Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 99
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 88 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Textabbildung Bd. 323, S. 99 Fig. 24.Turmdrehkrans der Benrather Maschinenfabrik auf der Werft der A.-G. Weser. Bei allen oben beschriebenen Hellinganlagen waren für die bedienenden Krane kostspielige eiserne Gerüste mit teuren Fundierungen erforderlich. Zudem brachte die Anordnung der Krane auf den Gerüsten, ihre Lage zu den im Bau begriffenen Schiffe mancherlei Mängel mit sich. Einesteils standen nicht genug Hebezeuge zur Bedienung eines großen Schiffes bereit; dies scheint mir trotz der sehr großen Arbeitsgeschwindigkeiten ein besonderer Mangel der bei den zuletzt beschriebenen amerikanischen Anlagen zu sein, wo ein Kran sogar zwei große Schiffe bedienen muß. Dann konnten sich die Krane selbst bei genügender Anzahl gegenseitig behindern, worauf ich oben schon hingewiesen habe. Fig. 24 zeigt nun eine Hellinganlage, bei der jene Nachteile beseitigt worden sind. Zwischen je zwei Hellingen laufen fahrbare Drehkrane mit geradem Ausleger, auf dem eine Laufkatze fährt. Ausleger und Drehsäule bestehen aus einem Stück. Auf einer Plattform des fahrbaren Gerüstes befindet sich das Spurlager für den drehbaren Teil, ebenso der Drehmotor mit dem Triebwerk. Das Kippmoment wird durch ein oberes Rollenhalslager aufgenommen. Die Hubwinde ist auf dem Gegengewichtsarm untergebracht. Das Führerhaus befindet sich an dem Ausleger dicht an der Drehsäule. Das fahrbare Gerüst des Kranes überspannt portalartig zwei Eisenbahngleise, auf denen das Material herangeschafft wird. Die Stromzuführung ist unterirdisch. Textabbildung Bd. 323, S. 100 Fig. 25.Helling-Kabelbahn von Henderson & Co. auf der Werft von Palmers in Jarrow on Tyne. Die ausführenden Firmen nennen diese Krane Turmdrehkrane. Die Vorteile solcher Krananlage gegen die früher beschriebenen sind offensichtlich. Erstens fallen die kostspieligen eisernen Gerüste für die Kranbahnen fort. Dann kann jeder Kran, der zwischen zwei Hellingen steht, sowohl die eine wie die andere bedienen. Nach Fig. 24 stehen für jedes Schiff stets mindestens zwei Krane zur Verfügung; denn wird ein Kran auf der einen Seite des Schiffes für längere Zeit festgehalten, so kann doch ein Kran auf der anderen Seite die volle Schiffslänge ungehindert bestreichen. Obige Figur stellt eine Hellinganlage auf der Werft der A.-G. Weser dar. Die Krane sind von der Benrather Maschinenfabrik gebaut worden. Ihre Tragkraft beläuft sich auf      2750 kg bei 20 m Ausladung bis 6000 kg bei 10 m Ausladung. Auch in Fig. 21 (S. 86) bemerkt man einen Turmdrehkran. Bei diesem von Bechem & Keetman erbauten Kran ist im Gegensatz zu den Turmdrehkranen der Benrather Maschinenfabrik ein stabiles System gewählt worden, indem der Ausleger mittels einer Haube auf einem Spurzapfen an der Spitze des festen Gerüstes ruht. Auf einigen englischen und auch amerikanischen Schiffswerften sind nun in neuerer Zeit als Hebe- und Transportvorrichtung zum Bedienen der Hellinge fahrbare Kabelbahnen eingeführt worden. Textabbildung Bd. 323, S. 100 Fig. 26.Vorderansicht der Helling-Kabelbahn. Die Fig. 2527 zeigen eine solche Anlage auf der Werft von Palmers in Jarrow on Tyne.Engineering. 1906. Ueber die Helling sind drei Drahtseile gespannt, die als Tragseile für je eine Laufkatze dienen. Jedes dieser Seile ist für sich mit seinen Enden an Querwagen befestigt, die sich mittels horizontaler und vertikaler Rollen an den oberen Querbalken der schweren Endportale entlang bewegen können. Das Kabel kann also eine Bewegung parallel mit sich ausführen. Die in Gelenken ruhenden Endportale dienen gleichzeitig zum Spannen der Tragseile; sie sind deshalb vornüber geneigt. Solche Kabelbahnen sind übrigens schon früher beim Bau von Brücken verwandt worden; die seitliche Bewegung des Seiles wurde dabei durch pendelnde Stützen bewirkt. Textabbildung Bd. 323, S. 101 Fig. 27.Wasserseitiges Endportal und Laufkatzen der Helling-Kabelbahn. Auf der Laufkatze befinden sich die Triebwerke für Heben und Katzefahren; beide Bewegungen werden von einem Motor abgeleitet. Die Katze läuft auf drei Rädern; diese sind jedoch nicht Treibräder, sondern die Fahrbewegung wird durch ein endloses Zugseil bewirkt, da das Adhäsionsgewicht der Katze zu ihrer Fortbewegung nicht genügt und an den Enden infolge des Seildurchhanges, der in der Mitte bei 140 m Kabellänge 5 m beträgt, Steigungen zu überwinden sind. – Auf jedem der Querwagen befindet sich ein Motor nebst Triebwerk zum Querfahren des Seiles. Alle drei Bewegungen werden von der Laufkatze aus, wo der Führer seinen Stand hat, eingeleitet. Längs jedem Kabel sind eine Anzahl blanker Leitungsdrähte gespannt, von denen der Strom in bekannter Weise zu den Steuerapparaten geführt wird. Die Arbeitsgeschwindigkeiten sind verhältnismäßig hohe, nämlich Heben v =   50 m/Min, bei 3 t Nutzlast, Katzefahren v = 200 m/Min. Das Tragseil hat einen Durchm. von 200 mm und kostet 1900 M.; das Zugseil ist 38 mm stark. Die Bruchlast des Tragseiles beträgt 175 t; es ist fünffache Sicherheit vorhanden. Die gesamte Eisenkonstruktion wiegt 278 t. Die Breite der Helling beträgt 30 m. Bei einer an deren im Bau begriffenen Anlage erhalten je zwei Hellinge gemeinsame Endportale mit zusammen vier Kabeln. Jedem Schiff stehen dann nötigenfalls vier Hebevorrichtungan zur Verfügung. Auf der Versammlung der Inst, of Naval Architects im Jahre 1906 fanden diese Kabelbahnen eine eingehende Besprechung. Man gab dort die Lebensdauer eines Tragseiles mit sechs Jahren an. Einige Redner befürchteten ein starkes Schwingen des Seiles sowohl in wagerechter wie in senkrechter Richtung. Dem wurde entgegnet, daß selbst während des Transportes breiter Platten bei starkem Winde seitliche Schwingungen nicht bemerkt worden seien. Die senkrechten Schwingungen seien sogar erwünscht, da eine gewisse Elastizität vorteilhaft sei, um Platten ohne Nachhilfe des Motors genau in ihre Stellungen zu bringen. Auf einer Werft in San Francisko habe man sogar deshalb anstatt der Drahtseile Hanfseile gewählt, die 25 bis 50 mm nachgaben. Auch das anfänglich befürchtete Schiefstellen eines so langen Kabels infolge ungleicher Geschwindigkeiten der Querwagen sei nicht eingetreten; die letzteren fahren gleichmäßig auch bei einseitiger Stellung der Laufkatzen. Die Vorteile solcher Kabelbahnen gegenüber Kranen sind recht bedeutend. Der größte besteht wohl darin, daß zum Horizontaltransport das tote mitzuschleppende Gewicht verhältnismäßig gering ist, was natürlich eine beträchtliche Stromersparnis zur Folge hat. Ferner können die Hellinge dicht zusammengelegt werden; das fällt besonders gegenüber Turmdrehkranen, für die ein breiter Streifen zwischen je zwei Hellingen (s. Fig. 24) frei bleiben muß, ins Gewicht. Der englische Schiffbauingenieur Twaddell gab auf der oben erwähnten Versammlung an, daß man auf vier Hellinge mit Turmdrehkranen ganz gut sechs Hellinge mit Kabelbahnen rechnen könne. Den Wert gut angeordneter, schnellarbeitender Hebe- und Transportvorrichtungen auf Schiffswerften erläuterte dieser Redner dadurch, daß er erzählte, er habe gesehen, wie ein Stück von 4 bis 5 t Gewicht in 15 Minuten an seinen Platz gebracht wurde, was früher nicht nur Stunden, sondern Tage in Anspruch genommen habe. Textabbildung Bd. 323, S. 102 Fig. 28.Portallauf kran für 25 t Tragkraft von Stuckenholz auf dem Hofe des Stettiner Vulkans. Auf den Höfen der Schiffswerfte findet man sehr verschiedene Hebe- und Transportvorrichtungen. Fig. 28 zeigt einen Portallaufkran für 25 t Tragkraft von Ludwig Stuckenholz auf dem Werftgelände des Stettiner Vulkans. Der Kran, auf dessen glücklich gewählte Abmessungen und Formgebung schon früher in D. p. J. 1906, S. 37 hingewiesen wurde, dient zum Transport schwerer Stücke auf dem Hofe. Die Gesamtlänge des Kranbalkens beträgt 52,5 m. Textabbildung Bd. 323, S. 102 Fig. 29.Mastenkran 80 t von Stuckenholz im Hafen von Amsterdam. Gewöhnlich werden die schweren Teile, wie Maschinen, Kessel usw. erst dann eingebaut, wenn das Schiff auf dem Wasser liegt. Früher wurden für diese Arbeiten fast ausnahmlos Scherenkrane verwandt, die sowohl als Land- wie als Schwimmkrane ausgeführt wurden, Der Dampfbetrieb ist bei diesen Kranen vorherrschend; einige z.B. in Havre haben auch Druckwasserbetrieb. Obwohl die äußere Form der Scherenkrane allgemein bekannt sein dürfte, so möge doch der Vollständigkeit halber ein solcher Kran im Bilde vorgeführt werden. Fig. 29 zeigt einen Scherenkran für 80 t Tragkraft von Ludwig Stuckenholz im Hafen von Amsterdam. Das Versetzen der Last in wagerechter Richtung geschieht durch das Einziehen oder Hinausschieben des Hinterbeins. Textabbildung Bd. 323, S. 103 Fig. 30.150 t-Drehscheibenkran von Stuckenholz im Hamburger Hafen. Diese Krane stellen sich gegenüber anderen Kransystemen für gleiche Zwecke wohl billig, aber das Arbeitsfeld ihrer Lasthaken ist sehr beschränkt. Die Last kann nur in einer senkrechten Ebene versetzt werden. Das Schiff muß oft verholt werden, wenn mit dem Kran an verschiedenen Stellen des Decks gearbeitet werden soll. Diesen oft recht fühlbaren Mängeln der Scherenkrane suchte man schon früher durch andere Kransysteme abzuhelfen. Man griff zuerst zum Drehscheibenkran. Fig. 30 zeigt den großen Drehscheibenkran für 150 t Tragkraft im Hamburger Hafen von Ludwig Stuckenholz. Der Kran wurde im Jahre 1887 fertig gestellt und war lange der größte seiner Art, bis ihm im Jahre 1899 durch einen Drehscheibenkran mit verstellbarem Ausleger wenigstens bezüglich der Ausladung der Rang abgelaufen wurde. Der letztgenannte Kran befindet sich auf der Werft der Newport News Shipbuilding Co. in Amerika und hat bei gleicher Tragkraft 22 m Ausladung gegen 17,3 m bei dem Hamburger Kran. Der amerikanische Kran wird elektrisch betrieben und besitzt sieben Motoren mit zusammen 540 PS; der Hamburger Kran wird mit Dampf betrieben. Die Höhe von Flur bis Mitte oberer Rolle beträgt bei letzterem 31 m. Die Hubgeschwindigkeit bei Volllast beläuft sich auf 0,25 m/Min. Das Gewicht des Kranes beträgt 245 t; dazu kommen noch 250 t Ballast. Das Fundament hat also bei voller Belastung des Hakens einen Druck von 645 t aufzunehmen. Das Gesamtgewicht seines amerikanischen Rivalen beträgt dagegen 775 t bei 410 t Ballast. Das Arbeitsfeld eines Drehscheibenkranes ist eine Kreislinie, bei veränderlicher Ausladung eine Kreisringfläche, bietet also hierin schon recht erhebliche Vorteile gegenüber Scherenkranen. Auch können um den Kran herum mehr Stücke lagern, die unmittelbar von dem Lasthaken aufgenommen werden können. Auch durch Derrick-Krane erreicht man ein größeres Arbeitsfeld des Hakens. In D. p. J. 1899, Bd. 311, S. 29 und 1902, S. 416 ist ein solcher Kran für 150 t Tragkraft von Bechem auf der Werft von Blohm & Voß in Hamburg beschrieben und abgebildet worden. –––––––––– Ich möchte mir hier eine Bemerkung erlauben. In den Veröffentlichungen über die ersten Hammer-Werftkrane von 150 t Tragkraft wird mehrfach dieser amerikanische Drehscheibenkran bezüglich der Eigengewichte zum Vergleich herangezogen. Es wird da gesagt, das Eigengewicht des ersten Hammerkranes vom Jahre 1899 betrage nur 375 t gegenüber 775 t des obigen Drehscheibenkranes. Das könnte nun so aufgefaßt werden, als seien dies die Eigengewichte ausschließlich Ballast. Das ist auch wohl der Fall bei dem Hammerkran, nicht aber bei dem Drehscheibenkran Denn nach der Quelle, der obige Angaben entnommen sind, Z. d. V. 1899, S. 531 ist in den 775 t der Ballast von 410 t mit einbegriffen, so daß das Konstruktionsgewicht des gesamten drehbaren Teiles ausschließlich Ballast nur 365 t beträgt. Ueber den eisernen Unterbau des Kranes fehlen die Angaben ebenso über die Größe des Gegengewichts bei dem Hammerkran; dieses kann indes nicht bedeutend sein, da nur die Laufkatze bei kleinster Ausladung ausgeglichen sein soll. Der Vorteil der neueren Bauart liegt also nicht so sehr in der Materialersparnis als in der geringeren Belastung des Fundamentes. (Fortsetzung folgt.)