Titel: Beiträge zur Theorie der Heißdampfmaschine.
Autor: Carl Fred. Holmboe
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 293
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Beiträge zur Theorie der Heißdampfmaschine. Von Carl Fred. Holmboe, Ingenieur, Kristiania. Beiträge zur Theorie der Heißdampfmaschine. Die in einem Dampfzylinder nach Abschluß der Füllungsperiode eingesperrte Dampfmenge befolgt bei ihrer Expansion angenähert eine polytropische Kurve, d.h. eine Kurve unveränderlicher spezifischer Wärme, nach der Poissonschen Gleichung p . vk = unveränderlich. . . . . . . . . . . (1) Da die spezifische Wärme des Heißdampfes von der Höhe des Druckes und der absoluten Temperatur abhängig ist und diese Größen sich während der Expansion ändern, so ist auch die spezifische Wärme fast an jedem Punkte der Expansionskurve verschieden. Hieraus folgt, daß die Expansionskurve des Heißdampfes mehr oder weniger von der polytropischen Kurve verschieden sein muß. Für die Praxis ist diese Abweichung, besonders bei den Mehrfach-Expansionsmaschinen, ohne Bedeutung, wenn man den Arbeitsvorgang in jedem Zylinder für sich behandelt. Es bietet somit der gesetzmäßige Verlauf der polytropischen Kurven ein vorzügliches Hilfsmittel für die Berechnung der Maschinen. Der Exponent k ist aus obengenannten Gründen nicht konstant, sondern von der Höhe der Dampftemperatur oder bei gegebenem Drucke von der Höhe der Ueberhitzung abhängig. Da es für die Konstruktion der polytropischen Kurven von großer Bedeutung ist, über die Größe von k möglichst genau unterrichtet zu sein, so habe ich bei meinen Versuchen an Dampfmaschinen nach Möglichkeit versucht, von Fall zu Fall die Werte von k zu bestimmen, und durch Vergleich der erhaltenen Ergebnisse eine gesetzmäßige Aenderung des Expansionsexponenten als Funktion der Dampftemperatur festzustellen. Im folgenden möchte ich über einige Ergebnisse an Mehrfach-Expansionsmaschinen berichten, da diese Versuche, trotz der Abweichung in System und Aufbau der untersuchten Maschinen, sehr gute Uebereinstimmung aufweisen. Hierzu trägt noch der Umstand bei, daß sämtliche Versuche mit ∾ 11 Atm. absoluter Admissionsspannung und 80 – ∾ 85% Vakuum, also bei angenähert gleichem Anfangs- und Endzustand hinsichtlich des Druckes, durchgeführt worden sind. Es mag deshalb im folgenden nur von der Höhe der Ueberhitzung Δt = t1 – t2 gesprochen werden. In dieser Gleichung ist t1 die Temperatur des Heißdampfes in C° beim Absperrventil (Eintritt in den Zylinder), und t2 die dem Drucke an derselben Stelle entsprechende Sattdampftemperatur. Versuche: I. mit niedriger Ueberhitzung. Die Versuchsmaschine war eine Dreifach-Expansionsmaschine von 1000 PSi bei 11 Atm. absolutem Einströmungsdruck und 200 Umdrehungen in der Minute. – Der Hochdruckzylinder besitzt eingeschliffene Kolbenschieber, der Mittel- und Niederdruckzylinder entlastesten Kanalschieber. Die Hauptzylinderabmessungen sind: Zylinder HC MC NC Durchmesser 545 840 1300 mm Schädlicher Raum 14 14,5 15,5   % Hub 500 500   500 mm. Textabbildung Bd. 324, S. 293 Fig. 1. Textabbildung Bd. 324, S. 293 Fig. 2. Die Hauptergebnisse des Indikatorversuches sind in Zahlentafel I zusammengestellt. Zahlentafel I: Δt Absoluter Druck MittlereZylinder-füllungv.H. IndizierteLeistungPSi am Ab-sperrventilAtm. im Mittel währendder Ein-strömungAtm. Aus-strömungAtm. Hochdruck-zylinder 68 11,2   9,90 3,6 44 396 Mitteldruck-zylinder   22,5 3,6 1,0   46,2 303 Niederdruck-zylinder 1,0   0,25 53 276 Gesamtleistung   975 PSi Fig. 1 zeigt ein Diagramm des Hochdruckzylinders und Fig. 2 ein rankinisiertes Diagramm sämtlicher Zylinder. – Wie aus beiden Figuren ersichtlich ist, schmiegt sich die Kurve p . v1,1 = unveränderlich sehr gut an die Expansionslinien der Diagramme an. Textabbildung Bd. 324, S. 294 Fig. 3. Für das Diagramm des Niederdruckzylinders scheint jedoch die Kurve einen etwas zu großen Abfall zu haben, was ja auch zu erwarten ist, da die ganze Kurve für p . v1,1 konstruiert ist, obgleich diese Gleichung, streng genommen, nur für den ersten Teil des Hochdruckdiagrammes Gültigkeit hat. Wie aus den folgenden Diagrammen deutlich hervorgeht, ist es deshalb besonders bei höheren Admissionstemperaturen nötig, den Wert des Exponenten wenigstens einmal zu ändern, wenn man eine möglichst genaue Anpassungskurve für sämtliche Diagramme haben will. Versuche II und III mit mittlerer und hoher Ueberhitzung. Ein zweiter Versuch wurde ebenfalls mit einer Dreifach-Expansionsmaschine durchgeführt. Diese Maschine war für eine Normalleistung von 850 PSi bei 125 Umdrehungen und 11 Atm abs., sowie für eine Dampftemperatur von 320° C bemessen. Die Zylinderabmessungen sind: Durchmesser des Niederdruckzylinders 1140 mm; schädl. Raum 10% Mitteldruckzylinders   730   6,7% Hochdruckzylinders   475 10% Hub   700 Diese Dreifach-Expansionsmaschine ist vertikal angeordnet. Hoch- und Mitteldruckzylinder besitzen einschliffenen Kolbenschieber mit doppelter Einströmung, der Niederdruckzylinder entlasteten Flachschieber mit Ueberströmungskanal. Die Zahlentafel II enthält die wichtigten Ergebnisse des Versuches. Zahlentafel II: Δt Absoluter Druck MittlereZylinder-füllungv.H. IndizierteLeistungPSi am Ab-sperrventilAtm. im Mittel währendder Ein-strömungAtm. Aus-strömungAtm. Hochdruck-zylinder 127 11,1 10,9   2,9 32 302 Mitteldruck-zylinder   60   2,8 1 49 190 Niederdruck-zylinder   0,9     0,14 60 200 Gesamtleistung   692 PSi Fig. 3 zeigt ein rankinisiertes Diagramm aus drei während des Versuches genommenen Diagrammen. Wie aus dieser Figur deutlich hervorgeht, gilt die Zustandsgleichung p . v1,2 = unveränderlich nur während der Expansion von 11,2 auf 6 Atm. Im Diagramm ist jedoch dieses Gesetz beibehalten für den Hochdruckzylinder, also bis auf rund 3 Atm. Von hier aus ist die Gleichung p . v1,1 = unveränderlich zur Anwendung gekommen, und es geht aus der Figur hervor, daß diese Expansionslinie fast parallel mit den Expansionslinien der Mittel- und Niederdruckzylinder verläuft. Die Kurve p . v1,2 dagegen weicht im Verlauf von den Expansionslinien der beiden großen Zylinder erheblich ab. Zuletzt möge noch ein Versuch mit einer Zweifach-Expansionsmaschine erwähnt werden. Die Maschine ist eine Horizontalmaschine mit zwangsläufiger Ventilsteuerung, auf Hoch- und Niederdruckzylinder; die Normalleistung beträgt 150 PSi bei 150 Umdrehungen, 11 Atm. abs. Druck und einer Dampftemperatur von 350–360° C am Absperrventil gemessen. Die Zylinderabmessungen sind: Durchmesser des Hochdruckzylinders 300 mm; schädl. Raum 6,3% Niederdruckzylinders 520 6   % Hub 500 Textabbildung Bd. 324, S. 294 Fig. 4. Die Versuchsergebnisse sind in der Zahlentafel III enthalten. Zahlentafel III: Δt Absoluter Druck MittlereZylinder-füllungv.H. IndizierteLeistungPSi am Ab-sperrventilAtm. im Mittel währendder Ein-strömungAtm. Aus-strömungAtm. Hochdruck-zylinder 168 11,2 10,4 1,9 27,4 95,5 Niederdruck-zylinder   82     1,85 0,2 43,5 65,7 Gesamtleistung   161,2 PSi Die Ueberhitzung des Dampfes beim Austritt aus dem Niederdruckzylinder betrug 20° C, einer Dampftemperatur von rund 80° C entsprechend. Fig. 4 zeigt ein rankinisiertes Diagramm dieser Maschine mit der umschließenden Kurve, konstruiert für p . v1,25 = konst. von 1 bis 2 und p . v1,12 = 2 3 Es mag noch erwähnt werden, daß Herrn H. Wiegleb in seiner Mitteilung über die Versuche mit einer ∾ 550 PSi TandemmaschineZ.d.V.d. Ing. 11. Juli 1908. angibt, daß bei einer Dampftemperatur von 280° C (einer Ueberhitzung von ∾ 95° C entsprechend) an der Maschine die Gleichung p . v1,15 = konst. fast genau mit dem Verlauf der Expansionslinien der Hoch- und Niederdruckexpansionslinien übereinstimmt. Zum Vergleich gestatte ich mir, die von Herrn Wiegleb angegebenen Diagramme in Fig. 5 vorzuführen. Textabbildung Bd. 324, S. 295 Fig. 5. Die Hauptergebnisse der im Vorstehenden kurz wiedergegebenen Versuche sind in der Zahlentafel IV der Uebersichtlichkeit halber zusammengestellt. Zahlentafel IV Type derVersuchs-maschine Normal-leistungin PSi Am Absperrventil bestehende k in derGleichungp . vk =Konstant AbsoluterDruck Gesamt-Dampf-temperaturi. C° Ueber-hitzungi. C° Dreifach-Expansions-maschine 1000 11,2 251   68 1,1 Tandem-Verbund-maschine   550 11,6 280   95   1,15 Dreifach-Expansions-maschine   850 11,1 311 127 1,2 Zweikurbel-Verbund-maschine   150 11,2 352 168   1,25 Fig. 6 zeigt die gefundenen Werte von k als Funktion der Ueberhitzung. Aus der Figur ist ersichtlich, daß sämtliche Punkte der gefundenen Werte auf einer Kurve liegen, die die Abszissenachsen bei etwa 24°C schneidet. Dies sollte darauf hindeuten, daß bei einer Ueberhitzung von 24° C und weniger der Dampf während der Füllung seine Ueberhitzung vollkommen verliert, was mit der Erfahrung übereinstimmt. Textabbildung Bd. 324, S. 295 Fig. 6. Eine recht interessante Kurve erhält man, wenn man die Ueberhitzungstemperatur des ausströmenden Dampfes als Funktion derjenigen des einströmenden Dampfes aufträgt. In Fig. 7 sind diese Werte der hier erwähnten Versuche graphisch dargestellt. Die Punkte 1, 2 u. 3 gehören den von mir ausgeführten Versuchen an, der Punkt 4 ist aus dem Diagramm Fig. 5 entnommen; die Gesamttemperatur ist während der Ausströmung aus dem Hochdruckzylinder 165° C bei 2 Atm. abs. Druck, einer Ueberhitzung von 45°C entsprechend. Textabbildung Bd. 324, S. 295 Fig. 7. Der Punkt 5 entstammt den Versuchen des Herrn Prof. Gutermuth mit einer Tandem-Heißdampflokomobile, Bauarf Wolf. Die Einströmungstemperatur betrug bei 16,15 Atm. Druck 340°C, welche einer Ueberhitzung von 140° C entspricht, während die Austrittstemperatur 198°C bei 2,7 Atm. Druck ausmachte, einer Ueberhitzung von 68° C entsprechend. Bemerkenswert ist es, daß der Punkt 5 trotz des hohen Druckes fast genau in die Kurve hineinfällt, welche aus Werten entstammt, die für rund 11 Atm. Druck bestimmt sind. Die Kurve Fig. 7 schneidet die Abzisse bei etwa 40° C, was darauf hinweist, daß bei dieser Ueberhitzung der Dampf nach Beendigung der Expansion nicht mehr überhitzt ist. Mit Hilfe der beiden Kurven in Fig. 6 und 7 ist es möglich, die Kompressionskurven mit guter Annäherung zu bestimmen. Die Temperatur des aus dem Hochdruckzylinder strömenden Dampfes ist nämlich nur um ein paar Grade C höher als die im Rezieven. Man kann nun aus der Kurve Fig. 7 die Ueberhitzung des ausströmenden Dampfes und aus dieser wieder nach der Kurve Fig. 6 den zugehörigen Wert von k ermitteln. Fig. 8 zeigt die Kompressionskurve (ausgezogen) der 150 PS-Maschine. Die Ueberhitzung beträgt 83° C und der Wert des Exponenten k = 1,127. Die punktierte Kurve zeigt die nach der Gleichung p . v1,127 = unveränderlich konstruierte Kompressionslinie, die kaum von der vom Indikator gezeichneten abweicht. Textabbildung Bd. 324, S. 296 Fig. 8. Bei niedrigen Dampftemperaturen dagegen ist die Abweichung größer. So zeigt die punktierte Kurve in Figur 1 die Kompression nach der Gleichung p . v1,01 = konst. Charakteristisch ist jedoch, daß der durch Zeichnung gefundene Kompressionsdruck im ersten Falle 80 – 74,5 = 5,5 v.H. im zweiten Falle 91,5 – 85 = 6,5 v.H. oder rund 6% niedriger war als der tatsächlich erreichte. Um ein übersichtliches Bild der Dampfzustände vor und hinter jedem Zylinder zu geben, sind in Fig. 9 die diesbezüglichen Werte im Wärmediagramm eingezeichnet. Die zusammengehörigen Punkte sind durch punktierte Linien verbunden. Die Kurven I, II und III entstammen den Versuchen des Verfassers, die Kurven IV und V den oben erwähnten Versuchen von Gutermuth und Wiegleb. An jedem Punkte sind drei Zahlen niedergeschrieben, welche der Reihenfolge nach den abs. Druck, die Dampftemperatur und die Gesamtwärme des Dampfes angeben. Die punktierten Verbindungslinien der Punkte geben selbstredend kein wahres Bild der Zustandsänderung des Dampfes während der Expansion. Um ein solches zu erhalten, muß man die zusammengehörigen Werte von Druck und Temperatur während der Einströmung und Expansion im Wärmediagramm einzeichnen. Der Druck kann aus dem Diagramm direkt gemessen werden. Die zugehörigen Temperaturen können nach der allgemeinen Zustandsgleichung: px . (vx + C) = R . Tx ermittelt werden. In dieser Gl. sind px = Druck angenähert in kg/qm, vx = Volumen in cbm/kg, Tx = abs. Dampftemperatur C = 0,01 und R = 47 Bezeichnen wir mit p, v und T die diesbezüglichen Werte des Dampfes am Absperrventil, so gilt angenähert p . vk = px . vxk woraus v_x=\sqrt[k]{\frac{p \cdot v^k}{p_x}} In obiger Gl. gibt T_x=\frac{p_x\,\left(\sqrt[k]{\frac{p}{p_x} \cdot v^k}+C\right)}{R}. Ein Beispiel möge die Anwendung dieser Gl. erläutern. Bei der 1000 PS Dreifachexpansionsmaschine betrug die adm. Temperatur 249° C (oder T = 249 + 275 = 524°), der Anfangs- und Enddruck während der Füllung 11 und 9,7 kg/qm oder 110000 und 97000 kg/m2. Das Anfangsvolumen v ist für t = 249° C und p = 11: v=0,178\,\frac{273+249}{273+183}=0,204 cbm/kg und die Gesamttemperatur beim Anfang der Expansion T_x=\frac{9700\,\left(\sqrt[1,1]{\frac{110000}{97000} \cdot 0,204}+0,01\right)}{47}=490^{\circ} oder      t = 490 – 273 = 217° C Δt ∾ 217 – 177 = 40° C Textabbildung Bd. 324, S. 296 Fig. 9. Im Wärmediagramm Fig. 9 stellt somit der Punkt 2 den Dampfzustand bei Anfang der Expansion dar. In ähnlicher Weise sind die Punkte 3 und 4 sowie die Kurven A, B und C berechnet. Jedoch muß man, besonders bei hoher Ueberhitzung, die Aenderung des Exponenten k während der Expansion berücksichtigen. Die Kurven A, B und C stellen deshalb nur Annäherungen der wirklichen Verhältnisse dar.