Titel: Neuerungen in der Ziegelindustrie.
Autor: Gustav Benfey
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 217
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Neuerungen in der Ziegelindustrie. Von Gustav Benfey, Lauban. (Schluß von S. 202 d. Bd.) Neuerungen in der Ziegelindustrie. Das Abschneiden der Dachziegel, besonders der Biberschwänze und der Falzziegel nach ihrer Formgebung auf der Strangpresse geschah bisher in der Weise, daß von dem mit der Ansichtsfläche nach unten austretenden Strang der dadurch oben befindliche Nasenwulst, soweit erforderlich, von oben aus abgetrennt wurde, während die eigentliche Vorrichtung zum Abschneiden des Stranges, wie zur gleichzeitigen Herstellung von Segment-, Halbkreis- und Spitzformen, die für das untere Ende derartiger Dachziegel besonders gefordert werden, von unten geschah. Eine Folge dieses Verfahrens war, daß die Ansichtsfläche bei der eigentlichen Formgebung nicht sichtbar war, daß ferner die abgeschnittenen Formlinge am Ende der Rollbahn des Abschneidetisches umgeklappt werden mußten, um die Ansichtsfläche nach oben auf das Trockenrähmchen zu bringen. Die bei dieser Herstellungsweise sich ergebenden Nachteile sind leicht erkennbar. Die Schaufläche des Dachziegels war dem Auge des dem Abschneidetisch bedienenden Arbeiters entzogen, die weiche, plastische Masse wurde durch jede Ungenauigkeit und Unreinigkeit der Tragrollen stark beeinflußt und geschädigt, ebenso beim gewaltsamen Umklappen des Formlings. Sollte ferner jene Schauseite mit einer Färbemasse (Engobe) oder Schutzmasse gegen das Austreten von Salzen versehen werden, so konnte dies erst später und dementsprechene mit erhöhten Kosten geschehen. Der mit Erfolg eingeführte Abschneideapparat von Leonhard Gnad in Waiblingen beseitigte diese Schwierigkeiten. Fig. 12 zeigt das Rollbett, welches nach vorn zu schräg nach unten abläuft, um den Formung, welcher die Nase nach unten über das Rollbett getrieben wird, leichter und handlicher auf das Trockenrähmchen gleiten zu lassen. Das Herrichten der Nase bzw. das Abtrennen des Nasenwulstes findet von unten statt, während der Geradeschnitt der Nasenseite an der Ablaufseite und gleichzeitig das Schneiden in gewünschter Endform durch eingestellte Schablonen an der entgegengesetzten Seite des Tisches erfolgt. Einen gewaltigen Umschwung in der Ziegelindustrie wird die erhöhte Einführung zweier Ofensysteme bedeuten, die teilweise schon große Erfolge erzielt haben. Zunächst die verkürzten Ringofen mit Ventilatorbetrieb, wie er von Jacob Bührer in Konstanz erbaut wird. Der verkürzte Ringofen, auch Zickzackofen genannt, ist in meiner ersten Arbeit in dieser Zeischrift schon behandelt worden, (s. 1907, S. 550.) In derartigen Ofen bewirkt Bührer den Zug nicht durch einen Schornstein, sondern durch einen Ventilator. Die großen Vorteile desselben sind so in die Augen fallend, daß man es kaum begreifen kann, wenn er heute noch so wenig Anhänger und so viele Gegner findet. Diese Vorteile sind zunächst die vollkommen gleichmäßig einzustellende und arbeitende Zugwirkung, die durch keine äußeren Witterungseinflüsse geändert werden kann, ferner die äußerste Ausnutzung der Wärme, die im Ofenbetriebe entwickelt werden muß. Diese Wärme braucht einerseits nicht dazu verwendet werden, den Schornstein warm zu halten, um den Zug desselben zu befördern, anderseits kann sie mittels des Ventilators genau dorthin und in genau gleichen Wärmegraden geschafft werden, wo sie gebraucht wird. Nun haben wir ja selbst in den äußerst sparsamen Ringöfenbetrieben immer noch eine große Menge überschüssiger Wärme, um so größer je gründlicher ausgetrocknet und vorgewärmt die Formlinge in die Ofenkammern eingesetzt werden. Sind die Formlinge so in, bestmöglichster Weise für den Ofenbetrieb vorbereitet, so kann letzterer wieder wesentlich rascher, durch keinen Schmauch- und Austrocknungsbetrieb aufgehalten, vor sich gehen, und die bis jetzt dazu verwendete Wärme kann anderweitig, zunächst zum Trocknen der frischen Formlinge, verwendet werden. In weiterer Folge wohl auch noch zur Heizung der Gebäude im Winter. Durch diese äußerste Ausnutzung der Brennmaterialien und Zeit, wie sie eben nur der richtig eingestellte Ventilatorbetrieb gestattet, hat Bührer es heute fertiggebracht, die Leistungen seiner Anlagen um mehr als 100% gegen andere gleichartige Anlagen zu erhöhen, eine Erhöhung, die eine wesentliche Erniedrigung der Unkosten für die hergestellte Ware bedeutet. Bei der Wichtigkeit dieses Ventilatorbetriebes für die gesamte Ziegelindustrie seien auch kurz die Gründe dargelegt, welche die Gegner dagegen vorbringen. Zunächst weisen sie auf die schweren Folgen hin, die ein Versagen des Ventilators auf den Ofenbetrieb üben wurde. Nun braucht man wohl bei dem heutigen Stande der Maschinentechnik mit einem derartigen Versagen kaum rechnen und selbst die Kosten eines für derartige Vorkommnisse errichteten kleinen Schornsteins spielen den großen oben geschilderten Vorteilen des Ventilatorbetriebes gegenüber eine äußerst geringe Rolle. Ebenso die Extrakosten des Antriebes der Ventilatoren. Eine einfache Rechnung von Fall zu Fall wird das leicht nachweisen können. Begründeter scheint vielleicht jener Einwand, daß nur wenige Tongemenge jene beschleunigte Prozesse des Trocknens und Brennens aushalten können, wie es der Bührerofen mit sich bringt. Dieser Einwand scheint unbegründet, denn erstens ist der Betrieb in dem Bührerofen leicht auf die Eigenart jedes Tongemenges einzustellen, dann aber, und das scheint mir das Wichtigste, kann jedes Tongemenge schneller durch Trocknerei und Ofen ungeschädigt hindurchgehen, wenn weit erhöhte Aufmerksamkeit auf Aufbereitung und Formgebung gerichtet würde. Gerade hierin wird aber in unseren meisten Betrieben noch recht schwer gesündigt. Textabbildung Bd. 324, S. 217 Fig. 12. Abschneideapparat von Gnad. Ebenfalls auf möglichste Beschleunigung des Betriebes, wie möglichste Ersparung der Kosten zielen diejenigen Bestrebungen hin, die sich mühen, den Tunnelofen in der Ziegelindustrie einzuführen. Der wesentliche Vorteil des Tunnelofens ist, daß die eigentliche Wärme stets an derselben Stelle entwickelt wird und stets genau gleichmäßig. Textabbildung Bd. 324, S. 218 Fig. 13. Tunnelofen der Keram. Tunnelofenbau-Gesellschaft. (Einführung eines Wagens in den Ofen.) Die Feuerstelle ist also nicht, wie beim Ringofen, beweglich, während die eingesetzte Ware festliegt, sondern die Feuerstelle bleibt in derselben Lage, während die Ware auf Wagen durch die von der Höchstwärme beeinflußte Zone bewegt wird und dabei den mit Garbrand bezeichneten Festigkeitsgrad erlangt. Das Mauerwerk bleibt dadurch an jener Stelle stets in gleicher Temperatur, es kühlt nicht, wie bei anderen Oefen, in gleichmäßiger Folge ab und wird wieder angewärmt, wodurch eine wesentliche Kohlenersparnis erzielt wird. Ferner ist die Beschickung eines derartigen Ofens seitens der Heizer eine vollkommen gleichmäßige, sie brauchen sich bei richtiger Einstellung des Betriebes im Ofen gar nicht um die zu brennende Ware zu bekümmern, und die Temperatur kann in ihrer Höhe und in ihren Schwankungen leicht und handlich stets von einer Stelle aus in gleichmäßiger Folge kontrolliert werden. Ebenso kann das Einsetzen der Ware, wie das Aussetzen, das nicht in dunklen Ofenkammern, sondern in voller Tagesbeleuchtung geschieht, leicht kontrolliert werden, was innerhalb anderer Oefen nur bei der letzten Schicht des Einsatzes geschehen kann. Der Tunnelofen ist in unserer Industrie keine neue Erfindung, im Gegenteil, er ist älter als der Ringofen, zunächst aber von ihm überholt und in den Schatten gestellt, und erst in neuerer Zeit wieder beachtet. Hier war es zunächst der Ziegelei-Ingenieur Otto Bock, der ihn mit Energie den Anforderungen der Ziegelei-Industrie anzupassen versuchte durch Versuche, die in neuester Zeit von der Firma Möller & Pfeifer mit Erfolg wieder aufgenommen wurden; wenn sie mit ihrem Tunnelofen nicht durchdrangen, so geschah das wieder aus dem sehr beklagenswerten Grunde, weil in den Betrieben unserer Industrie noch ein großer Mangel an wirklichen Fachleuten ist, die besonders bei Neuanlagen die Verarbeitungsmöglichkeit der vorliegenden Tone richtig anerkennen und anzuwenden verstehen. Textabbildung Bd. 324, S. 218 Fig. 14. Tunnelofen der Keram. Tunnelofenbau-Gesellschaft. (Blick auf die Feuerungen.) In neuster Zeit lenkt der Tunnelofen der Keramischen Tunnelofenbau-Gesellschaft zu Saarau die weiteste Aufmerksamkeit auf sich, da ersieh zunächst in der Porzellanherstellung vorzüglich bewährt und jetzt auch für die feuerfeste und die spezielle Dachziegelindustrie nutzbar gemacht werden soll. Dieser Ofen verdankt seine erste Ausbildung- dem Franzosen Faugeron in Montereau, wo er zum Brennen von Steingut verwendet wird. Direktor Faist verpflanzte ihn auf die von ihm geleitete Porzellanfabrik der Firma Tielsch in Altwasser (Schlesien), wo er zum Verbrennen von Porzellan, zum Verglühen sich allerdings nach schwerer Mühe so vorzüglich bewährte, daß man sich entschloß, daneben noch einen zweiten Ofen mit verschiedenen Verbesserungen zum Glattbrennen des Porzellans bei wesentlich erhöhter Temperatur zu bauen. Auch dieser Tunnelofen, auf dessen Bau und Betrieb wir näher eingehen wollen, hat sich in jeder Beziehung bewährt. Der Ofen (Fig. 13 bis 15) hat eine Länge von 60 m, sein Brennraum bildet einen Kanal, den das Brenngut auf Wagen durchgleitet. Fig. 13. zeigt die Eingangsöffnung, vor ihm steht ein mit Kapselnbesetzter, zum Einfahren bereiter Wagen. Weiter rechts ein leerer Wagen, dazu bestimmt, die Bewegung für den ganzen Wagenzug aufzunehmen und weiterzugeben, wie auch den Raum in der Schleuse auszufüllen, d.h. den Platz zwischen den beiden Schiebern, die wir oberhalb des Ofeneinganges sehen. Während ein neuer Wagen eingeschoben wird, wie das Bild darstellt, wird der linke Schieber geschlossen, um so den Tunneleingang gegen Eintrittkalter Luft zu schützen. Befindet sich der neue Wagen in der Schleuse, so wird der linke Schieber geöffnet, der rechte Schieber dagegen so weit geschlossen, bis er fest auf der Plattform des Wagens aufstößt. Dann wird mittels Antriebs einer Kette, auf der eine Knagge angebracht ist, die gegen die Achse dieses leeren Wagens drückt, dieser Wagen in den Ofen und gleichzeitig der ganze Wagenzug je eine Wagenlänge oder 1½ m weitergeschoben. Das geschieht etwa je 1½ Stunde. Fig. 14 zeigt den mittleren Teil des Ofens mit den beiden Feuerungen, die sich an beiden Längsseiten des Ofens befinden. Vorn rechts auf diesem Bilde sehen wir ein eisernes Gerüst, das als Schablone beim Besetzen des Wagens dient. Fig. 15 zeigt die Austrittsmündung des Ofens mit der fertiggebrannten Ware. Gleichzeitig das genaue Bild eines Wagens. Auf dem eisernen Unterbau desselben ruht eine schwere Platte aus bestem feuerfesten Material, dazu bestimmt, die starke Glut des Ofeninneren von dem Unterbau abzuhalten. Die einzelnen Wagen schließen zwar dicht aneinander, doch sind die engen Zwischenräume noch durch Asbestwulste nachgedichtet. Auf der Chamotteplatte sind die Träger für die Kapseln, eigentümlich gestaltete Chamotteformstücke, gestellt. Die freigelassenen Räume zwischen ihnen sollen die Glut gleichmäßig unter und von dort aus zwischen die Kapseln verteilen. Aehnlichem Zwecke dient auch das segmentartige Formstück, welches quer zur Ofenrichtung auf den Kapseln ruht. Es soll den Ofenzug verhindern, am Gewölbe entlang zu streichen und ihn damit zwingen, in die Ware hineinzudringen und sie zu durchziehen. Textabbildung Bd. 324, S. 219 Fig. 15. Tunnelofen der Keram. Tunnelofenbau-Gesellschaft. (Ziehen eines fertig gebrannten Wagens.) Der Herstellung von Wand- und Fußboden -platten, wie ich sie in meiner vorigen Arbeit schilderte, schließt sich in handlicher Weise die Sortierungsvorrichtung für keramische Gegenstände an, wie sie C. Harzer in Friedland i. Meckl. unter D.R.P. 186681 geschützt ist. Sie ist zwar zunächst nur für jene Platten angewendet, eignet sich aber auch für jede Sortierung keramischer Erzeugnisse der Großbetriebe. Der Hauptgedanke dieser Sortiervorrichtung ist nach den Ausführungen des Erfinders, daß auf einem untergeteilten Bande oder einer Gruppe endloser Bänder die Ware erst nach dem einen Sortiergesichtspunkte sortiert wird. Beispielsweise kommen viereckige Fliesen zum Sortieren. Die Chamottekapseln werden auf dem einen, mit Aufsatzflächen versehenen Ende der Vorrichtung abgesetzt und unmittelbar aus den Kapseln in I., II. u. III. Wahl und Ausschuß derart sortiert, daß jede Sorte auf einem der Längsstreifen oder Längsbänder zu liegen kommt. Ein weiter unterhalb stehender Kontrolleur prüft mit geübtem Blick und durch häufige Stichproben nach. Am Ende dieser Gruppe wird der Ausschuß abgenommen und die III. Wahl flüchtig nach dem Augenschein in hell und dunkel sortiert. Diel, und II. Wahl kommt auf gesonderte Bänder und wird je nach Bedarf in vier oder mehr Nuancen geteilt und wieder auf verschiedene Längsstreifen gelegt; auch hier prüft mit geübtem Blick in bestem und stets gleichem Lichte ein Kontrolleur nach. Am Ende dieser Bänder wird jede Sorte gekennzeichnet usw. Die Vorzüge dieser Art Arbeit sind leicht erkennbar: Leichte Kontrolle, handliches Arbeiten und große Schonung der Platten.