Titel: Lokomotivbekohlung.
Autor: Lutz
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 737
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Lokomotivbekohlung. Von Reg. – Baumeister Lutz, Kiel. (Fortsetzung von S. 727 d. Bd.) Lokomotivbekohlung. Je nach der Lage des Grundwasserspiegels kommt beim Inbetrachtziehen einer Huntschen Anlage die Anordnung mit Erdfüllrumpf oder diejenige mit oberirdischem Bansen nach Art der Fig. 18 in Frage. Bei hochliegendem Grundwasserspiegel würde der Erdfüllrumpf teure Mauerarbeiten erfordern, zumal der Füllkanal für die Becherkette schon ohnedies sorgfältig getroffener Vorkehrungen zum Ableiten des Regenwassers bedarf. Dieser Verteuerung stehen andererseits neben den Kosten der Einfassung der oberirdischen Bansen diejenigen der Rampe samt der Vorrichtung zum Hochschieben und Herunterlassen der Wagen gegenüber, sowie der Umstand, daß das Entladen der Güterwagen von den Rampen aus unbequemer ist. Will man auf eine größere Aufspeicherung im Bereich der Huntschen Bekohlungsvorrichtung verzichten, so braucht man den Erdfüllrumpf nur etwa 5 m tief zu machen, so daß er gerade noch als Zulauftrichter für die Förderkette dient, bezw. die Rampe nur so hoch, daß die Kohlen vom Güterwagen noch leicht in die Förderkette entladen werden können. Eine Huntsche Anlage mit oberirdischen Bansen ist meines Wissens bei uns nicht in Betrieb. Von der Lage des Grundwasserspiegels unabhängig sind die Hochbehälteranlagen nach Art der Fig. 21. Der Einlauftrichter des Elevators braucht nicht sehr tief zu sein; nötigenfalls kann er noch fast ganz über S. O. angelegt werden. Rei der Bekohlungsanlage im Grunewald reicht zwar der Preßzylinder für die Wagenkippvorrichtung etwa 6,5 m unter S. O., was aber nach obiger Hinsicht das Grundsätzliche der Anlage nicht berührt. Den Förderketten wird vorgeworfen, daß sich ihre Becher mit großen Kohlenstücken schlecht füllen und daß sie einem bedeutenden Verschleiß unterworfen sind und zahlreiche Reparaturen erfordern. Es steht aber nichts im Wege, die Becher den größten vorkommenden Stücken entsprechend weit genug zu machen; dafür kann man ihre Fahrgeschwindigkeit geringer annehmen, denn ihr Fassungsvermögen wird größer, so daß die nicht mit größten Stücken beladenen Becher auch mehr fördern. Die erforderliche Leistungsfähigkeit kann in allen Fällen erzielt werden. Wie weit der durch die Erweiterung der Becher im Vergleich mit anderwärts üblichen Verhältnissen entstehende Mehraufwand die Konkurrenzfähigkeit der Gesamtanlage beeinflußt, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Sind die Becher nicht weit genug, so müssen die großen Stücke zerschlagen werden, da sonst Beschädigungen der Becher und besonders der Füllvorrichtungen vorkommen. Förderketten mit Spaltüberdeckung sowie die BradleybecherwerkeErnst, Die Hebezeuge, 3. Auflage, I. Bd., S. 462 der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau A.-G. benötigen als Füllvorrichtungen einfache Rutschen; sie sind deshalb diesen Beschädigungen beim Einfüllen von vornherein nicht ausgesetzt. Das Zerschlagen der Kohlen, die im allgemeinen schon von der Zeche derart ankommen, daß ihre größten Stücke noch bequem durch die Feuertüren gehen und nur ganz ausnahmsweise für diesen Zweck zerkleinert werden müssen, ist wegen der dabei entstehenden Grusbildung verwerflich. Die erste Huntsche Anlage in Saarbrücken leidet noch unter diesem Nachteil, während die späteren Ausführungen derartige Klagen nicht veranlassen sollen; bei der Anlage in Grunewald wurden die zuerst verwendeten Becher noch nachträglich durch solche von größerer Ausladung und Tiefe ersetzt. Eine gewisse Beachtung verdient der Vorwurf des starken Verschleißens der Becherketten. Trotz besonderer Härtung der Bolzen und zugehörigen Laschenenden der Gallschen Ketten, in denen die Becher hängen, treten an den Berührungsstellen jener Teile Abnutzungen ein, die sich bereits nach 1 bis 2 Jahren durch Längen der Ketten fühlbar machen. Es kann noch hinzutreten, daß sich die einzelnen Laschen infolge des Zuges, dem sie fast fortwährend unterworfen sind, längen. Durch die Wahl guten Materials und genügend großer Querschnitte kann dieser zweite Mißstand aber vermieden werden. Betriebsstörungen und Reparaturen werden durch das Längen vorerst nicht hervorgerufen, da die Kette nur in einer Richtung läuft und durch Spannvorrichtungen stets straff gehalten wird. Auch der Eingriff der Schubklauen des Antriebrades wird dadurch anfänglich nur sehr wenig beeinflußt, zumal sich deren Enden ebenfalls abnutzen und so selbst der allmählich größer werdenden Teilung folgen. Von einem gewissen Punkte des Längens ab werden aber im Antrieb und in den Gelenken Stöße auftreten, die einen immer schnelleren Verschleiß verursachen, so daß schließlich das völlige Erneuern der Kette erforderlich wird. Es ist ratsam, dies durch eine entsprechend kurze Tilgungszeit für die Anschaffungskosten der Becherkette zu berücksichtigen, umsomehr als auch die Becher infolge Verrostens bald unbrauchbar werden. Jene Tilgungszeit ist um so kürzer anzusetzen, je länger die Kette ist und je mehr und je schärfere Richtungswechsel in ihrem Laufe vorkommen. Hervorzuheben ist jedoch, daß bis zu jenem kritischen Punkt Betriebsstörungen und wesentliche Reparaturen infolge Verschleißes in den Kettengelenken nicht verursacht werden, was auch die seit 10 Jahren im Betrieb befindliche Huntsche Anlage in Saarbrücken gezeigt hat, deren Kette trotz des Längens voraussichtlich auch für die nächsten Jahre noch ein geordnetes Arbeiten gewährleistet; sie ist 104 m lang und hat in ihrem Laufe vier Richtungsänderungen von je 90°. Das Erneuern der Kette kann stufenweise in den Betriebspausen vorgenommen werden. Das Auswechseln oder Flicken verrosteter Becher ist einfach. Die Lagerung der Laufrollen ist ausdauernd und gibt zu besonderen Klagen keinen Anlaß; die Firma J. Pohlig A.-G. benutzt für die Schmierung in den hohlen Laufrollen liegende, mit Oel getränkte Schwämme, während die Berlin-Anhaltische Maschinenbau Akt-Gesellschaft bei ihren Bradley – Becherwerken statt der Schwämme früher trockenen Flockengraphit anwandte, jetzt aber zu gewöhnlichen, auf den Achsen sitzenden Staufferbüchsen mit konsistentem Fett übergegangen ist. Textabbildung Bd. 323, S. 738 Fig. 22. Textabbildung Bd. 323, S. 738 Fig. 23. Was aber neben der Mißhandlung der Kohlen die feststehenden Hochbehälteranlagen mit Becherwerken im Wettbewerb mit anderen Anlagen bei uns vielfach zurückdrängt, ist der Umstand, daß sie ein größeres Kohlenlager nicht von sich aus beherrschen können, und zwar nicht nur nicht hinsichtlich des Entnehmens von Kohlen aus dem Lager, sondern auch hinsichtlich des Entladens von Güterwagen in das Lager. Ein Teil der Lokomotiven ist entweder unmittelbar am Lager zu bekohlen oder von Zeit zu Zeit sind Kohlen von dort nach der Hochbehälteranlage zu bringen, etwa durch erneutes Verladen in Güterwagen. Wenn der auf Lager zu haltende Kohlenvorrat nur gering ist, fällt dies nicht sehr ins Gewicht. Bei größeren Stapeln verschlingen diese Nebenarbeiten aber bedeutende Summen für Löhne oder sie erfordern Hilfseinrichtungen, die den Posten für Anschaffungskosten empfindlich erhöhen. Bisweilen mag es gelingen, mit Hilfe solcher Nebeneinrichtungen die Betriebskosten noch unter denjenigen anderer in Frage kommender Entwürfe zu halten, meistens aber wird der Fall so liegen, daß jene Nebeneinrichtungen bei einiger Erweiterung allein imstande sind, den gesamten Anforderungen auf vorteilhaftere Weise nachzukommen, um so mehr als sie auch zum Entladen der Güterwagen benutzt werden können. Ein Aufschluß hierüber kann nur von Fall zu Fall gefunden werden. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, daß die Kohlen, welche vom Lager zur Hochbehälteranlage gebracht werden, neben den oben erwähnten schädlichen Bewegungen noch ein zweimaliges Umladen auf dem Bahnhof mitmachen müssen. Von Schonung dieser Kohlen kann nicht mehr die Rede sein. Textabbildung Bd. 323, S. 738 Fig. 24. Für Bahnhöfe, deren Kohlenzufuhr derart unregelmäßig ist, daß tage- oder wochenlang fast nur Lagerkohlen zur Verfügung stehen, können feststehende Hochbehälteranlagen mit Becherketten nicht in Frage kommen. Es liegt der Gedanke nahe, die Hochbehälter längs des Lagers fahrbar zu machen. Anlagen nach Fig. 21 würden an und für sich der Ausführung dieses Gedankens besondere Schwierigkeiten nicht in den Weg legen. Durch Unterteilung in mehrere kleine Behälter, die je in einem besonderen Gerüst mit acht in Balanziers gelagerten Laufrädern hängen, könnten die Raddrücke in gewöhnlichen Grenzen gehalten werden, so daß unter Umständen Normalspurgleise zu verwenden wären. Da jedesmal nur sehr wenig gefahren werden müßte, immer nur so viel als das allmähliche Abtragen des Kohlenhaufens im Stapel es erforderlich macht, würde das Fahrwerk einfach und billig ausfallen und in den meisten Fällen nur für Handantrieb einzurichten sein oder das Verschieben könnte durch eine Rangierlokomotive erfolgen. Wenn so auch weite Wege von der Kohlenentnahmestelle im Lager bis zu den Hochbehältern vermieden werden, so bleiben trotzdem immer noch besondere Einrichtungen erforderlich zum Transportieren der Kohlen vom Lager nach dem Becherwerk und zum Entladen der Güterwagen in das Lager. Textabbildung Bd. 323, S. 739 Fig. 25. Ziemliche Verbreitung fand deshalb in den letzten Jahren eine Bekohlungseinrichtung ariderer Art: Der Laufkran mit Selbstgreiferbetrieb. Im März 1902 wurde in MannheimOrgan f. d. Fortschr. des Eisenbahnwesens 1903, S. 113 eine Einrichtung in Betrieb genommen, bei der zum ersten Mal der Selbstgreifer für die Zwecke der Lokomotivbekohlung Verwendung fand. Aus Gründen teils allgemeiner, teils örtlicher Natur entschied man sich dort für einen elektrisch betriebenen, das Kohlenlager überspannenden, fahrbaren Bockkran mit Laufkatze nach dem Dreimotorensystem.s. D. p. J. 1906, 321, S. 625 Die Katzenbahn ist nach jeder Seite durch eine Auskragung des Bockgerüstes verlängert, so daß der Greifer links und rechts neben dem Kohlenstapel je ein Gleise bestreichen kann. Der Kran wurde von den Cuilleaume-Werken in Neustadt a. d.h. geliefert und von | der Firma mit einer in die Laufkatze eingebauten Wage versehen. Mit dem Greifer werden Kohlen aus dem Lager und aus den Güterwagen entnommen. Dieser Ausführung folgte bald eine andere ihrer Art für den Güterbahnhof Wahren vor Leipzig.Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnwesens 1906, S. 55 und D. p. J. 1906, S. 626 Sie ist von derselben Firma geliefert und weist neben baulichen Verbesserungen einen grundsätzlichen Fortschritt insofern auf, als sie mit Hochbehältern ausgerüstet ist (Fig. 22 u. 23). In leichten eisernen Gerüsten hängen eine Anzahl Behälter von 1,15 t bis 3 t und zusammen etwa 90 t abgemessenem Fassungsvermögen seitlich so neben dem Kohlenstapel, daß sie mit dem Greifer gefüllt werden können. Der Kran braucht also nur so leistungsfähig gewählt zu werden, daß er bei gleichmäßigem Fortarbeiten den ganzen täglichen Bedarf bewältigen und alle ankommenden Güterwagen entleeren kann, und daß er den Ansprüchen einer Lokomotive beim unmittelbaren Bekohlen aus dem Stapel oder aus einem Güterwagen gerecht wird. Kommen mehrere Lokomotiven gleichzeitig zur Bekohlungsanlage, so fährt eine unter den Kran, die anderen an die Hochbehälter; sie halten sich gegenseitig nicht auf. Solange der Greifer nicht durch Bekohlen in Anspruch genommen ist, werden mit ihm die Hochbehälter gefüllt und die Güterwagen entladen. Tenderlokomotiven können von den Hochbehältern aus versorgt werden, während sie in Mannheim wie früher von Hand zu bekohlen sind, da der Greifer nicht unmittelbar in die schmalen Kohlenkasten entleert werden kann und das Krangerüst zum Zwischenschalten einer passenden Rutsche oder eines Trichters nicht hoch genug ist. Weitere Anlagen dieser Art wurden erbaut von den Guilleaume-Werken für den Bahnhof Frankfurt a. M. (Fig. 24), von der Gesellschaft für elektr. Industrie in Karlsruhe i. Bad. für den Bahnhof Niederschöneweide-Johannisthal, von der Maschinenbauanstalt Humboldt für die reichsländischen EisenbahnenD. p. J. 1906, 321, S. 627 und von Carl Schenck in Darmstadt für den Bahnhof Cöln – Eifeltor.Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1907, S. 292 Auf dem Bahnhof Niederschöneweide – Johannisthal sind fast ausschließlich Tenderlokomotiven zu bekohlen. Der dortige Kran besitzt deshalb als Besonderheit zwei kleine, je etwa 2½ t Kohlen fassende, im Krangerüst hängende Behälter, die je in eine röhrenförmige Rinne ausmünden (Fig. 25). Durch diese Rinnen werden die Kohlen in die schmalen Oeffnungen der Kohlenkasten gelenkt. Die Behälter dienen also eigentlich lediglich als Schüttrichter, da jedoch die Tenderlokomotiven nur etwa 1–2 t Kohlen erhalten, auch in ganz geringem Maße als Sammelbehälter. Die einzelnen Greiferfüllungen werden durch eine in die Katzenbahn eingeschaltete Wage gewogen, so daß stets bekannt ist, wieviel Kohlen im ganzen entnommen worden sind; wenn man aber nicht jede einzelne Greiferfüllung für sich durch einen Trichter in die Tenderkasten rutschen läßt, sondern aus den vollen Trichtern bekohlt, so kann man die Mengen, die die einzelnen Lokomotiven bekommen, nur schätzen. Aehnliche Anlagen wurden in neuester Zeit auch von der Mannheimer Maschinenfabrik Mohr & Federhaff ausgeführt. Außer dem fahrbaren, das Kohlenlager überspannenden Bockkran ist der neben dem Lager fahrende Drehkran mit Selbstgreifer zu erwähnen etwa nach Art der Fig. 26 und 27. Schon beim Entwurf der Bekohlungsanlage für den Bahnhof Mannheim wurde die Aufstellung eines Drehkrans in Erwägung gezogen. Wirklich in Aufnahme gekommen sind solche Anlagen neuerdings aber in Amerika. Ihre Leistungsfähigkeit hängt sehr von der Größe der erforderlichen Schwenkbewegungen ab. Ist kein Lager vorhanden und wird der Kran zwischen Lokomotive und Güterwagen aufgestellt, so hat der Greifer höchstens die Bewegung y w (Fig. 27) auszuführen oder falls der Gesamtbetrieb das jedesmalige An- und Abschieben eines Güterwagens oder das Aufstellen der Lokomotive auf dem Gleis des Drehkrans gestattet, nur die Bewegung x w. Beim Vorhandensein eines Lagers ist aber mit Bewegungen y w bis z w bezw. v y bis v z zu rechnen. Schwierigkeiten macht das Wiegen oder Messen der Kohlen sowie die vorteilhafte Aufstellung von Hochbehältern neben dem Lager. Von beschränkterem Interesse ist der Drehkran mit einer auf dem Ausleger fahrbaren Katze; einerseits besitzt er nicht die Leichtigkeit und Einfachheit des gewöhnlichen Drehkrans, andererseits kann die Katze nicht wie beim Bockkran mit einer einfachen geradlinigen Bewegung die ganze Breite der Bekohlungsstelle bestreichen. Alle diese Krananlagen haben den Vorteil, daß bei ihnen die Kohlen keine umständlichen Wege zurücklegen müssen; da auch der Greifer beim Schließen die Kohlen verhältnismäßig wenig mißhandelt, sind sie hinsichtlich deren Schonung als vorteilhaft zu bezeichnen. Tiefe Stürze sind nicht erforderlich; besonders beim unmittelbaren Verladen vom Güterwagen auf den Tender werden die Kohlen weniger mißhandelt als bei jeder anderen bekannten Art der Lokomotivbekohlung, vielleicht ausgenommen diejenige nach Art der Fig. 1. Die Greiferschaufeln müssen zwar einen Teil der größeren Stücke an der Peripherie des von ihnen umschlungenen Haufens zerschneiden; dieser Schaden ist aber nicht so groß wie z.B. derjenige beim Füllen von Körben mit der Handschaufel. Die erste Anlage in Mannheim hat auch gezeigt, daß der Greifer mit Leichtigkeit Kohlenziegel faßt. Er füllt sich zwar nicht so voll wie mit gewöhnlichen Kohlen und die Ziegel müssen vorher gehäufelt werden; ihr Verladen stellt sich aber so trotzdem um etwa 15 v. H. billiger und geht bedeutend rascher als von Hand. Daß ein Teil der Ziegel durchschnitten wird, kann demgegenüber in Kauf genommen werden. Textabbildung Bd. 323, S. 740 Fig. 26. Textabbildung Bd. 323, S. 740 Fig. 27. (Schluß folgt.)