Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 83
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 68 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Hebe- und Transportvorrichtungen für Schiffswerften. Bei dem Bau des Schiffskörpers, d.h. so lange das Schiff auf Stapel liegt, wird es sich in der Regel um den Transport von Stücken mäßigen Gewichts etwa bis 6 t handeln. Erst wenn das Schiff auf dem Wasser liegt, bei seinem Ausbau, werden zum Einbauen der schweren Maschinenteile, Kessel, Geschütze usw. Hebezeuge von größerer Tragkraft nötig. Bis vor kurzem hatte man sich bei Schiffsbauten an Land mit sehr primitiven Hebevorrichtungen begnügt. Man wandte namentlich in England mit Vorliebe Derrick-Krane auf den Hellingen an. Diese Krane bestehen aus einer festen Säule oder einem Dreibein und aus einem drehbaren und in senkrechter Ebene verstellbaren Ausleger. Sie sind ortsfest. Das Bestreben, die Bauperioden abzukürzen, – betrug doch die Zeit von der Kiellegung bis zum Stapellauf der Dreadnought nur 13 Monate – ferner größere Platten, deren Transport mit den bisherigen Hebezeugen Schwierigkeiten bereitete, zu verwenden, führte in wenigen Jahren, wenigstens auf größeren Werften, einen völligen Umschwung herbei. Wie es so oft geschehen ist und auch in Zukunft wohl noch recht oft geschehen wird, griff man anfangs zu Hebevorrichtungen, die sich in anderen Betrieben bell währt hatten, ehe man solche schuf, die den besonderen Betriebsbedingungen der Schiffswerften angepaßt waren. Zuerst führte man normale elektrische Werkstättenlaufkrane ein, z.B. auf dem Stettiner Vulkan. Fig. 17 zeigt die von der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg erbaute Hellinganlage dieser Werft von der Oder aus gesehen. Links sieht man das Schwimmdock und den großen Schwimmkran. In Fig. 19 ist eine der beiden Doppelhellinge im Querschnitt dargestellt. Jede Helling wird in ihrer Längsrichtung von zwei parallelen Kranbahnen überspannt, deren innere Fahrschienen an den Bindern der Helling aufgehängt sind. Textabbildung Bd. 323, S. 84 Fig. 17.Doppelhellinge der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinebau-Gesellschaft Nürnberg auf der Schiffswerft des „Vulkan“ in Stettin-Bredow. Auf den Kranbahnen fahren mehrere elektrische Laufkrane von 4 t Tragkraft, die von Adolf Bleichert & Co. in Leipzig gebaut worden sind (Fig. 20). Solche eisernen Hellinge können zu vollständig geschlossenen Werkstätten werden, wenn man sie verglast. Verglaste Hellinge findet man namentlich in Rußland, aber auch in England, z.B. bei Swan in Wallsend on Tyne, Textabbildung Bd. 323, S. 84 Fig. 18.Hellinganlage mit Laufdrehkranen von Stuckenholz auf der Germaniawerft in Kiel. und in Deutschland auf der Germaniaweft in Kiel (siehe Fig. 18). Gegen die geschlossenen Hellinge spricht hauptsächlich der große Lärm beim Nieten, der das Verständigen der Arbeiter mit den Kranführern außerordentlich erschwert. Textabbildung Bd. 323, S. 85 Fig. 19.Doppelhelling auf der Schiffswerft des „Vulkan“ in Stettin-Bredow. Textabbildung Bd. 323, S. 85 Fig. 20.Hellinglaufkran von Bleichert & Co. auf dem „Vulkan“ in Stettin-Bredow. Das Laufkransystem hat nun mancherlei Nachteile. Erstens bedingt es eine sehr kostspielige eiserne Helling; zweitens können die Arbeitsstücke wegen des beschränkten Hakenweges nicht an den Längsseiten der Helling, sondern müssen an den Stirnseiten aufgenommen werden, was zu manchen Unbequemlichkeiten in der Gleisanordnung führt. An den Hellingen des Stettiner Vulkans kragen deshalb die Fahrbahnen der Laufkrane an der Landseite weit aus. Dem letzteren Uebelstande kann man durch Verwendung von Ausleger-Laufdrehkranen, wie sie im vorigen Abschnitt beschrieben worden sind, abhelfen. Textabbildung Bd. 323, S. 86 Fig. 21.Hellinganlage mit Ausleger- und Konsolkran von Bechem & Keetmann auf der Werft des „Bremer Vulkan“ in Vegesack. Eine Hellinganlage mit Laufdrehkranen zeigt Fig. 18; sie ist für die Germaniawerft in Kiel von Ludwig Stuckenholz geliefert worden. Die Säulenfüße der Eisenkonstruktion sind portalartig ausgebildet und überbrücken Gleise an den Längsseiten der Hellinge. Wie auf der rechten Seite der Fig. 18 zu sehen, nimmt der Lasthaken des Kranes das auf jenen Gleisen zugeführte Material an den Längsseiten der Hellinge auf und bringt es an Ort und Stelle. Textabbildung Bd. 323, S. 87 Fig. 22.Auslegerkran der Brown Hoisting Co. auf der Werft von William Cramp and Sons in Philadelphia. Einen anderen Weg zur Abhilfe jenes Uebelstandes schlugen Bechem & Keetman in Duisburg ein, indem sie nach amerikanischem Muster fahrbare Bockkrane mit Ausleger nach beiden Seiten, in Amerika Cantileverkrane genannt, auf ein eisernes Gerüst zwischen zwei Hellingen setzen. Fig. 21 zeigt eine solche Hellinganlage auf der Werft des Bremer Vulkans in Vegesack. Auf den Auslegern laufen Katzen, deren Lasthaken das auf Gleisen zugeführte Material an jeder Stelle der Längsseiten aufnehmen können. Hier zeigte sich indes auch bald der Uebelstand, auf den schon im vorigen Abschnitt bei der Besprechung von Werkstätten-Laufkranen hingewiesen wurde, daß, wenn der eine Hellingkran längere Zeit, z.B. beim Vorhalten von zu vernietenden Platten an derselben Stelle bleiben muß, der andere Kran auch teilweise lahmgelegt ist. Man hat daher nachträglich noch die in der Figur sichtbaren elektrischen Konsolkrane eingebaut, die die Längsseiten der Helling bestreichen und den Auslegerkranen, wenn nötig, das Material zuführen. Die Konsolkrane sind schon auf Seite 67 beschrieben worden. Fig. 22 stellt eine Hellinganlage mit Auslegerkran auf der Werft der William Cramp and Sons Ship and Engine Building Co. in Philadelphia dar. Die Anlage ist von der Brown Hoisting Co. in Cleveland, Ohio erbaut. Der Auslegerkran läuft auf einem eisernen Gerüst zwischen zwei Hellingen, er Kran kann also zwei Hellinge bedienen. Der abgebildete Kran hat besonders große Abmessungen und wird von der Erbauerin „Schlachtschiffkran“ genannt. Links sieht man den Kiel des amerikanischen Schlachtschiffes „Maine“, rechts das im Bau begriffene russische Schlachtschiff „Retvizan“. Die gesamte Länge der Kranbahn beträgt 182 m; der nutzbare Weg der Katze auf dem Ausleger 58 m; Höhe von Flur bis Unterkante Ausleger 31 m. Mit der Höchstlast 1 600 kg kann man bis 18 m von Mitte Kran, mit 4000 kg bis an das Ende des Auslegers hinausfahren. Die minutlichen Geschwindigkeiten betragen: Textabbildung Bd. 323, S. 87 Fig. 23.Helling-Auslegerkran der Brown Hoisting Co. Heben v =   38 m beiv = 106 m  „v = 212 m  „ 13600 kg Last  4500  „    „    450  „    „ Katzefahren v = 122–244 je nach der Last, Kranfahren v = 122–212 je nach der Last und dem      Winddruck. Die Triebwerke für alle Kranbewegungen befinden sich in dem auf dem Bilde sichtbaren verschalten Windenhaus. Mit der Katze bewegt sich gegenläufig ein Gegengewicht auf einem Schienenpaar oberhalb ihrer eigenen Fahrbahn. Fig. 23 zeigt einen ähnlichen Kran auf einer Schiffswerft in Newport News, Virginia mit den amerikanischen Kriegsschiffen „Kearsarge“ und „Kentucky“ im Trockendock. (Fortsetzung folgt.)