Titel: Rangiereinrichtungen in industriellen Betrieben.
Autor: Hans Wettich
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 641
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Rangiereinrichtungen in industriellen Betrieben. Von Dipl.-Ing. Hans Wettich, Halle a.S. (Schluß von S. 614 d. Bd.) Rangiereinrichtungen in industriellen Betrieben. Textabbildung Bd. 324, S. 641 Fig. 13. Doppelantrieb von Bleichert & Co. Ein Beispiel für die Anlage einer Rangiereinrichtung nach dem beschriebenen System zeigen Fig. 1519. Es handelt sich dabei um den Wagentransport in einer Zuckerfabrik. Die Frage ist hier besonders schwierig, weil die Anlage nur eine verhältnismäßig kurze Zeit im Jahre gebraucht wird und daher eine Tilgung des Anlagekapitales nicht so leicht durchzuführen ist, wie in Dauerbetrieben. In den meisten Fällen wird daher auf Zuckerfabriken die Wagenverschiebung durch Pferdezug vorgenommen. Jedoch treten größere, aber auch mittlere Werke dieser Art jetzt modernen Transportanlagen von jeder Form mit größerem Interesse nahe, da die Arbeiterschwierigkeiten gegenwärtig beträchtlich zugenommen haben. Die kurze Dauer der Beschäftigung macht es unmöglich, einen dauernden Arbeiterstamm zu schaffen. Abgesehen davon, daß die Erziehung einer zusammengelaufenen Arbeiterschaft zu regelrechtem, gleichmäßigem Zusammenarbeiten große Schwierigkeiten macht, stellt die Tatsache, daß es ungewiß ist, ob die Belegschaft des einen Tages am folgenden vollzählig wieder erscheint, oft die für den geregelten Betrieb aufgewandten Kosten in Frage. Daher gehen die Zuckerfabriken jetzt häufig zur Beschaffung maschineller Förderanlagen über, selbst wenn sich ein direkter Gewinn aus ihnen nicht herausrechnen läßt, nur müssen sie eine Ersparnis an Arbeitskräften bieten. Bei der in Fig. 1519 dargestellten Anlage kommen die Rübenwagen teils auf einer normalspurigen, teils auf einer schmalspurigen Staatsbähnlinie an. Die Gleise beider Bahnen sind zu beiden Seiten des Rübenschuppens angeordnet, s. Fig. 15, dessen Längsachse nahezu senkrecht zur Achse der Anschlußgleise liegt. Daher müssen alle Wagen über Drehscheiben gehen, um auf die Entladegleise zu gelangen. Während früher die Wagenverschiebung neben einigen Pferden 40 Mann erforderte, ist es nach Einbau der Rangieranlage mit endlosem Seil möglich, den Betrieb in glattester Weise mit sechs Mann und sechs Anhängejungen durchzuführen, ein Umstand, der bei den oben geschilderten Schwierigkeiten, die früher den Betrieb häufig störten, hoch anzuschlagen ist. Textabbildung Bd. 324, S. 641 Fig. 14. Rangieren eines Wagens auf die Drehscheibe nach Bleichert & Co. Der Betrieb der Anlage wird durch die Fig. 12 S. 614, 13, 14 u. 20 veranschaulicht. Fig. 13 zeigt den Antrieb für die beiden Rangierseile der Vollbahngleise und das eine Rangierseil des Nebenbahngleises. Fig. 14 läßt erkennen, in welcher Weise die Wagen bewegt werden, gleichzeitig ist in dem Bild eine andere Aufgabe gestellt: es soll nämlich mit Hilfe des Hauptrangierseiles ein Wagen von dem schräg auf das Seil stoßenden Gleise auf die Drehscheibe gezogen werden. Es geschieht dies dadurch, daß das Kuppelseil um eine an der Drehscheibe aufgestellte hohe Ablenkrolle geführt und an das Hauptrangierseil angeschlagen wird. Fig. 20 zeigt schließlich eine Erweiterung des Wirkungsbereiches der Rangieranlagen mit endlosem Seil dadurch, daß auf die Umkehrscheibe des Rangierseiles ein Spill gesetzt ist, das es gestattet, die Wagen in beliebiger Richtung über die in dem Bilde erkennbare Weiche zu befördern. Freilich muß zu diesem Zwecke ein längeres Seilende vorhanden sein. Textabbildung Bd. 324, S. 642 Gleisanlage von Bleichert & Co. für eine Zuckerfabrik. Der Betrieb geht in der Weise vor sich, daß von dem gewöhnlich aus 30 Wagen bestehenden ankommenden Zuge der erste Wagen durch das Seil auf die Drehscheibe gezogen, in die Ablaufrichtung geschwenkt und auf die Wage gefahren wird. Textabbildung Bd. 324, S. 643 Fig. 20. Antrieb eines Spills durch das Rangierseil nach Bleichert & Co. Während des Verwiegens wird bereits ein zweiter Wagen gedreht, der nun gegen den ersten gefahren wird und ihn von der Wage herunterstößt. Sind auf diese Weise ro Wagen hintereinander aufgestellt, so werden sie auf die Längsseite des Rübenschuppens gefahren, entladen und darauf durch das Seil auf das Nebengleis gestellt, so daß die inzwischen über die Drehscheibe geschobenen weiteren 10 Wagen folgen können. Schließlich gehen alle Wagen über die Drehscheibe wieder auf das Abfuhrgleis zurück. Die Abfertigung eines Zuges mit sämtlichen Verschiebebewegungen, Drehen, Verwiegen und Entladen nimmt höchstens zwei Stunden in Anspruch, so daß die verlangte Leistung von 100 Wagen am Tage auf jedem Gleise sich sehr bequem erreichen läßt. Natürlich wird die Anlage auch dazu benutzt, um die Wagen mit Zucker und Rübenschnitzeln von dem Fabrikbahnhof auf die Staatsbahngleise zu schaffen. Ferner wurde die Anlage bereits einen Monat vor Beginn der Kampagne in Betrieb genommen, um die erforderlichen Kohlen und anderen Materialien in die Fabrik zu befördern. Die Arbeiter haben sich sehr rasch an die neue Rangiermethode gewöhnt und führen alle Handgriffe mit großer Leichtigkeit und Zuverlässigkeit aus. Gegenüber einer Anlage mit einzeln aufgestellter Rangierwinde springt bei der Rangiermethode nach Bleichertschem System besonders der Vorteil ins Auge, daß durch einen Antrieb verschiedene Gleise gleichzeitig bedient werden können, ferner ist zu beachten, daß die Rangiermeister nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind, also die Uebersicht über die Wagenbewegungen nicht verlieren, ein Moment, das die vorhandenen Transportgefahren mindert, außerdem ist die Kürze der Kuppelseile bemerkenswert, durch die der Verkehr auf den übrigen Teilen des Fabrikhofes nicht gestört wird. Das Arbeitsfeld einer Rangieranlage mit endlosem Seil ist gewissermaßen unbeschränkt. Der Anschaffungspreis einer Bleichertschen Rangieranlage ist freilich gegenüber dem einer einfachen Rangierwinde höher.