucke sind ausgeglichen, der rechte wird durch ein Kugellager aufgenommen. Die Mutter c dient zur Nachstellung und wird durch die Feder d gesichert. Bei der Abkupplung, welche mittels des Flansches e erfolgt, überträgt sich der frei werdende Federdruck auf die Maschinenwelle. Das übertragbare Drehmoment einer Lamellenkupplung würde aus der Gleichung M=Q\,\cdot\,\mu\,\cdot\,\frac{1}{2}\,(R+r)\,\cdot\,i folgen, wenn Q der Anpressungsdruck, μ der Reibungskoeffizient, R der äußerer der innere Plattenhalbmesser, i die Anzahl der Anpressungsflächen ist. Textabbildung Bd. 323, S. 69 Fig. 30. Man kann also den Achsialdruck auch durch Wahl großer Lamellenhalbmesser herabziehen, wie das beispielsweise bei der Kupplung GladiatorVergl. „Revue Francaise de Construction Automobile“ 1905, S. 212. (Fig. 30) geschehen ist. Hier gleicht sich der beiderseitige Federdruck in der Zwischenwelle a aus. Federnachstellung und Abbau ist einfach. – Große Plattenhalbmesser haben den Nachteil, daß infolge der stärker auftretenden Zentrifugalkraft das Oel abgeschleudert wird, und Trockenlaufen eintritt. Textabbildung Bd. 323, S. 69 Fig. 31. Drei Anpressungsfedern mit nachstellbarer Kapsel verwendet die Süddeutsche Automobilfabrik (Gaggenau) (Fig. 31), welche im übrigen den Druckausgleich der Federn sich im Kupplungsgehäuse vollziehen läßt. Neben den großen Vorzügen von Lamellenkupplungen tritt nun auch der Uebelstand auf, daß sich die Auskupplung nicht so sicher vollzieht, wie das die Sicherheit des Fahrbetriebes und die Rücksichtnahme auf leichtes Umschalten fordert. Die Platten haften aneinander, insbesondere wenn Oelrückstände das Kleben begünstigen. Demgegenüber hat man Streifen aus den Scheiben herausgeschnitten und sie so abgebogen, daß sie federnd die Lamellen voneinander abdrückten; man hat noch die Lamellen selbst gewölbt, um eine solche Abfederung zu erreichen. Auch durch Schraubenführung der Scheiben ist gleiches angestrebt worden. Textabbildung Bd. 323, S. 69 Fig. 32. Textabbildung Bd. 323, S. 69 Fig. 33. Durchgreifend sind die Adlerwerke bei ihrer Scheibenkupplung (Fig. 32) vorgegangen. Der Allgemeinaufbau und die Fußbetätigung dieser Kupplung entsprechen der schon in Fig. 21 verzeichneten Bauart. Die Scheiben a und b werden durch die Federn c gekuppelt, während der Hebel d die Lösung bewirkt. Zum Abpressen der Scheiben dienen besondere Federn e, welche sich nun nicht, wie sonst gegen die nächste Scheibe abstützen, sondern ihr Widerlager im Gehäuse finden und so mit mehr Sicherheit die Ablösung der betreffenden Platte bewirken. Dieses Prinzip läßt sich, wie die Nebenfigur zeigt, auch auf mehrere Platten anwenden, indem die Abpreßstempel für Scheibe f durch die Scheibe g hindurchgeführt werden. – Durch sichere, zylindrische Führung des Andrückringes h ist einem Kanten bezw. ungleichmäßigem Zusammenpressen der Lamellen vorgebeugt. Ganz zufriedenstellende Ergebnisse, soweit sicheres Lösen der Platten in Betracht kommt, scheinen die Adlerwerke aber auch durch die geschilderten Abpreßfedern noch nicht erreicht zu haben, denn sie bauen noch eine Kombination einer Scheiben- mit einer metallischen Kegelkupplung (Fig. 33), durch welche das allmähliche Anziehen der Scheibenkupplung mit dem sicheren, zwangläufigen Abhub der Kegelkupplung vereinigt werden soll. – Mit der Getriebewelle ist der Vollkegel a fest verbunden, während – im Gegensatz zu sonstigen Bauarten – der im Schwungrad sicher zylindrisch geführte Hohlkegel b durch eine Anzahl von nachstellbaren Spiralfedern (c) angedrückt wird. Drehungsübertragung, Ausrückung und Oelung geschieht wie bei Fig. 21; die Uebertragungshebel d lassen sich durch Stellschrauben e einregulieren. Bei dem Einrücken leitet die am Hohlkegel befindliche Schraubenfläche f die Bewegung sanft ein; erst später kommt auch die Kegelfläche voll zur Anlage. Der Vollkegel und damit die Getriebewelle sind durch die Scheibenfläche völlig gegen Achsialdrucke entlastet. Unter den Kupplungen für Kraftfahrzeuge wären noch Reibradgetriebe zu erwähnen, welche jedoch zugleich Wechsel- und Wendegetriebe darstellen und daher hier nicht berücksichtigt werden sollen. – Versuche hat man auch mit hydraulischen und elektrischen Kupplungen angestellt, beide Bauarten besitzen jedoch z. Z. keine nennenswerte Bedeutung.