Titel: | Neuer dampf-hydraulischer Stahlgießwagen. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 516 |
Download: | XML |
Neuer dampf-hydraulischer
Stahlgießwagen.
Von C. Michenfelder,
Düsseldorf.
Neuer dampf-hydraulischer Stahlgießwagen.
In Bd. 322, Heft 42 u. ff. dieser Zeitschrift habe ich an Hand typischer
Beispiele auf die konstruktive Entwicklung moderner Gießwagen für Stahlwerke
hingewiesen, die auf den Betrieb namentlich der Thomaswerke von zweifellos günstigstem Einfluß gewesen ist. In Ergänzung
dieser Angaben sei als ein weiteres Glied jener Entwicklungsreihe im folgenden eine
neueste Ausführung eines dampf-hydraulischen Stahlgießwagens besprochen, der sich in
Anordnung und Ausbildung nicht unwesentlich von seinen Vorgängern unterscheidet. Der
in Fig. 1 abgebildete Gieß wagen ist – für eine
Nutzlast von 20000 kg flüssigen Stahles und für eine größte Pfannenausladung von
3200 mm – von der Märkischen Maschinenbauanstalt Ludwig
Stuckenholz A.-G. in Wetter a.d. Ruhr für das Stahlwerk der
Gutenoffnungshütte in Oberhausen entworfen und gebaut.
Als augenfälliger Fortschritt ist zunächst die Ausbildung des Unterwagens in bezug
sowohl auf die Formgebung als auch auf die Wahl des Materials zu erwähnen: Der Wagen
besteht in nur einem Gliede und ist ganz aus Schmiedeeisen erstellt. Seine beiden
seitlichen Längsträger haben ⊐⊏-Querschnitt aus kräftigen Blechen und
Universaleisen, die durch angenietete Winkel und Gurtplatten die erforderliche
Widerstandsfähigkeit erhalten. Der schwere, gleichfalls aus Universal- und
Profileisen bestehende Kasten zur Aufnahme der Königsäule, sowie die Unterstützungen
der Maschinen und des Kessels bilden zugleich solide Querverbindungen der
beiden Längsträger. Der Wagen stellt somit bei gedrungenster Bauart einen – im
Gegensatz zu den älteren Gußgestellen – bruchsicheren und doch elastischen Unterbau
dar, der den durch Fahrhindernisse auftretenden Stößen und den auf ein Verziehen der
Konstruktion gerichteten Einwirkungen der strahlenden Wärme hinreichend widersteht.
Der Wagen wird durch vier Paar Räder getragen, die vorteilhafter Weise sämtlich in
Balanciers gelagert sind. Diese dadurch – wieder im Gegensatz zu früher – gänzlich
unstarre Radlagerung vermag durch Gleisunebenheiten sonst hervorgerufene gefährliche
Spannungen im Unterwagen wirksam zu verhindern. Der Radstand ist so gewählt, daß die
Räder, die aus Stahlguß mit aufgeschrumpften Schmiedeisenbandagen bestehen, durch
die Eigengewichte annähernd gleiche Belastung erhalten. Die beiden hinteren
Balanciers stützen sich auf die Antriebswelle, die durch ein Stirnrädervorgelege mit
der Fahrmaschine gekuppelt ist. Jedes Rad dieser Balanciers wieder wird durch
Stirnräder von der Hauptwelle angetrieben. – Das Ausbauen der Räder gestaltet sich
recht einfach: Der Wagen wird unterlegt, die Kupplung der Antriebswelle gelöst und
die Teile der Welle nach beiden Seiten hin herausgezogen, worauf die Balanciers mit
den Laufrädern von oben aus dem Untergestell gehoben werden können. Es ist also kein
Anheben des ganzen
Wagens notwendig. Bei den vorderen Balanciers genügt das Lösen der Stützbolzen zum
gleichweisen Ausbauen der Räder.
Textabbildung Bd. 324, S. 517
Fig. 1.
Die im Unterwagen festgelagerte Königsäule, aus geschmiedetem Stahl mit achsial
durchgehender Bohrung hergestellt, ist als Differentialplunger ausgebildet und
bietet dadurch dem hochgehenden Hubzylinder eine konstante, einem leichten und
gleichmäßigen Heben günstige Führungshöhe. Das Druckwasser der Pumpe wird dem
Hauptzylinder von unten durch die Bohrung in der Säule zugeführt. Da sämtliches
Druckwasser auch für die anderen Bewegungen diesem Zylinder entnommen wird, stellt
er mit seiner aufliegenden beträchtlichen Belastung gleichzeitig einen wirksamen
Akkumulator dar, der die Arbeit der Pumpmaschine zu einer sehr gleichförmigen werden
läßt. Der Hebezylinder, dessen Druckraum nach oben durch die sichtbare äußere
Stopfbüchse, nach unten durch eine innere, aber gleichfalls zugängliche Stopfbüchse
abgedichtet wird, trägt an seinem unteren Ende ein Stahlgußquerstück mit dem
genieteten Pfannenausleger. Um Festfahren des Zylinders in der obersten Stellung zu
verhüten, wird bei Erreichung des verlangten größten Hubes (von 1000 mm) ein durch
Gestänge mit ihm verbundenes Federventil in der Druckwasserleitung gelüftet.
Der Pfannenausleger nimmt in seinem hinteren Ende den Gegengewichtskasten auf. Das
Verschieben der Gießpfanne längs des Auslegers geschieht durch zwei gemeinsam
gesteuerte hydraulische Zylinder, die auf dem Gegengewichtskasten parallel
nebeneinander befestigt sind. Ihre Kolbengestänge sind zu beiden Seiten der
Kransäule geführt und fassen mittels einer Traverse die die Pfanne tragenden
Laufwagen.
Der hydraulische Zylinder für das Kippen der Pfanne ist, wie die Abbildung deutlich
zeigt, seitlich an diese Querverbindung angeschraubt und arbeitet mit seiner
gezahnten Kolbenstange auf ein Stirnrad, das auf dem Drehzapfen des Pfannenringes
verkeilt ist. Da dieser Zylinder an der Radialverschiebung der Pfanne teilzunehmen
hat, so erfolgt die Wasserzuführung zu ihm zweckmäßig durch zwei Posaunenrohre, die
ihrerseits in einem an der Auslegerwange befestigten Rohrzylinder doppelt geführt
und abgedichtet sind.
In diesen festgelagerten Zuleitungszylinder, innerhalb dessen die Posaunenrohre
mit Oeffnungen für den Zutritt des Wassers versehen sind, wird das Preßwasser von
außen in der gewöhnlichen Art eingeführt und dann dem beweglichen Arbeitszylinder
übermittelt. Die Pfanne kann auf diese Weise in jeder Stellung um annähernd 180°
gekippt werden. – Der gußstählerne Pfannenring, in den die Gießpfanne eingehängt und
verbolzt wird, ruht mit kräftigen Zapfen beiderseits in geschlossenen Lagern der
Auslegerlaufwagen, so daß beim Ausheben der Pfanne durch den Kran der Tragring in
letzteren liegen bleibt. Für das Ausheben des Kübels sind oberhalb des Tragrings
drei Stahlgußzapfen an denselben angenietet.
Die Schwenkzylinder mit dem Doppelplunger sind an der anderen Längswange des
Auslegers befestigt. Der Plunger arbeitet wieder mittels Zahnstange, jedoch mit
doppeltem Stirnrad Vorgelege auf ein um die Königsäule gelegtes Zahnsegment, das,
mit Längskeil in einer Nut der Säule geführt, von dem Ausleger beim Heben
mitgenommen wird. Der Pfannenausleger kann dadurch in jeder Höhenlage um etwa 210°
geschwenkt werden.
Zur Steuerung der durch Preßwasser bewirkten Pfannenbewegungen sind drei
doppeltwirkende Kolbenschieber mit Handsteuerung vorgesehen, die von einem auf der
hinteren Plattform des Auslegers seitwärts stehenden Kranführer bedient werden. Das
Druckwasser wird den Steuerapparaten direkt von dem oberen Ende des Plungerrohres
zugeführt und von den Kolbenschiebern nach den einzelnen Zylindern verteilt. Das
Abwasser wird gemeinsam in eine Rinne geleitet, die in dem vorgenannten
Zahnradsegment ausgebildet ist, und wird von hier in den Wasserkasten geleitet, aus
dem die Pumpe saugt. Der Wasserkasten braucht deshalb auch nur von Zeit zu Zeit
nachgefüllt zu werden.
Auf dem hinteren Wagenteil ist, durchaus geschützt, zum Verfahren des Gießwagens eine
stehende Zwillings-Reversierdampfmaschine (von 250 mm Zylinderdrm. und 350 mm
Kolbenhub) aufgestellt. Dieselbe vermag den Wagen mit einer Geschwindigkeit von
normal 120 m in der Minute zu verfahren. – Die Pumpmaschine ist eine stehende
Drillingspumpe von 200 mm Zylinderdrm., 84 mm Plungerdmr. und 250 mm Hub. Das Heben
des Auslegers geschieht hierdurch vollkommen gleichmäßig, und zwar für den
vollständigen Hub in etwa 40 Sekunden. Der mit einem Flammrohr und mit rückkehrenden
Feuerrohren ausgestattete Dampfkessel besitzt eine reichlich große Heizfläche von 40
qm und ist für 10 Atm. Dampfdruck konstruiert.
Zum Schutze des Kranführers und Maschinisten gegen Hitze und Stahlspritzer
werden geeignete Seitenwände und Dächer angebracht; alle wichtigen Teile der
Konstruktion sind gleichfalls durch Schutzkästen gegen etwa überfließendes Eisen und
Schlacke gedeckt.