Titel: Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908.
Autor: A. Stift
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 680
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908. Von k. k. landw. techn. Konsulent A. Stift (Wien). (Schluß von S. 665 d. Bd.) Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908. Mit Transportanlagen in Zuckerfabriken beschäftigt sich weiter die Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und Landwirtschaft 1908, S. 75, wobei besonders mechanische Fördereinrichtungen besprochen werden mit dem Hinweise darauf, daß sich gerade Schwebebahnen auch für kleine Leistungen wirtschaftlich, vor allem also mit geringen Anlagekosten ausführen lassen. Beispiele dafür bieten zwei von Adolf Bleichert & Co. in Leipzig-Gohlis für österreichische Zuckerfabriken gebaute Anlagen, die beide zum Transport von Schlamm von den Pressen auf den Lagerplatz dienen. Beide Bahnen sind eingleisig, mit Pendelbetrieb, 60 bezw. 166 m lang und befördern stündlich 3 . 5 bezw. 2 . 5 t Schlamm. Für größere Stundenleistungen muß die Bahn so angeordnet sein, daß ein steter Kreislauf der Wagen möglich ist. Eine zweigleisige Drahtseilbahnanlage mit einer stündlichen Leistung von 45 t besitzt die Zuckerfabrik Laun zur Förderung der Rübenschnitzel aus der Fabrik nach der Schnitzelgrube. Diese Bahn wird nach Einschaltung einer Winkelstation in zwei ungefähr 12,5 m voneinander entfernt liegenden Strängen in solcher Höhe über der 145 m langen Grube hingeführt, als sich diese in ihrer vollen Breite beschütten läßt (Fig. 13). Textabbildung Bd. 323, S. 681 Fig. 13. Das Zugseil wird an der Winkelstation und am Ende der Grube um Scheiben von 4 m Durchm. geführt, die der Wagen ohne Lösung vom Seil umführt, so daß, da auch die Wagenentleerung selbstständig geschieht, ausschließlich auf der Beladestation eine Bedienung erforderlich ist. Der Betrieb der Anlage erfordert nur 3–4 PS, obwohl die von dem Wagen umfahrene Strecke etwa 540 m beträgt. Die Wagen werden am Zugseil durch den Bleichertschen selbsttätigen Kuppelapparat „Automat“D. p. J. 1904, 319, S. 186. festgeklemmt dessen Wirkung dar-, auf beruht, daß das Gewicht des Wagens, durch Hebelwirkung auf ein vielfaches erhöht, die beiden Klemmbacken gegeneinander preßt und so mit stets unveränderlicher Kraft das Seil greift. Textabbildung Bd. 323, S. 681 Fig. 14. Der Apparat arbeitet selbst bei Steigungen von 45° absolut zuverläßlich und läßt selbsttätiges stoßfreies Ein- und Auskuppeln noch bei Seilgeschwindigkeiten von 2,5–3 m f. d. Sekunde zu. Er wird am Laufwerk des Wagens angebracht und in der Regel so, daß das Zugseil oberhalb des Tragseiles liegt (Fig. 14). Wenn, wie im vorliegenden Falle, Kurven zu durchfahren sind, so werden die Klemmbacken überhöht und können sich dann in beiden Richtungen gegen den Scheibenrand anlegen; bei stärkeren Neigungen wird untenliegendes Zugseil angeordnet (s. D. p. J. S. 581 d. Bd.). Vielseitigen Zwecken dient eine von Bleichert & Co. in der Zuckerfabrik Malchin aufgestellte Seilbahn, die Rüben, Schnitzel, Kalksteine und Kohle befördert und die ein ungewöhnlich interessantes Beispiel dafür bietet, wie weit eine mit den neuesten Verbesserungen ausgerüstete Seilbahn sich örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen anzuschmiegen vermag. Wegen Raummangel muß in bezug auf den Situationsplan dieser Anlage auf die Originalquellen verwiesen werden. Bemerkt ist weiter, daß die Seilbahnen weit überholt sind von den Bleichertschen Elektrohängebahnen,D. p. J. 1904, 319, S. 115 und 1906, 321, S. 226. die namentlich für kurze, kurvenreiche Strecken ein unübertroffenes Fördermittel darstellen. Das Laufwerk eines jeden Wagens wird hier durch einen oder zwei kleine, durch Stromabnehmer von einem Zuleitungsdraht gespeiste Motoren ebenfalls angetrieben (Fig. 15). Das System genügt den weitgehendsten Ansprüchen an Betriebssicherheit und einfacher Konstruktion und Bedienung. Auch bei Elektrohängebahnen läßt sich für geringe Leistungen und Fahrlängen der Pendelbetrieb anwenden und die Bahn besteht dann aus einer einfachen Schiene, auf welcher ein Wagen hin und zurück läuft. Textabbildung Bd. 323, S. 681 Fig. 15. Textabbildung Bd. 323, S. 681 Fig. 16. Eine solche Anlage besitzt die Zuckerfabrik Bedihoscht zur Beförderung des Rohzuckers zum Zuckermagazin. Die Fahrlänge der Bahn beträgt 85 m, so daß bei 1 m sekundlicher Fahrgeschwindigkeit für Hin- und Rückfahrt 170 Sekunden erforderlich sind. Rechnet man für das Auf- und Abladen der Zuckerwagen in den Endstationen zusammen 70 Sekunden, so nimmt ein Spiel 240 Sekunden oder 4 Minuten in Anspruch. Demnach lassen sich stündlich 15 Fahrten ausführen, und, da jede Ladung 500 kg beträgt, 7½ t i. d. Stunde fördern. Textabbildung Bd. 323, S. 682 Fig. 17. Eine einfache Elektrohängebahnanlage mit Ringbetrieb haben Bleichert & Co. in der Zuckerfabrik Altbrünn eingerichtet. In jedem der beiden nebeneinander liegenden Rohzuckermagazine, die von der Hängebahn bedient werden, ist eine Laufbahn in Form einer geschlossenen Schleife verlegt und zwar sind die als Schienen benutzten ⌶-Träger im Dachgebälk aufgehängt. Die Wagen (Fig. 16) werden aus einem Füllrumpf beladen und durch Weichen nach einem der beiden Magazine geleitet. Textabbildung Bd. 323, S. 682 Fig. 18. Der einzige Bedienungsmann hat nur die Verschlußklappe des Füllrumpfes zu öffnen und zu schließen, den Wagen durch Einschalten des Stromes abfahren zu lassen und von Zeit zu Zeit die Stellung der Entleervorrichtung zu ändern, die auf einer besonderen, der Fahrbahn parallelen Schiene läuft und durch eine Handwinde mit Seil beliebig verschoben werden kann. Falls während der Füllung eines Wagens ein anderer Wagen ankommt, so schaltet sich dieser eine Strecke vor dem Füllrumpf selbsttätig aus und bleibt stehen, bis der erste Wagen abgefahren ist und dem zurückliegenden Streckenabschnitt wieder Strom gibt. Am Füllrumpf hält jeder Wagen selbsttätig an. Die Leistung der Anlage beträgt bei 1 m sekundlicher Fahrgeschwindigkeit 30 t i. d. Stunde, die gesamte Fahrlänge 240 m. Ein besonderer Vorzug der Elektrohängebahnen besteht darin, daß sich an dem Laufwerk bequem eine Hubvorrichtung anbringen läßt, welche Beladung und Entleerung der Wagenkästen an beliebig tief gelegenen Punkten ermöglicht und so einen besonderen Aufzug oder Kran überflüssig macht. Textabbildung Bd. 323, S. 682 Fig. 19. Fig. 17 zeigt die Abbildung eines solchen mit selbsttätiger Hubbegrenzung versehenen Wagens. Seine eigentliche Bedeutung hat dieses System erst durch die Einführung der Bleichertschen Fernsteuerung erhalten. Während für gewöhnliche Laufkrankatzen, die von einem festen Standpunkt aus gesteuert werden sollen, sieben Kontaktdrähte nötig sind, genügen hier, wenn die Schiene zur Rückleitung verwendet wird, zwei Freileitungen, deren eine jedoch nur an den Stellen angebracht wird, wo gehoben und gesenkt werden soll. Eine Anlage nach diesem System dient in einer französischen Raffinerie zum Transport und zur Aufstapelung der Zuckersäcke (Fig. 18 und 19). An den Längswänden des Magazins entlang laufen ⌶-Schienen, an den Enden verbunden durch Querschienen, deren eine über die Straße ausragt, während die andere in der Raffinerie liegt. Zwischen den beiden Längsschienen ist eine fahrbare Brücke ausgespannt, mit zwei Schienensträngen, die jeder durch Weichen an die Längsschienen angeschlossen werden können. Die Brücke mußte, da in der Mitte des Gebäudes Säulen stehen, in zwei Teilen ausgeführt werden, die durch kurze aufklappbare Schienenstücke verbunden sind. Sie wird dadurch frei verschiebbar, so daß der Wagen jeden Punkt des Magazins erreichen kann. Die beiden bei dieser Anordnung entstehenden Ringbahnen werden auf folgende Weise benutzt: Die die Säcke bringenden Fuhrwerke werden unter der auslegenden Schiene aufgestellt. An den Haken der Laufwinde, die senkrecht über dem Fuhrwerk hält, werden nun gleichzeitig acht Säcke angeschlagen und durch Einschalten des Stromes gehoben. Textabbildung Bd. 323, S. 683 Fig. 20. In der höchsten Stellung der Last wird der Hubmotor selbsttätig aus- und der Fahrmotor eingeschaltet. Der Wagen fährt in das Gebäude hinein und geht auf die Brücke über, wird hier an beliebiger Stelle durch den Arbeiter aufgehalten, worauf dann die Last gesenkt und abgenommen und das Spiel von neuem beginnt. Soll aus dem Magazin in die Raffinerie gefördert werden, so wird in ganz entsprechender Weise die zweite Ringbahn benutzt. Für Steigungen sind Elektrohängebahnen nur so lange geeignet, als die Adhäsion ausreicht, wenn nicht eine Zahnstange eingelegt wird. Textabbildung Bd. 323, S. 683 Fig. 21. Bei dieser Anordnung ist immer ein starker Fahrmotor notwendig, der aber auf der ebenen Strecke nicht ausgenutzt wird, und hier nur die tote Last vergrößert. Das Bleichertsche Elektroseilbahnsystem überwindet diese Schwierigkeit in der Weise (Fig. 20), daß in den Schrägstrecken der Wagen an ein ständig umlaufendes Zugseil angeschlossen wird, das die gesamte Hubarbeit auf sich nimmt, so daß der Wagenmotor lediglich für die Reibungsarbeit zu bemessen ist. Da das An- und Abkuppeln an der Schrägstrecke selbsttätig vor sich geht, so findet hier keinerlei Unterbrechung des Betriebes statt. Textabbildung Bd. 323, S. 683 Fig. 22. Nach der Mitteilung von HolubZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen 1908, 32. Jahrgang, S. 537. ist es in der Kampagne 1907/08 gelungen, den mechanischen Transport des Schlammes von den Schlammpressen mittels eigens zu diesen Zwecken konstruierten Pumpen durchzuführen. In Anwendung standen zwei Typen, und zwar: Type 1 mit zwei einfachwirkenden Pumpen (170 mm Durchm. und 270 mm Hub), genügend zur Beförderung des Schlammes aller Schlammpressen der ersten und zweiten Saturation bis zur täglichen Verarbeitung von 7000 m/Ztr. Rüben und Type II mit zwei einfachwirkenden Pumpen (200 mm Durchm. und 340 mm Hub) ausreichend für eine tägliche Verarbeitung bis zu 14000 m/Ztr. Rüben. Type I wurde in der Zuckerfabrik Kralup bei einer täglichen Verarbeitung von 6500 m/Ztr., Type II in der Zuckerfabrik Laun bei einer täglichen Verarbeitung von 12000 m/Ztr. Rüben in Betrieb gesetzt. Die Gesamtanordnung (Fig. 21 und 22) ist die folgende: Unterhalb aller Schlammpressen ist ein Schneckentransporteur von 400 mm Gewindedurchmesser angebracht, in welchen von den einzelnen Schlammpressen Ablaßöffnungen für den Schlamm geführt sind, der durch eine Schnecke zuerst durch einen Zermalmer, wo er trocken zermalmt wird, weitergeleitet wird und dann im durchgekneteten Zustande durch Trichter in die beiden Pumpen gelangt. Die Pumpen sind einfachwirkend ohne Saugventile, mit besonders sorgfältig konstruierten Tauchkolben und Zylindern, damit ein Durchlassen des Schlammes in den Dichtungen vermieden wird. Die Maschine hat einen Druck bis zu 15 at zu überwinden. Der Antrieb der Pumpen erfolgt von der Transmission aus mittels Riemenscheiben, durch welche er mittels Winkelräder und einer Kurbelkulisse auf raschen Gang rückwärts (beim Saugen) und langsamen Gang vorwärts (beim Druck) auf die Tauchkolben der Pumpen übertragen wird. Der Schlamm fällt aus dem Zermalmer hinter die Tauchkolben (Fig. 23) und wird durch diese über die Druckventile beider Pumpen in das gemeinsame Druckrohr gedrückt, welches für die Type I 130 mm und für die Type II 200 mm im Durchmesser hat. Das Hinaufdrücken des Schlammes geschieht bis zur Ablagerungsstätte, die bis zu ½ m Höhe eingezäunt ist. Das Druckrohr ist bis zu ungefähr ⅓ dieser Stätte geführt und ist diese voll, so wird das Rohr weiter bis zu ⅔ der dem Schlamme zugewiesenen Stätte angestückelt. Der aus dem Rohre herauskommende Schlamm ist wohl zäh, erstarrt aber so, daß er in 14 Tagen mit Wagen weggeführt werden kann. Die Druckrohrleitung kann ober- oder unterirdisch in Bogen von größerem Halbmesser bis auf ungefähr 200 m weit geführt werden, ohne daß ein Wasserzusatz zum Schlamm nötig ist. Die Drucke in den Leitungen betrugen bei verschiedenen Transportentfernungen durchschnittlich auf je 12 bis 14 m Länge 1 at, bei 200 m Länge des Rohrstranges 15 at. Bei noch größeren Entfernungen läßt sich der Schlamm nur nach entsprechendem Wasserzusatz (ungefähr 5 v. H.) beim Verrühren pumpen, wobei darauf zu achten ist, daß der Druck von 15 at nicht überschritten wird. Der Druck kann durch Wahl einer Schlußleitung von größerem Durchmesser gemildert werden. Versuche sind auch im Gange, um durch eine geeignete Konstruktion der Pumpe den Schlamm auf größere Entfernungen als 200 m ohne Wasserzusatz transportieren zu können. Der Kraftverbrauch betrug bei 15 at Druck und 20 Umdreh. der Maschine in der Minute bei Type I ungefähr 9 PS, bei Type II ungefähr 18 PS. Der Kraftbedarf der Schnecke mit dem Zermalmer betrug bei deren Länge von 12,5 m 2½ PS. Der volumetrische Effekt einer einfachwirkenden Pumpe kommt ungefähr 50 v. H. des vom Kolben durchlaufenden Inhaltes gleich. Da die ganze Anlage bequem von einem jüngeren Arbeiter bedient werden kann, so bedeutet dies eine nahmhafte Lohnersparnis. Der zur Ablagerung des Schlammes erforderliche Raum beträgt nur ungefähr 70 v. H. desjenigen, welcher notwendig ist, wenn der Schlamm auf Wagen fortgeschafft wird. Bei den Pumpen trat während der ganzen Arbeitszeit kein wesentliches Hindernis auf. Kleinere Gegenstände gehen durch die Ventilkammer mit dem Schlamm durch und größere Gegenstände lassen sich leicht und schnell durch das Mannloch entfernen. Bemerkt sei, daß auch in Deutschland einige Zuckerfabriken mit diesen Pumpen bereits arbeiten, und zwar auf verschieden großen Entfernungen, sowohl mit oberirdischer als auch mit unterirdischer Rohrleitung. Textabbildung Bd. 323, S. 684 Fig. 23.