Titel: Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907.
Autor: Jul. Küster
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 113
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Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907. Von Jul. Küster, Zivilingenieur in Berlin. (Fortsetzung von S. 28 d. Bd.) Die internationale Automobil-Ausstellung Berlin 1907. II. Der Automobil-Verbrennungsmotor. Wie schon im Teil I, dem Ueberblick bezw. Vorbericht gesagt wurde, ist der Fahrzeug-Explosionsmotor weit davon entfernt, sich zu einer als normal zu bezeichnenden Standardtype ausgebildet zu haben, wie dies auf Grund des sehr gleichmäßig erscheinenden Aeußeren des modernen Automobils, wozu die stehende Anordnung der einzelnen Zylinder unter der Motorhaube vor dem Führersitz noch beiträgt, in Tages-Sportzeitungen vielfach verbreitet wird. Vielmehr herrscht sogar in bezug auf die elementarsten Forderungen, wie die Anordnung der Ventile und dergl., die größte Regellosigkeit. Immerhin muß dies mit dem Hinweise gesagt werden, daß ein paar Grundanordnungen sich mehr und mehr eingebürgert haben, u.a. sind dies bezügl. des erwähnten Beispiels, der Ventilanordnung, die folgenden: Einlaß- und Auslaßventil symmetrisch auf beiden Seiten des Zylinders, durch je eine besondere Nockenwelle gesteuert; Einlaß- und Auslaßventil auf derselben Zylinderseite, durch dieselbe Nockenwelle von unten gesteuert; Einlaß- und Auslaßventil auf derselben Seite, jedoch übereinander, wobei das Einlaßventil von oben durch eine längere Steuerstange geöffnet wird; eine seltenere, auch noch in verschiedenen Variationen wiederkehrende Anordnung ist die Steuerung beider Ventile durch eine über den Zylindern liegende Nockenwelle. Wenn hier einige Hauptbeispiele der Ventilanordnung an erster Stelle erwähnt werden, so begründet sich dies damit, daß ganz besonders die Ventilanordnung die übrige Bauart des Motors wesentlich beeinflußt – so beispielsweise in bezug auf die Frage, ob der Zylinder mit dem Wasserkühlmantel ein mehr oder weniger symmetrisches Stück darstellt usw. Da nun dieser Bericht nach Möglichkeit auch dem nicht in der Automobil-Industrie tätigen Techniker ein Bild vom Stande der Automobiltechnik auf Grund der letzten großen Automobil-Ausstellung geben soll, so wäre es verfehlt und würde zu einem schiefen Bilde führen, wenn lediglich vom Gesichtspunkte der Neuheit aus weniger verbreitete Formen den allgemeineren vorangestellt würden. Vielmehr dürfte dem gestellten Zwecke mehr gedient sein, wenn zunächst an Hand einer guten Schema-Schnitt-Darstellung eines Motors mit der erstgenannten, wohl am meisten verbreiteten Anordnung (Ventile beiderseits symmetrisch) das Wesen des modernen, auf der Ausstellung am meisten vertretenen vierzylindrigen Automobilmotors in kurzen Worten erörtert wird. Wenn auch so für die meisten Leser zunächst eine Wiederholung von Bekanntem unvermeidlich erscheint, so dürfte doch auch für diese die Vorausschickung der Wirkungsweise eines modernen Motors im Zusammenhange mit der Erwähnung der Gemischbildung usw. als Grundlage für die später zu erörternden Abweichungen dienen. Textabbildung Bd. 323, S. 113 Fig. 1.Vierzylindermotor der Neuen Automobil-Gesellschaft. Der geschilderte Zweck möge also zunächst an Hand des Querschnittschemas Fig. 1 und des Längsschnittes Fig. 2, beide den Vierzylindermotor der Neuen Automobil-Gesellschaft zu Berlin darstellend, erfüllt werden, welche von der genannten Gesellschaft zu dem Zwecke zur Verfügung gestellt wurden. Im Querschnittsschema zunächst ist 1 das Einlaß- und 2 das Auspuffventil des symmetrisch gegossenen Arbeitszylinders. Die Ventile werden kraftschlüssig gesteuert bezw. zwangläufig geöffnet durch Nockenwelle 4, welche mittels je eines Stirnrades 3 und eines auf der Motorwelle befestigten, halb so großen Zahnrades 5 unter Vermittlung eines in beide Stirnräder 3 eingreifenden Zwischenrades angetrieben werden. Die Nocken der Einlaßventil-Steuerwelle 4 wirken auf Stössel 6, und zwar zur Verminderung der Reibung unter Vermittlung von unter den Stösseln auf den Nocken befindlichen Kugeln. Durch Heben des Stössels 6 erfolgt dann die Oeffnung des Kegelventils 1, und analog durch Stössel 7 die des Auspuffventils 2, entgegen dem Druck der Ventilfedern 8. Das auf der Auspuffsteuerwelle befestigte Zahnrad 3 treibt zugleich den Magnetapparat M an, auf dessen Ankerwelle ein eben so großes Zahnrad wie auf der Motorwelle befestigt ist. Konform treibt das Zahnrad 3 der Einlaßsteuerwelle ein etwas kleineres Zahnrad an, welches auf der Welle der Zentrifugal-Kühlwasserpumpe P befestigt ist. Textabbildung Bd. 323, S. 114 Fig. 2.Vierzylindermotor der Neuen Automobil-Gesellschaft. Weiter erkennen wir bei V den Vergaserkomplex und bei D ein Druckventil, durch welches ein Teil der Auspuffgase vom Auspuffrohre 20 unter Zwischenschaltung eines Rückschlagventils und eines darüber befindlichen, durch Handschraube 27 regelbaren Ueberdruckventils in Rohr 26 geleitet wird und einesteils den Oelbehälter, andernteils den Brennstoffbehälter unter Druck setzt, zwecks gleichmäßiger Ueberführung des Oeles in den Oelverteiler bezw. Schmierapparat, des Brennstoffs zum Vergaser V. Wie erkenntlich ist der Brennstoffbehälter mit einem Zylinder aus engmaschiger Drahtgase an der Eingußverschlußkappe versehen, wodurch – ähnlich wie bei der Davosschen Sicherheitslampe – ein Durchschlagen von Flammen in das Innere des Behälters vermieden wird. Durch die Unterdrucksetzung des Brennstoffbehälters mittels der Auspuffgase wird ferner eine Ansammlung von zündfähigem Luftbenzingemisch über dem flüssigen Brennstoff verhindert. Die unten rechts abzweigende Zuführleitung des Brennstoffs zum Vergaser beginnt mit einem Ablaßhahn, zum Ablassen etwaiger schwerer Bestandteile, wie Wasser, oder zur Entleerung des Behälters, und mit einem in die Leitung selbst eingeschalteten Absperrhahn. Der Vergaser V selbst weist zunächst ein Schwimmergehäuse 18 mit Schwimmer 14 auf, der durch Nadelventil 15 den Brennstoff in gleichmäßiger Höhe an der Düse 12 hält. Bevor der Brennstoff in die Kappe 17, gegen welche der Schwimmerraum durch Nadelventil 15 abgesperrt ist, gelangt, muß er durch eine Lage Reinigungssiebe 16 gehen, die in der Verschlußkappe 17 vorgesehen sind, und unterhalb der Siebe 16 können sich Fremdkörper und schwerere Bestandteile absondern. An der Brennstoffdüse 12 streicht mehr oder weniger vorgewärmte Luft vorbei, und zwar durch den die Düse umgebenden Blechzylinder 13 mit entsprechend erhöhter Geschwindigkeit, wodurch der Brennstoff mitgerissen und gegen einen über der Düse stehenden Kegel geschleudert wird, um nach oben beim Ansaughube fein verteilt und zerstäubt mitgerissen zu werden. Vorher jedoch geht er durch eine Zusatzluftdrossel 27 und die Drosselklappe 26, die von Hand und vom Regulator aus eingestellt wird. Zu erwähnen bleibt an dem Querschnittsschema Fig. 1 noch der Hahn 25 zur Einstellung des Schmierölniveaus im Kurbelgehäuse, dessen untere Hälfte nach unten hin zur sofortigen Zugängigmachung der Kurbelwellen und Pleuelstangenlager abnehmbar ist, während die obere Hälfte durch seitliche Arme unmittelbar auf den Längsträgern des Chassisrahmens aufliegt. Am Längsschnitt (Fig. 2) erkennen wir zunächst unten rechts die Andrehkurbel, welche am Wasserröhrenkühler W gelagert ist und durch einseitig wirkende Klauen mit der Kurbelwelle 5 gekuppelt werden kann. Unmittelbar neben diesen Kupplungsklauen ist eine Riemenschnurscheibe zum Antrieb des hinter dem Kühler vorgesehenen Ventilators auf der Kurbelwelle befestigt bezw. mit den Klauen in einem Stück hergestellt. Innerhalb des Gehäuses erkennen wir in Fig. 2 zunächst rechts über der Kurbelwelle die Einlaßventil-Steuernockenwelle 4 mit Zahnrad 3, welches zugleich die Schwungkugeln des Fliehkraftreglers R trägt. Ferner erkennen wir, daß die Einlaßsteuerwelle 4 die über den Einlaßventilen am Zylinderkopf vorgesehene Abreißzündung betätigt. Je zwei Zylinder sind als ein Block zusammengegossen, was besonders die im Schnitt gezeichneten beiden linken Zylinder veranschaulichen, deren rechter Kolben 10 in der höchsten und deren linker Kolben in der tiefsten Stellung steht. Ueber den Kolben in der Mitte des Zylinders sind kleine Hähne mit Füllschalen vorgesehen, und durch den Kühlwassermantel hindurchgeführt, wodurch Benzin beim Anlassen des Motors oder Petroleum nach Abstellen des Motors in den Arbeitsraum eingeführt werden kann. Am Schwungrad ist eine lösbare Reibkegelkupplung angebaut, welche mit Druckentlastung wirkt, so daß die Druckfeder 28 keine schädliche achsiale Lagerreibung verursacht. Die Abhebung bezw. Lösung des inneren recht dünn und leicht, aus Stahlblech gehaltenen und gelochten Reibkegels 29 erfolgt unter Vermittlung eines Spurkugellagers zur Vermeidung übermäßiger Lagerabnutzung. Textabbildung Bd. 323, S. 114 Fig. 3.Abreißzündung zum Motor Fig. 1 und 2. Die Abreißzündung ist zum Teil in Fig. 1 über dem Einlaßventil 1 zu sehen, ferner das Abreißgestänge für je zwei Zylinder in Fig. 2 zwischen den beiden Einlaßventilen. Im Zusammenhange ist dieselbe in Fig. 3 gezeigt. Der Zündstift 25 ist isoliert in einer über dem Einlaßventil einschraubbaren Kappe vorgesehen (durch deren Herausnahme, wie hier bemerkt sein mag, das Ventil selbst zugänglich wird, zwecks Reinigung, Einschleifung oder Auswechselung). Oben wird der Zündstift 25 durch eine, diese Kontaktstifte sämtlicher Zylinder verbindende isolierte Brücke und ein Leitungskabel mit der Kohlenbürste des Magnetinduktors verbunden und unten durch den an seinem konischen Ende anliegenden Hebel 21 mit der metallischen Masse. Dadurch ist der Stromkreis geschlossen. Der durch den Pfeil zwischen 25 und 21 angedeutete Zündfunke entsteht demnach durch plötzliches Oeffnen des geschlossenen Stromkreises an dieser Stelle mittels der durch Kopf 22 auf Hebel 24 einwirkenden Stange 23, deren unteres Ende 30 durch Feder 21 schnell abwärts gezogen wird, sobald die Vertiefung des Nockens 28 sich in der gezeichneten Stellung befindet, wobei zu beachten ist, daß der Nocken 28 sich im Sinne des Uhrzeigers dreht. Er wirkt jedoch nicht unmittelbar auf die Zündstange 23, 30, sondern durch Vermittlung eines Hebels 27, dessen Drehpunkt durch den Führer während der Fahrt verstellt werden kann, zum Zwecke der Veränderung des Zündzeitpunktes. Durch die erwähnte konische Ausbildung des Zündstiftes 25 an der Berührungsstelle mit Hebel 21 wird bei diesem System eine stete Selbstreinigung von verbrannten Oelrückständen erzielt. In gleicher Weise mit Anordnung von Einlaßventilen auf der einen und Auslaßventilen auf der anderen Seite des Motors ist der in Fig. 4 in Ansicht wiedergegebene Lastwagenmotor von Arbens konstruiert. Auf den ersten Blick jedoch läßt diese Figur äußere Unterschiede erkennen gegenüber der beschriebenen Type. So ist die Teilung des Kurbelgehäuses eine andere. In die Augen fällt ferner die Lagerung der Andrehkurbel unmittelbar an diesem Gehäuse, sowie die Riemscheibe für den Ventilator, welcher selbst in anderer Weise unmittelbar am Motor angebracht ist, anstatt an dem Kühler. Die Hähne an den Zylindern zum Einlassen von Benzin und Petroleum sind in gleicher Weise vorgesehen, doch bemerken wir oben links von den Zylindern die Stromzuführung zu den Zündkerzen für die elektromagnetische Zündung. Auf derartige weniger zum Motorsystem selbst gehörige Einzelheiten wird an der betreffenden Stelle weiter unten zurückzukommen sein, und dasselbe gilt gleichzeitig für besondere Neuerungen, wie beim vorliegenden System die pneumatische Anlaßvorrichtung. Textabbildung Bd. 323, S. 115 Fig. 4.Lastwagenmotor von Arbens. (Fortsetzung folgt.)