Titel: Die Gesetze des Gleit- und Schwebefluges.
Autor: Erich Schneckenberg
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 196
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Die Gesetze des Gleit- und Schwebefluges. Nach dem Vortrage F.W. Lanchesters vor der British AssociationReport of the British Association 1908. The Engineer, No. 2751/52. Engineering, No. 2230. Vgl. auch: Lanchester, London 1908; The Aerial Flight. Voll. Aërodynamics. Vol. II. Aërodonetics; die deutsche Auflage des Werkes, bearbeitet von Prof. Dr. C. Runge-Göttingen, erscheint demnächst im Verlage von B G. Teubner-Leipzig.. Von Erich Schneckenberg. Die Gesetze des Gleit- und Schwebefluges. Die Grundlagen sind Beobachtungen des Vogelfluges, Messungen an in Luft bewegten oder angeströmten Körpern und Untersuchungen an Gleitfliegern. Textabbildung Bd. 324, S. 196 Fig. 1. Von fliegenden Vögeln hat Prof. Marey in großer Zahl kinematographische Aufnahmen gemacht und in einer Reihe von Bronzemodellen die Flügelbewegungen dargestellt. – Den Neigungswinkel gegen die Horizontale, unter dem ein Vogel beim Gleitflug niedersinkt, hat Bretonnière bei Störchen zu 10° festgestellt, entsprechend einem ungefähren Fallverhältnis 1 : 6. – Die Ausmaße der Flügelflächen und die Gewichte einer großen Zahl von Vögeln hat Mouillard bestimmt; leider hat er ihre Fluggeschwindigkeiten gegenüber der Luft nicht festgestellt. Textabbildung Bd. 324, S. 196 Fig. 2. Größe aller Versuchsflächen 930 cm2. Das Gesetz des Luftwiderstandes bei Flächen und bei Körpern verschiedener geometrischer Form ist bestimmt worden, wenn diese in ruhender Luft auf Kreisbahnen bewegt wurden (Dines, Langley); ferner auch wenn sie ruhend einem natürlichen oder künstlichen Luftstrome ausgesetzt wurden, mittels Auswägung (Turnbull, Dines, Lanchester). Die Ergebnisse beider Versuchsanordnungen stimmen gut überein. Danach ist: D=k\cdot F\cdot \gamma\cdot \frac{v^2}{g}, worin D in kg den Luftwiderstand der Fläche, rechtwinkelig zu ihr, k eine Erfahrungszahl, γ das spezifische Gewicht der Luft in kg/m3, v den Geschwindigkeitsunterschied (die Relativgeschwindigkeit) zwischen dem Versuchskörper und der Luft in m/Sek., g die Erdbeschleunigung in m/Sek.2 bezeichnet, und F den Inhalt in m2 der ganzen ebenen Fläche, auch bei schräggestellten; bei Körpern aber: des größten Querschnitts senkrecht zur Geschwindigkeitsrichtung. Für Flächen, die zur Geschwindigkeitsrichtung einen Neigungswinkel zwischen 60° und 90° haben, ist die Erfahrungszahl k unveränderlich; sind die Flächen genau oder nahezu quadratisch, so ist k = 0,66; sind sie aber lang und schmal rechteckig, so ist k = 0,78. Für kleinere Neigungswinkel dagegen wird das k dieser Formel selbstverständlich kleiner und zwar bei verschieden geformten Flächen nach verschiedenem Gesetz. Bei sehr kleinen Winkeln wird diese Beziehung allgemein wieder einfach, h nimmt ab wie der Neigungswinkel selbst, und zwar bei quadratischen Flächen innerhalb des Bereichs von 30° bis 0°; bei länglichen aber erst von 20° und von 10° ab bis 0°. Die Aenderung von k in Abhängigkeit vom Neigungswinkel ist dargestellt in Fig. 1 für quadratische ebene Flächen nach den von einander unabhängigen Beobachtungen von Langley, Duchemin und Dines; für gleichgroße ebene Flächen verschiedener Form und Vorderkantenlänge gibt Fig. 2 die Aenderung von h an, nach Langley. Sind die Flächen mit langer Vorderkante aber gewölbt, so ist ihr Widerstand, wie zuerst Lilienthal feststellte, bei den kleinen Einfallswinkeln noch ganz bedeutend größer. Unter Einfallswinkel sei verstanden der Winkel der Sehne zur Bewegungsrichtung. Ist der Wert hierfür um 8° herum, so ist der Widerstand bei einer Wölbung mit der Pfeilhöhe 1/12 der Sehne ungefähr etwa viermal so groß wie bei einer ebenen quadratischen Fläche. Die grundlegenden Untersuchungen mit Gleitfliegern werden aus Rücksicht auf die Kosten und Gefahren und auf die zur Begründung der Theorie notwendigen vielseitigen Abänderungen ausgeführt am besten mit unbemannten Gleitfliegermodellen von etwa 2 m Länge (Penaud, Mouillard, Langley). Man kann mit ihnen sehr wohl die Stabilität untersuchen, die theoretisch abgeleiteten Gleichungen prüfen und auch angenähert die Gesetze der Stützung bestimmen. Freifliegversuche mit ganz einfach gebauten Gleitfliegermodellen gaben Lanchester mehrfach allgemeine Aufschlüsse über wichtige aerodynamische Fragen, besonders über die Stabilität. Derartige Versuche Lanchesters gehen zurück bis zum Jahre 1894. Ihre ersten Hauptergebnisse waren: 1. Die Stabilität kann selbsttätig bewirkt werden, ohne Anwendung irgendeiner Ausgleich Vorrichtung. 2. Jeder stabil entworfene Gleitflieger hat eine bestimmte, natürliche Geschwindigkeit und einen bestimmten Gleitwinkel, auf den er sich selbsttätig einstellt. 3. Bei einem stabilen Gleitflieger ist die Flugbahn, wenn einmal gestört, wellenförmig und die Wellen haben das Bestreben abzunehmen, bis der stetige Zustand gleichförmigen Abwärtsgleitens erreicht ist. 4. Um Stabilität gegenüber einer gewissen Windschwankung zu erhalten, ist nur eine genügend große Flieggeschwindigkeit erforderlich. Je größer die Flieggeschwindigkeit ist, um so größer kann die Windschwankung sein, die mit Sicherheit überwunden wird. Unter der Voraussetzung, daß der Gleitflieger klein ist gegenüber der Kurve der Flugbahn, und horizontal quer zu seiner Fliegrichtung kein Trägheitsmoment besitzt, sowie ferner, daß kein Widerstand beim Fliegen auftritt, oder was dasselbe ist, daß der Widerstand mit einer gleich großen entgegengesetzten Antriebskraft im Gleichgewicht ist, entwickelt Lanchester den Ausdruck für die Flugbahn eines Gleitfliegers in der Form: \mbox{cos}\,\Theta=\left(\frac{H}{3\,H_n}+\frac{O}{\sqrt{H}}\right). Hierin bedeutet: Θ den jeweiligen Neigungswinkel der Flugbahn gegen die Horinzontale, H die jeweilige Geschwindigkeitshöhe des Gleitfliegers, Hn die Geschwindigkeitshöhe der natürlichen Geschwindigkeit des Gleitfliegers und C eine Konstante für die Amplitude der Flugbahnwellen. Diese Gleichung ergibt Flugbahnen wie Fig. 3 mit Ueberschleifung, wie Fig. 4 mit einer Spitze, wie Fig. 5 mit Wendepunkten; und schließlich auch die geradlinige Flugbahn. Die Zeit der Flugbahnschwingung ist konstant für die Kurven mit Wendepunkt. Bei Kurven, die sich dem besonderen Fall der geradlinigen Flugbahn nähern, ist die Zeit einer Schwingung gleich der vollen Periode des mathematischen Pendels von der Länge der Geschwindigkeitshöhe \frac{v^2}{2\,g}, worin v die Flieggeschwindigkeit bedeutet. Bezeichnet L die Länge einer ganzen Bahnschwingung, vn die natürliche Geschwindigkeit des Gleitfliegers, H_n=\frac{v_n^2}{2\,g} die zugehörige Geschwindigkeitshöhe und t die Zeit einer ganzen Flugbahnschwingung, so gelten nach Lanchester folgende Beziehungen: L = 2√2 . π . Hn = 8,88 Hn und t=\sqrt2\cdot \pi\cdot \frac{v_n}{g} vn = ∾ 2√Hn. Nach den Voraussetzungen dieser Untersuchung wird die Amplitude der wellenförmigen Flugbahn konstant sein; also wenn der Gleitflieger auf einer gegebenen Flugbahn abgelassen wird, durchläuft er im folgenden eine Reihe gleichartiger Bahnen, ohne Aenderung der Amplitude. Sind nun aber in Wirklichkeit Bewegungswiderstände vorhanden, die proportional v2 seien, und ist am Gleitflieger eine konstante Antriebskraft vorhanden wie etwa die Komponente der Schwere, so bleibt die Amplitude nicht konstant, sondern wird von Schwingung zu Schwingung kleiner und die Flugbahn geht allmählich in die gerade Linie über. Ist andererseits ein Trägheitsmoment um eine horizontale Achse durch den Schwerpunkt quer zur Fliegrichtung vorhanden, so bewirkt dieses das Entgegengesetzte, nämlich eine Vergrößerung der Amplitude der Flugbahn; es verringert die Stabilität. Die Untersuchung zeigt, daß diese beiden Wirkungen einander aufheben können. Die Bedingung für stabile Flugbahn ist, daß der Widerstand den größern Einfluß von beiden ausübt und die Amplitude sich zu verkleinern strebt. Kennzeichen hierfür ist nach Lanchesters Untersuchung die Gleichung: \Phi=\frac{4l\cdot H_n^2\cdot \mbox{tg}\,\delta}{J\cdot \left(\frac{1}{R}+\frac{g}{c\,k\,\gamma\,\varepsilon\,\alpha\,\beta}\right)} Hierin kann Φ der Stabilitätskoeffizient genannt werden. Er muß nach Lanchesters Untersuchungen wenigstens größer sein als 1. Hn, R, c, k, ε und β sind Konstruktionskonstanten der Fliegmaschine, γ das spezifische Gewicht der Luft, g die Erdbeschleunigung, δ der Gleitwinkel, J das Trägheitsmoment um die Schwerpunktachse quer zur Fliegrichtung; a bedeutet die Fläche, l die Länge des Schwanzes der Fliegmaschine. In dieser Formel ist nicht berücksichtigt der günstige Einfluß, den die antreibende Luftschraube infolge Kreiselwirkung im Sinne einer Festhaltung der Gleichgewichtslage ausübt. Der Stabilitätswirkungskoeffizient, berechnet nach dieser Formel, wird dann hierdurch noch in gewisser Weise um einen Sicherheitszuschlag vergrößert sein. Hiernach kann die Stabilität nicht immer durch Vergrößerung der Schwanzlänge oder -fläche gesichert werden. Das kommt daher, daß hierbei ja auch immer das Trägheitsmoment größer wird. Dadurch wird die größere Wirksamkeit des Schwanzes wieder aufgehoben, und der Stabilitätskoeffizient in Wirklichkeit oft verringert, anstatt vergrößert. Dann kann die Stabilität nur durch Vergrößerung der Flieggeschwindigkeit wieder hergestellt werden. Textabbildung Bd. 324, S. 197 Fig. 3. Textabbildung Bd. 324, S. 197 Fig. 4. Textabbildung Bd. 324, S. 197 Fig. 5. Die Beziehung zwischen dem Gewicht der Fliegmaschine und der geringsten Geschwindigkeit, bei der stabiler Flug möglich ist, kann durch eine Gleichung ausgedrückt werden; aber die Konstante dieser Gleichung hängt von gewissen Konstruktionsverhältnissen der betreffenden Fliegmaschine ab. Es wurde hierfür empirisch aus Modellversuchen und sorgfältig vorbereiteten Entwürfen von wirklichen Fliegmaschinen festgestellt: v6 ≧ 900 . Q. Hierin ist v die Flieggeschwindigkeit in m/Sek. und Q das Gewicht der Fliegmaschine in kg. Nach der angeführten Theorie wurde von Lanchester die Stabilität fliegender Vögel geprüft und als sicher befunden. Die Untersuchung des Lilienthalschen Gleitfliegers ergab dagegen, daß der Stabilitätskoeffizient bedeutend kleiner war als 1. Besonders wichtig für den Fliegmaschinenbau ist, daß Froudes Uebertragungsregeln auch hier anwendbar sind, wonach sich die Geschwindigkeiten und die Verlaufszeiten entsprechender Vorgänge verhalten wie die Wurzeln aus den linearen Abmessungen des Modells und des Originals; und die am Modell und Original wirkenden Kräfte wie die dritten Potenzen der Längen. Durch Modellversuche kann also ein Entwurf geprüft werden, vordem die große Maschine in Bau genommen wird. Die Grundlagen der Theorie des Arbeitsaufwandes zum Fliegen sind die beiden schon genannten, durch Versuche festgelegten Gesetze, daß 1. der Widerstand einer Fläche sich ändert wie das Quadrat der Flieggeschwindigkeit, und 2. wie der Winkel selbst, unter dem sie gegen die Geschwindigkeitsrichtung geneigt ist; denn größere Winkel kommen ja für das Fliegen nicht in betracht. Allein aus diesen zwei Gesetzen folgt sehr viel Wichtiges. Es sei ein gegebenes Gewicht Q von einer ebenen Gleitfliegerfläche zu tragen, indem diese, unter einem kleinen Winkel gegen die Flugbahn geneigt, sich bewegt. Es ist hierfür leicht analytisch zu beweisen, daß 3. der aerodynamische Widerstand sich umgekehrt verändern muß wie das Quadrat der Geschwindigkeit, oder daß die aerodynamisch zum Tragen aufgewandte Arbeit sich umgekehrt wie die Flieggeschwindigkeit verändern muß. Nun ist der Oberflächenreibungs- und anderer direkter Widerstand ungefähr proportional v2. Hiernach folgt natürlicherweise, daß 5. der Gesamtwiderstand beim Fliegen am kleinsten ist, wenn der aerodynamische Widerstand und die Summe der direkten Widerstände einander gleich sind. Weiter wurde nachgewiesen, daß 6. das Fliegen mit einem gegebenen Energievorrat am längsten ausgehalten wird, wenn der von der aerodynamischen Stützung herrührende Widerstand dreimal so groß ist wie die Summe der direkten Widerstände, und 7. daß die Geschwindigkeit für größte Reichweite gleich ist der vierten Wurzel aus dem Dreifachen der Geschwindigkeit für den geringsten Arbeitsverbrauch. 8. Unter Vernachlässigung des Körperwiderstandes bei Gleitfliegern und Fliegapparaten, die für geringsten Widerstand entworfen sind, ist der Widerstand konstant für alle Flieggeschwindigkeiten. Mit anderen Worten: der Gleitwinkel ist konstant; oder der Arbeitsaufwand ist direkt proportional v. Ist aber Körperwiderstand vorhanden, so besteht eben der Widerstand aus zwei Teilen, einem proportional v2 und einem konstanten. 9. Nach Satz 5 und 6 gibt es günstigste Werte für den Neigungswinkel der Gleitfliegerfläche zur Fluglinie und für die Bezeichnung \frac{Q}{v^2}, welche der Bedingung geringsten Widerstandes entsprechen. Diese theoretischen Entwicklungen wurden durch Versuche vollständig bestätigt. Diese Gesetze galten zunächst nur bei ebenen Gleitfliegerflächen; Lanchester weist aber aus theoretischen Ueberlegungen heraus nach, daß sie auch bei gewölbten Tragflächen gültig sein müssen. Er begründet dies nach der Wirbeltheorie: Er erinnert an den bekannten Wirbelring, die Rauchringe, deren Kern aus rasch rotierendem Rauch besteht. Die ganze Bewegungserscheinung sei nicht etwa in den sichtbaren Ring eingeschlossen, sondern der ganze umgebende Raum nimmt daran teil und ist Sitz der Wirbelbewegung. Wäre der Ring nicht mit Rauch erfüllt, so wäre der Vorgang derselbe, nur unsichtbar. Bedingung für diese Wirbelbewegung ist. daß der umgebende Raum zweifach oder mehrfach zusammenhängend ist; bei dem Rauchring ist er zweifach zusammenhängend. Zwischen irgend zwei Punkten im Raum gibt es zwei ganz getrennte Verbindungswege. Der eine geht durch den Ring hindurch, der andere außen herum; diese beiden können niemals zum Zusammenfallen gebracht werden. In dieser Art ist nun der Raum um die Gleitfliegerflächen herum zwar nicht zweifach zusammenhängend, aber die Bedingung ist um so besser angenähert, je größer die Flügelspannweite ist. Die Ränder erzeugen einen Wirbel und dieser verschwindet nicht sofort wieder, sondern bleibt eine Wegstrecke lang bestehen. Er entspricht einem Teile des erwähnten Wirbelringes; die nachkommende Tragfläche wird durch die Wirbelbewegung gestützt. Durch Ausdehnung dieser Betrachtungen zu einer Theorie gelangt Lanchester zu dem Schluß, daß die obengenannten Gesetze nicht nur bei ebenen Tragflächen, sondern auch bei flügelartig gewölbten gültig sein müssen. Nach dieser Theorie ist es auch einzusehen, weshalb das Verhältnis der Spannweite zur Flügelbreite bei den Vögeln so beträchtlich groß ist, besonders bei der Schwalbe, der Seemöve und vor allen Dingen bei dem Wandervogel Albatroß, wo es häufig 13 : 1 beträgt. Es ist eben die Bedingung für die Wirbelbewegung, der zweifache Zusammenhang des Luftraumes, um so besser angenähert erreicht, je größer die Spannweite ist. Die Tragflächenbreite kann dagegen so weit verringert werden, bis eben noch nicht Diskontinuität in der Strömung eintritt. Lanchester ging mit dem Verhältnis Tragflächenspannweite zur Breite noch über 13,3 : 1 hinaus, und zwar mit bestem Erfolg hinsichtlich der Flächenausnützung. Die gekennzeichnete Theorie erklärt auch ganz und gar die Vorteile bogenförmigen Flügelquerschnitts und einer herabtauchenden Vorderkante, wie sie auch bei Gleitfliegerflächen schon angewandt ist (Phillips, Lilienthal usw.). Viele der großen Vögel haben die Fähigkeit, beträchtlich und in einigen Fällen fast unbegrenzt lange in der Luft zu bleiben, ohne die ausgebreiteten Flügel zu bewegen, also ohne sichtbare Arbeitsausgabe: sie schweben. Die Bedingungen für die Möglichkeit zu schweben sind nach Lord Rayleigh die, daß der Wind entweder nicht horizontal weht, oder nicht gleichförmig. Hiernach sind zwei verschiedene Arten des Schwebens möglich. Es ist klar, daß bei einem Luftstrom, der schneller aufsteigt als der Vogel beim Gleiten sinkt, der Vogel in der Aufwärtsströmung gleiten kann, ohne an Höhe zu verlieren; also zu schweben. Solche aufwärts gerichteten Strömungen gibt es entweder infolge unmittelbarer Erwärmung der Luft, wie etwa die Luft in den Tropen, oder als Folge eines Strömungshindernisses für den Wind, etwa eines Felsabhanges, und dergleichen. Die Art zu schweben infolge von Windschwankungen, also ungleichförmigen Windes, ist weniger einfach und verlangt zur Erklärung schwierige aerodynamische Betrachtungen. Vergleichen läßt sie sich aber mit einer einfachen Anordnung, bei der allerdings die Reihenfolge der Vorgänge die umgekehrte ist. Man denke sich eine kreisrunde schwere Walze auf einer starren Bahn, deren Profil aus zwei aufeinanderfolgenden ungleich hohen Wellenlinien besteht. Ruht die Walze anfangs auf dem niedrigen Wellenberg auf, so kann man sie, ohne sie zu berühren, dazu bringen, durch das Wellental hindurch auf den folgenden höheren Wellenberg hinüberzurollen, wenn man die Bahn in bestimmter Weise rasch hin und zurück bewegt. So wie hier durch Aenderung der Größe des Normaldruckes zwischen Walze und Bahn erreicht wird, daß die Walze entgegen dem Gesetz der Schwere gehoben wird, so kann ähnlich durch Aenderung des Winddruckes auf die Flügelflächen infolge der Windschwankungen der Vogel sich schwebend auf derselben Hohe halten. Die Weglinie der Walze im Raum ist dabei von anderer Form als das Profil der Bahn. Oben wurde bereits gezeigt, welches die Flügelbahn einer Gleitfliegervorrichtung ist. Der lebendige Vogel kann die Form dieser theoretischen Bahn abändern und beim dynamischen Schweben paßt er die Form der Bahn den auftretenden Windschwankungen so an, daß er sich dieselben zunutze macht. Auf Grund streng theoretischer Untersuchungen gelangte nun Lanchester zu folgenden Schlüssen: 10. Die Möglichkeit zu schweben hängt ab vom Verhältnis der Geschwindigkeit vw der Windschwankung zur Flieggeschwindigkeit v. Diese Bedingung ist: vw/v > 2S. Hierin bedeutet δ den Gleitwinkel des Vogels, in Bogenmaß ausgedrückt. 11. Bei dieser Bedingung werden nur 50% der Wirbelenergie des berührten Windes ausgenützt. 12. Denkt man sich, ein Koordinatensystem bewege sich mit der mittleren Flieggeschwindigkeit des Vogels durch den Raum, so beschreibt der Vogel hierin beim Schweben eine Ellipse, deren große Halbachse nach oben gerichtet ist und gegen die Lotrechte um einen Winkel rückwärts geneigt ist, der angenähert gleich ist dem Gleitwinkel. Diese Schlußfolgerungen stehen mit Beobachtung und Erfahrung im Einklang. Nach Satz 8 ist der Gleitwinkel konstant für einen Fliegapparat, der so gebaut ist, daß sein Körperwiderstand vernachlässigt werden kann. Dieser Satz ist von größter Bedeutung für den Bau von Fliegermaschinen. Er besagt genauer: Angenommen, man entwirft eine Reihe von Gleitfliegern mit so geringem Körperwiderstand, daß er vernachlässigt werden kann und man verändert die Größe der Tragflächen, oder die Flügelspannweite, und die Flieggeschwindigkeit so, daß für seine festgestellte Geschwindigkeit jeder der Gleitflieger den kleinsten Wert des Gleitwinkels hat, so werden, vorausgesetzt, daß die Tragflächen alle dieselben Längen- und Breitenverhältnisse haben, die Gleitwinkel alle dieselben sein. Somit kann der Gleitwinkel nicht verkleinert werden durch Veränderung der Geschwindigkeit, wohl aber durch Anwenden eines anderen Längen- und Breitenverhältnisses der Tragflächen, nämlich Vergrößerung der Spannweite. Ist Körperwiderstand vorhanden, wie es ja immer der Fall sein wird, so ist der Gleitwinkel größer, um einen Betrag, der leicht zu berechnen ist, denn man weiß, der hinzugekommene Widerstand ist proportional v2. Beim Bau einer Fliegmaschine wird man den Gleitwinkel zunächst schätzungsweise annehmen und dann durch Modellversuche prüfen und verbessern. Hieraus und mit dem Gewicht der Fliegmaschine erhält man die notwendige Antriebsschubkraft und, nach Annahme der Flieggeschwindigkeit, die Schubpferdestärken. Im allgemeinen liegt bei gut konstruierten Fliegmaschinen der Gleitwinkel zwischen 0,2 und 0,125 in Bogenmaß, entsprechend einem Fallverhältnis 1 : 5 und 1 : 8. Vielleicht könnte bei Ausführungen in noch größerem Maßstabe ein noch kleinerer Gleitwinkel erreicht werden, weil dabei der Koeffizient der Oberflächenreibung- abzunehmen scheint. Anderseits aber wächst dabei der Widerstand infolge von Streben und Seilen. Der Wirkungsgrad einer gut entworfenen Schraube und Transmission ist meist größer als 0,65 und 0,7. Hiernach kann dann die erforderliche effektive Motorleistung für horizontalen Flug berechnet werden, und mit einem Zuschlag, um die Maschine in Stand zu setzen, in die Höhe zu steigen, wird die tatsächlich erforderliche Motorgröße festgesetzt. Kann diese mit dem verfügbaren Gewicht beschafft werden, so ist dieser Teil des Entwurfs erledigt. Ist aber das Motorgewicht größer, so bleibt nichts weiter übrig, als die Flieggeschwindigkeit zu verkleinern. Weiter ist dann die passende Größe der Tragflächen zu bestimmen, d.h. dasjenige Segelareal, das dem kleinsten Widerstände entspricht. Dann folgt die Stabilitätsuntersuchung mit Hilfe der oben angeführten Gleichung. Dabei sollte der Stabilitätskoeffizient möglichst nicht kleiner als zwei gemacht werden. Findet man, daß dieser Wert nicht zu erreichen ist, weil, wie bereits oben erwähnt, Vergrößerung der Schwanzlänge und -Fläche ebenfalls das Trägheitsmoment vermehrt, so wird man versuchen müssen, ob das Trägheitsmoment der Fliegmaschine nicht durch andere Anordnung von Motor, Schraube usw. verringern läßt. Andernfalls bleibt als einziger Ausweg der, die natürliche Geschwindigkeit zu vergrößern. Wenn die Geschwindigkeit schon aus Rücksicht auf die Pferdestärkenzahl begrenzt ist, was heute gewöhnlich der Fall ist, so kann eben die Geschwindigkeit nicht vergrößert werden und die beabsichtigte Konstruktion ist nicht ausführbar. Um zu vermeiden, daß man zuerst einen unmöglichen Entwurf anfängt, kann man prüfen, ob das Gewicht und die Geschwindigkeit der oben aufgeführten Gleichung zusammenpassen. Das größte Gewicht der Fliegmaschine, wenn sie selbsttätig stabil sein soll, ist begrenzt und die Grenze kann nur hinausgeschoben werden durch Hinzufügen einer ergänzenden Ausgleichvorrichtung. Verbesserung des Antriebmotors durch Verkleinerung seines Gewichts bei Zulassung höherer Tourenzahl machen es möglich, größere Fliegmaschinen zu bauen. Heute ist die Grenze hierfür ungefähr bei 2000 bis 3000 kg.