Titel: Die Gewinnung von Brenntorf nach dem Dr. Ekenbergschen Verfahren.
Autor: Dierfeld
Fundstelle: Band 325, Jahrgang 1910, S. 151
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Die Gewinnung von Brenntorf nach dem Dr. Ekenbergschen Verfahren. Von Regierungsbaumeister Dierfeld. Die Gewinnung von Brenntorf nach dem Dr. Ekenbergschen Verfahren. Bei dem gegenwärtigen Verfahren der Gußeisen- und Stahlbereitung ist die Holzkohle wegen ihres geringen Schwefel- und Phosphorgehaltes ein ausgezeichnetes Mittel zur Herstellung der feinsten Gußeisensorten und der zementierten Stähle. Die ungeheure Entwicklung der Holzstoff- und Nutzholzindustrie in den letzten 20 Jahren bewirkte jedoch, daß Waldungen, die früher den Rohstoff zur Holzkohlenbereitung lieferten, jetzt für diese Industrien nutzbar gemacht wurden. Wo früher gut gewachsene Stämme verkohlt wurden, werden jetzt nur Zweige und Abfall zu den Meilern gebracht; die Folge ist ein Niedergang der Holzkohlenerzeugung, welche nur noch in entlegenen Ländern blüht, wo der Wert von Waldungen niedrig ist. Gleichzeitig hat sich die Nachfrage nach Holzkohle stetig vergrößert mit der Fortentwicklung der Industrie, und es sind Fälle bekannt, wo Eisenwerke geschlossen werden mußten, weil sie nicht hinreichende Mengen Holzkohle zu annehmbarem Preise erhalten konnten. Seit langer Zeit schon wurde auf die Erschließung der Torfmoore zu diesem Zwecke hingewiesen, und tatsächlich würde Torf ein passendes Rohmaterial für Holzkohle abgeben, da er durch Verwesung von Pflanzen- und Holzteilen unter Luftabschluß entsteht und sich aus mehr oder weniger oxydierter Zellulose mit verhältnismäßig wenig Schwefel und Phosphor zusammensetzt. Torfmoore sind über die ganze Erdoberfläche zerstreut, und nach Schätzungen bekannter Geologen ruht mehr Kohlenstoff in diesen Torflagern als in allen bekannten Kohlenfeldern. Jedoch kann der Kohlenstoff in Torfmooren nicht ohne weiteres nutzbar gemacht werden, da ein gut entwässertes Torfmoor im Durchschnitt ungefähr 87½ v. H. Wasser und nur 12½ v. H. Torfmasse enthält. Es ist versucht worden, dies Wasser durch Erhitzen verdampfen zu lassen, doch zeigt eine einfache Rechnung, daß zum Erhitzen mehr Torf gebraucht wird, als das Verfahren an trockner Torfmasse liefern könnte. Wie schon erwähnt, kommen auf 1 kg theoretisch trockener Torfmasse ungefähr 7 kg Wasser. 1 kg trockener Torf kann aber im besten Fall nur 5–6 kg Wasser verdampfen und hieraus ergibt sich die praktische Unmöglichkeit dieses Verfahrens. Die einzige primitive Methode, welche bisher praktische Erfolge gezeitigt hat, ist die, den Torf während der Sommermonate an der Luft zu trocknen. Man ist aber hierbei zu sehr von Witterungsverhältnissen abhängig, eine regelmäßige Brennstofflieferung während des ganzen Jahres kann wegen der kurzen Produktionszeit nur schwer erfolgen und die dabei Verwendung findende Handarbeit macht das Verfahren teuer, so daß die Industrie von diesem Brennstoffe bei dem heutigen Gewinnungsverfahren keinen Nutzen ziehen kann. Häufig wurde nun angeregt, das Wasser aus der Torfmasse durch starkes Pressen zu entfernen, und Versuche mit faserigem Oberflächentorf hatten auch positive Resultate, aber der in den Torflagern vorherrschende schwarze Brenntorf gibt auch unter dem stärksten Drucke das Wasser nicht ab. Der schwedische Forscher, Dr. Martin Ekenberg, hat nun, wie er in einem Vortrage vor dem Londoner Iron and Steel Institute ausführte, ein praktisch brauchbares Verfahren gefunden, nach welchem man ein fast wasserfreies Brennmaterial aus roher Torfmasse gewinnt. Versuche führten zu der Entdeckung, daß das Wasser der Torfmasse sich deshalb nicht durch noch so starken Druck entfernen läßt, weil in reifer (ganz verwester) Torfmasse 0,2–1,2 v. H. einer schleimigen Hydrozellulose enthalten sind, die durch den langen Kontakt von Wasser mit Zellulose in den verwesten Pflanzenresten des Torfes entsteht. Der Forscher untersuchte zahlreiche Torfproben aus allen Teilen der Welt, und fand, daß alle diese Hydrozellulose enthalten, welche bemerkenswerte Eigenschaften hat. So ist sie in Torf gewaltig aufgeschwellt und hat durch Wasseraufnahme eine gallertartige Form von der Konsistenz weicher Seife angenommen. Unterwirft man derartige Torfmasse starkem Drucke, so wird der Druck nach allen Richtungen, wie bei einer homogenen Lösung, übertragen, auch wird sie durch die Maschen grober Leinwand unverändert hindurchgehen, ohne sich vom Wasser zu trennen. Je größer der Gehalt an Hydrozellulose ist, um so schwieriger wird die Abscheidung des Wassers. Unter dem Mikroskop kann sie deutlich gesehen werden, wenn man das Präparat mit Fuchsin oder Methylenblau färbt. Fig. 1 zeigt die Struktur von schwarzem, reifen Torf bei 250facher Vergrößerung; es sind nur wenige Fasern Fig. 2. vorhanden, deren Zellen mit einer gelatineartigen Substanz, der Hydrozellulose, angefüllt und umgeben sind. Der Oberflächentorf erscheint dagegen aus sehr zahlreichen Fasern zusammengesetzt, deren Zellen wenig oder gar keine Hydrozellulose enthalten. Wird diese Hydrozellulose entfernt oder zerstört, so kann der Hauptteil des Wassers in der Torfmasse leicht von den pflanzlichen Ueberresten durch mäßig starken Druck getrennt werden. Durch Versuche wurde nun gefunden, daß die Hydrozellulose schnell Dextrose bildet und zerstört wird durch Erhitzen auf über 150° C in Gegenwart von zugefügtem Wasser. In Fig. 2 sehen wir derartig behandelte reife Torfmasse in 150-facher Vergrößerung: Die Struktur der Zellen ist noch erkennbar, aber die Hydrozellulose ist verschwunden. Wenn man die Temperatur beim Erhitzen steigert, so finden gewisse Aenderungen statt. So wächst der Kohlenstoff geh alt im Torfe allmählich mit steigender Temperatur, während ein Teil des Wasserstoffs und Sauerstoffs dabei Wasser bilden. Der Unterschied zwischen diesem Verfahren und der gewöhnlichen Trockenverkohlung in Retorten ist die Gegenwart von Wasser, welches jedes Torfteilchen umgibt und ein viel besserer Wärmeleiter als Gas ist, indem es gemäß der angewandten Temperatur eine scharf begrenzte Verkohlung mit gleichförmiger Wirkung gestattet. Das Erhitzen hat natürlich in geschlossenen Gefäßen zu geschehen, um Verdampfung zu vermeiden. Textabbildung Bd. 325, S. 152 Fig. 1. Textabbildung Bd. 325, S. 152 Fig. 2. Da das erhitzende Medium hierbei überhitztes flüssiges Wasser ist, und da der Gehalt an Kohlenstoff im Torfe steigt, bezeichnete Dr. Ekenberg sein Verfahren als „nasse Verkohlung“. Die Wirkung der nassen, verglichen mit der trockenen Verkohlung, kann aus Tab. 1 ersehen werden. Das Material für diese Bestimmungen wurde erhalten, indem Torf mit Wasser auf 150° C erhitzt, dann das Wasser ausgepreßt und der Torf vollständig bei 150° C getrocknet wurde. Für die trockene Verkohlung wurde dieser Torf dann in Retorten bis auf 260° C erhitzt, während beim nassen Verfahren dem Torfe das Siebenfache seines Gewichtes in Wasser zugefügt wurde. Tabelle 1. AngewandteTemperaturin Graden C Erhaltene Kohle i. v. H. Trockner Prozeß Nasser Prozeß 160 98,5 97,8 180 92,6 93,5 200 80,2 91,1 220 70,1 87,1 240 59,6 81,5 260 51,8 78,2 Beim trocknen Verfahren wurden große Mengen Gas und Teer frei, während Säuren und Wasser überdestillierten. Praktisch keine Gasentwicklung wurde beim nassen Prozeß beobachtet, der Teer bleibt in dem Torf und nur Spuren von Säuren werden gebildet. In dem ausgepreßten Wasser waren 0,1–0,6 v. H. von festen organischen Bestandteilen enthalten, und es ergab sich die merkwürdige Tatsache, daß der Wassergehalt der Torfmasse nach dem nassen Prozeß höher als vorher war. Zwei Bestimmungen ergaben die Werte in Tab. 2. Tabelle 2. Verkohlungstemperatur 180° C 200° C Wassergehalt vor dem Erhitzen i. v. H. 87,5 87,5 Wassergehalt nach d. Erhitzen   i. v. H. 88,3 88,6 Feste Bestandteile im ausgepreßten      Wasser                                 i. v. H.   0,3   0,4 Prozentsatz des trocknen Torfes, der      nachher Wasser bildet.        i. v. H.   4,4   6,1 Ein Teil der Torfmasse geht also während der Naßverkohlung in Wasser über, und dementsprechend verringert sich das Gewicht des erzeugten Torfes dabei. Dies bedeutet aber keinen tatsächlichen Verlust, sondern gewissermaßen nur eine Konzentration, da der Heizwert des Torfes im Verhältnis steigt, wie aus Tab. 3 zu ersehen. Tabelle 3. Heizwertin Kalorien Torf „S“ wasserfrei, roh    „    „   naßverkohlt bei 170° C    „    „           „           „   225° C    „    „           „           „   320° C 5571588064806800 Torf „T“ wasserfrei, roh    „     „   naßverkohlt bei 200° C 49506250 Torf „L“ wasserfrei, roh    „    „   naßverkohlt bei 160° C    „    „           „           „   180° C    „    „           „           „   200° C    „    „           „           „   230° C 51505210583059806200 Torf „W“ (junger Torf) wasserfrei, roh    „      „   naßverkohlt bei 200° C 45506080 Torf „D“ (junger Torf) wasserfrei, roh    „     „   naßverkohlt bei 200° C 47406120 Der Heizwert scheint hauptsächlich von der Höhe der angewandten Temperatur abzuhängen. Man sieht aus obiger Tabelle, daß junger, faseriger und alter, reifer Torf bei gewisser Temperatur ein Erzeugnis von ungefähr gleichem Heizwerte ergeben, was von großer praktischer Wichtigkeit ist, da hierdurch die Herstellung eines gleichförmigen Produktes aus den verschiedenen Schichten eines Torflagers gesichert ist. Der einzige Unterschied zwischen jungem und altem Torfe scheint darin zu bestehen, daß junger Torf mehr Wasser bildet, also eine geringere Ausbeute an fester Torfmasse liefert, als reifer Torf. Mit steigendem Heizwert bezw. Temperatur wächst der Gehalt an Kohlenstoff, wie die Tab. 4 und 5 zeigen. Tabelle 4. Torf „S“ Roher Torfv. H. Naßverkohltbei 170° Cv. H. Kohlenstoff 56 60,20 Wasserstoff       5,90 6,0 Stickstoff      1,33   1,38 Sauerstoff   32,68 28,32 Asche     3,50 3,7 Tabelle 5. Gehalt i. v. H.an Torf naßverkohlt bei 180° C 200° C 220° C Kohlenstoff 61,9 63,8   65,9 Wasserstoff   6,8   6,3 58 Stickstoff   1,2   1,1     1,1 Sauerstoff 27,1 25,7 24 Asche 3   3,1     3,2 Die naßverkohlten, gepreßten Torfkuchen zeigen einen etwas höheren Stickstoffgehalt als der Rohtorf, wie aus nachstehender Analyse eines irischen Torfes zu ersehen: Roher Torf Naßverkohlt v. H. bei 180° C v. H. Stickstoff in der trocknen Substanz 1,10 1,170 dem ausgepreßten Wasser 0,002Nur sehr wenig Wasser konnte ausgepreßt werden. 0,009. Um die Wirkung des Erhitzens bei verschiedenen Temperaturen zu bestimmen, wurde folgender Versuch gemacht: Einer sehr reifen schwarzen Torfmasse mit hohem Hydrozellulosegehalt wurde soviel Wasser zugefügt, daß auf einen Teil Torfsubstanz sieben Teile Wasser entfielen. Diese Masse wurde dann in einen homogenen Brei verwandelt, in ein feines Preßtuch gefüllt und mit 20 at gepreßt; es schied sich kein Wasser ab, und das Tuch barst, während bei einem gröberen Tuche die Masse unverändert durch die Maschen ging. Jetzt wurde die Torfmasse erst erhitzt und dann einem allmählich wachsenden Drucke von 20 at unterworfen. Das Ergebnis zeigt Tab. 6. Man sieht aus dieser Tabelle, daß beim Erhitzen bis 150° nur wenig Wasser abscheidet; bei 150° aber ist eine plötzliche Aenderung merkbar, ein Zeichen dafür, daß die Hydrozellulose sich zersetzt. Aus obigen Versuchen ist nicht der Einfluß des Pressens auf die Wasserabscheidung zu ersehen, worüber ebenfalls eine Reihe von Untersuchungen angestellt wurden. Hierzu wurde roher Torf mit dem Siebenfachen seines Gewichts an Wassergehalt in einer hydraulischen Presse verschiedenen Drucken unterworfen, und das dabei ausgepreßte Wasser an gewissen Punkten gemessen. Sowie das Wasser aufhörte zu fließen, wurde der Druck nicht mehr verstärkt. Die Ergebnisse sind graphisch in Fig. 3 dargestellt, worin die Kurven anzeigen, wieviel Teile Wasser aus einem Teile Torfsubstanz bei bestimmter Temperatur und gewissem Drucke ausgepreßt werden. Der Einfluß der Hydrozellulose ist deutlich aus der geradlinig verlaufenden Kurve bei 125° zu sehen, wo nur sehr wenig Wasser abgeschieden wird, und auch bei Drucken von 280 at wurde nicht viel mehr Wasser bei 125° ausgepreßt. Alle Kurven verlaufen anfangs geradlinig; die Kurve für 160° zeigt durch ihren fast wagerecht verlaufenden oberen Teil, daß noch etwas Hydrozellulose vorhanden ist. Aus dem Verlauf der Kurven über 180° sehen wir, daß für praktische Zwecke wenigstens 180° angewandt werden müssen, und daß der Hauptteil des Wassers, d. i. 5 von den 7 Teilen, sehr schnell schon bei 2–4 at ausgeschieden wird. Der Druck darf hierbei nicht plötzlich ansteigen, sondern muß im Zeitraum von ungefähr einer Minute von 0–50 at wachsen. Textabbildung Bd. 325, S. 153 Fig. 3. Tabelle 6. Torfbreierhitzt auf Im Preßkuchenbleibendes Wasserf. d. kg Torfsubstanzin kg AusgepreßtesWasserf. d. kg Torfsubstanzin kg   80 Preßtuch geplatzt 100   6,5   0,5 125 6 1 150    3,5   3,5 160 2 5 180    1,5   5,5 200 1 6 220     0,75     6,25 240   0,5   6,5 In Anbetracht der großen abzuscheidenden Wassermenge hielt Dr. Ekenberg Erhitzen für zu kostspielig und versuchte mehrere andere Mittel, um die Hydrozellulose zu zerstören. Er wandte chemische Mittel, z.B. Schwefelsäure und Kalziumoxyd an, aber auch diese waren nur bei gleichzeitigem Erhitzen wirksam und so wurde der Prozeß noch teurer. Dann wurde elektrischer Gleich- und Wechselstrom während des Pressens durch die Torfmasse geschickt; endlich wurde sie vor dem Auspressen gefroren; aber nichts war von Erfolg begleitet, wie aus Tab. 7 hervorgeht. Das Ergebnis obiger Untersuchungen und Experimente zeigt außer Zweifel, daß nach vorherigem Erhitzen von Torf auf eine gewisse Temperatur der Hauptteil des Wassers mechanisch durch mäßiges Pressen ausgetrieben werden kann, endlich, daß dies Verfahren die verschiedenen Torfarten eines Lagers in ein Erzeugnis von gleichförmiger Beschaffenheit und gleichem Heizwerte verwandelt. Bei industrieller Anwendung im großen hat dies Verfahren den Vorzug, daß hierzu keine weiteren Rohmaterialien als die Torfmasse selbst erforderlich sind. Die nötige Hitze und Kraft kann durch einen Teil des Torfes selbst erzeugt werden, so daß die Fabrikation ganz unabhängig von Wetter, Jahreszeiten und Preisschwankungen ist. Die Verkohlung erfolgt nach Erreichung der richtigen Hitze augenblicklich, und zur Herstellung von Brennstoff aus roher Masse kommt daher nur die Zeit in Betracht, die zum Erhitzen, Abkühlen und Pressen nötig ist. Das Pressen kann in einer Minute erledigt werden und das Erhitzen und Abkühlen dauert nicht länger als das Erhitzen und Abkühlen von Wasser, wenn ein passender Apparat hierzu verwandt wird. Die Lufttrocknung des Torfes erforderte ein bis drei Monate; mit guten mechanischen Einrichtungen sollte der Naßverkohlungsprozeß nicht länger als insgesamt 30 Minuten dauern. Tabelle 7. Reifer Torf Im PreßkuchenverbleibendesWasser f. d. kgTrockensubstanz AusgepreßtesWasser f. d. kgTrockensubstanz Feste Torfmasse     6,75      0,25 Zu Brei gerührter Torf 7 0 Fester Torf, ausgesetzt einem  Strom von 50–100 Volt 6 1 Fest. Torf, ausges. einem Strom  von 50–100 Volt bei 80° C 5 2 Breiiger Torf, ausgesetzt einem  Strom von 50–100 Volt.      5,75      1,25 Breiig Torf, ausges. ein. Strom  von 50–100 Volt bei 80° C      5,25      1,75 Fester Torf, ausgesetzt einem  Strom von 1000 Volt    5,5    1,5 Breiiger Torf, gefroren und  1 Std. nach Auftauen gepreßt      6,13      0,87 Fester Torf, gefroren 5 2 (Fortsetzung folgt.)