Titel: Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und elektrische Schwebebahnen.
Autor: Georg v. Hanffstengel
Fundstelle: Band 325, Jahrgang 1910, S. 497
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Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und elektrische Schwebebahnen. Von Oberingenieur Georg v. Hanffstengel, Leipzig. (Schluß von S. 484 d. Bd.) Die Verbilligung des Materialtransportes durch Seil- und elektrische Schwebebahnen. In recht charakteristischer Weise kommt das gegenseitige Verhältnis von Drahtseilbahn und Elektrohängebahn dort zum Ausdruck, wo beide Fördermittel als „Elektroseilbahn“ Hand in Hand arbeiten, wie bei der Begichtung von Hochöfen. Jeder Wagen, Fig. 17, erhält hier außer dem Fahrmotor eine normale Seilklemme. Wie aus Fig. 18 zu verfolgen, findet die Drahtseilbahn die ihr als zwangläufig wirkendem Antriebsmittel natürliche Aufgabe vor, den Höhenunterschied zwischen Stapel und Verbrauchstelle auszugleichen, indem sie die gefüllten Wagen von der Hüttensohle zur Gicht hinauf schleppt und die leeren Wagen wieder hinunter leitet. Der elektrische Fahrwerksantrieb dagegen verteilt, was früher nur durch Menschenkraft möglich war, die Erz- und Kalksteinwagen unten auf die unter den Füllrümpfen sich erstrekkenden parallelen Beladegleise (Fig. 19), stellt sie dann, nach Gichten für die einzelnen Oefen geordnet, auf den Aufstellgleisen, die den Rangiergleisen eines Güterbahnhofes entsprechen, zusammen, bringt ferner die Kokswagen nach den Oefen oder dem Entladegleis der Eisenbahn und läßt sie endlich in die Kuppelstelle der Drahtseilbahn einfahren. Oben befördert die Elektrohängebahn die Rohstoffe bis zur Gicht jedes einzelnen Ofens (Fig. 20). Zur Bedienung erfordert diese Anlage im ganzen 4 bis 5 Mann, die dafür sorgen, daß die Wagen in richtiger Menge und Reihenfolge den einzelnen Oefen zugestellt werden. Dazu kommen Ladearbeiter für Erz und Koks, deren Anzahl natürlich von der Zahl der Oefen abhängig ist. Alle diese Leute sind außerordentlich wenig angestrengt. Textabbildung Bd. 325, S. 497 Fig. 17. Elektro-Seilbahnwagen Patent Bleichert. Große Begichtungsanlagen nach dem Elektroseilbahnsystem bestehen auf den Werken von Gebrüder Stumm in Neunkirchen, den Buderusschen Eisenwerken in Wetzlar, der Moselhütte in Maizieres bei Metz und dem Hochofenwerk Trzynietz der Oesterreichischen Berg- und Hüttenwerks-Gesellschaft. Die Anlage der Moselhütte ist schon seit sechs Jahren ohne Störungen im Betriebe und hat vielleicht den schlagendsten Beweis für die Widerstandsfähigkeit der Elektrohängebahn auch bei starker Beanspruchung unter ungünstigen Verhältnissen gegeben. Die Hauptvorzüge dieser Art der Hochofenbegichtung bilden die Freiheit in der Anordnung der Erz- und Kokslager und der Koksöfen, die Benutzbarkeit einer einzigen Aufzugsanlage – die zweckmäßig durch einen zweiten als Reserve dienenden Drahtseilbahnstrang erweitert wird – für beliebig viele Oefen und die geringen Ansprüche an Bedienung. Für den Hochofenbetrieb ist auch der Umstand von besonderer Wichtigkeit, daß an der Elektrohängebahn eintretende Störungen nicht den mindesten Einfluß auf den Gang der ganzen Anlage haben, weil der betreffende Wagen jederzeit durch Ueberführung auf ein Ausbesserungsgleis ausgeschaltet werden kann. Textabbildung Bd. 325, S. 497 Fig. 18. Schema einer Hochofenbegichtungsanlage mit Elektroseilbahn. Erwähnt sei noch, daß durch eine neuere Bauart ohne Aufgabe des kontinuierlichen Betriebes auch eine nahezu senkrechte Hebung der Wagen auf die Gicht ermöglicht wird, was bei den beschränkten räumlichen Verhältnissen auf den Hüttenwerken vielfach von Vorteil ist. Zur Begichtung von Kupol-Oefen in größeren Gießereien und Stahlwerken hat man die Elektrohängebahn vielfach mit senkrechten Aufzügen vereinigt (Fig. 21 und 22). Ueber dem langgestreckten, auf beiden Seiten von Eisenbahngleisen eingefaßten Lagerplatz sind nahe über dem Boden zwei Hängebahngleise verlegt, so daß die Rohstoffe (Roheisen, Kalkstein und Koks) bequem in die Wagenkasten eingeladen werden können. Die Wagen fahren, nachdem sie gewogen sind, in einen Aufzug ein, der sie auf die Gichtbühne hebt, wo sie von einem dort aufgestellten Mann in die Oefen gekippt und zum Aufzug zurückgeschickt werden. Die Bahn läßt sich außerdem dazu benutzen, um Sand nach der Gießerei zu befördern. Große Anlagen dieser Art sind für die Firma Thyßen in Mühlheim und für den Hoerder Verein (Hermannshütte) in Dortmund ausgeführt worden. In weniger großen Gießereien hilft man sich vielfach auch mit einem oder mehreren Windenwagen oder einer Führerstands-Laufkatze und verbindet, wenn möglich, den Transport der Formkasten mit dem der Rohstoffe. Textabbildung Bd. 325, S. 498 Fig. 19. Beladen der Förderwagen unter dem Füllrumpfe. Textabbildung Bd. 325, S. 498 Fig. 20. Auskippen der Wagen in die Hochofengicht. Für die Fortschaffung von Abfällen (Schlacken, Bergen usw.) spielt die Schwebebahn eine sehr wichtige Rolle, weil das hochliegende Gleis den Boden, auf dem die Materialien abgelegt werden sollen, frei läßt, Dies kommt besonders zur Geltung, wenn Täler vorhanden sind, die durch eine Drahtseilbahn überspannt und allmählich aufgefüllt werden können. Bei ebenem Gelände dagegen ist es nicht gut möglich, der Drahtseilbahn von vornherein die Höhe zu geben, die der zulässigen Sohlenbreite des Haufens entspricht. Man pflegt daher die Schüttung mit Hilfe schwenkbarer Anschlußgerüste zu erweitern, auf denen die Drahtseilbahnwagen bis zum Absturzpunkt von Hand geschoben oder auch (Fig. 23), nach einer neueren Anordnung durch das Zugseil weiter bewegt werden, so daß der Betrieb oben keine Bedienung erfordert. Vielfach wird, wenn das Gelände aufgefüllt ist, die Drahtseilbahn später immer höher gelegt, indem man sie auf der Halde neu aufbaut. Besser ist es aber, von vornherein so rasch wie möglich in die Höhe zu gehen, also die Seilbahn unter dem natürlichen Böschungswinkel des Fördergutes ansteigen zu lassen. Nach dem Bleichertschen Patent werden hierzu (Fig. 24) feste Eisengerüste benutzt, die sich unten auf Säulen stützen, deren Spitze aber, wenn der Kegel bis dahin gewachsen ist, von der Anschüttung selbst getragen wird, so daß weitere Felder freischwebend vorgebaut werden können. Die Umkehrscheibe, an der die Wagen sich selbsttätig entleeren, wird nach vollendetem Anbau einfach herausgeschoben, ohne daß eine nennenswerte Betriebsunterbrechung eintritt. Die ganze Anlage bedarf, einerlei wie lang die Zuführungsstrecke ist, außer an der Beladestelle keiner Bedienung.Ein Modell einer solchen Anlage ist auf der Weltausstellung, Brüssel 1910, ausgestellt. Textabbildung Bd. 325, S. 498 Fig. 21. Begichtung von Kupolöfen mit Elektrohängebahn. Da solche Haldenbahnanlagen, vielleicht noch mehr als andere Transporteinrichtungen, immer auf eine lange Reihe von Jahren voraus berechnet werden, so sind die Förderkosten nicht nur für die ersten Jahre, während der Abschreibungszeit, sondern auch nach geschehener Abschreibung festzustellen, wie dies durch die Kurven der Fig. 25 geschehen ist. Der Rechnung ist eine Haldenbahn zum Transport von Hochofenschlacke mit einer Leistung von 20 cbm/Std. bei 3000 Arbeitsstunden im Jahr zugrunde gelegt. Von anderen Wirtschaftlichkeitsberechnungen weicht diese insofern ab, als die Kosten für die Erweiterung hinzukommen, die anfänglich nicht unbeträchtlich sind, später aber, da mit zunehmender Höhe jedem neuen Anbau eine größere Schüttmenge entspricht, rasch abnehmen. Indessen wachsen die Kosten für Kraftverbrauch und für Unterhaltung mit der Bahnlänge beständig, so daß nach etwa 20jähriger Betriebsdauer die Kurve der Gesamtförderkosten wieder langsam zu steigen beginnt. Die Werte bleiben aber zwischen 6 und 8 Pf./cbm, während der Anfangswert bei 10 jähriger Abschreibung 20 Pf./cbm, bei 20 jähriger 16 Pf./cbm beträgt. Textabbildung Bd. 325, S. 499 Fig. 22. Begichtungsanlage für die Kupolöfen d. Hermannshütte, Dortmund. Daß die Schwebebahn in ihren verschiedenen Formen ein Hilfsmittel von hoher Vollkommenheit darstellt, daß sie viele Aufgaben löst, die sonst unlösbar wären, und daß sie wieder andere weit besser löst, als die sonst bekannten Fördereinrichtungen, dürften diese Beispiele zur Genüge beweisen. Dagegen drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob nicht die moderne Technik mit der Ersparnis an Arbeitskräften zu weit geht, und ob sich nicht mit einfacheren Hilfsmitteln, unter Zulassung einer größeren Zahl von Arbeitern, eine größere Wirtschaftlichkeit erzielen ließe. Textabbildung Bd. 325, S. 499 Fig. 23. Schlackenabsturzbahn mit schwenkbarer Brücke. Textabbildung Bd. 325, S. 499 Fig. 24. Haldenseilbahn, Patent Bleichert. Zur Beantwortung dieser Frage habe ich das in den Kurven der Fig. 9 erläuterte Beispiel wieder aufgegriffen und in Fig. 2628 innerhalb der Grenzen einer Jahresförderung von 12000–120000 t unter der schon oben zugrunde gelegten Annahme von 1500 Arbeitsstunden im Jahre die Einzelwerte für Rollwagen, Gutförderer und Elektrohängebahn aufgetragen. Kennzeichnend ist zunächst der krasse Gegensatz zwischen Handwagen und Gurtförderer. Bei Handförderung liegt, außer bei den kleinsten Leistungen, die Lohnlinie hoch über der Verzinsungs- und Abschreibungskurve; beim Band kehrt sich das Verhältnis vollkommen um, derart, daß die Lohnlinie fast verschwindet. Bemerkenswert ist nun, daß die Elektrohängebahn eine Mittelstellung zwischen beiden einnimmt. Die Lohnkurve liegt, besonders bei den großen Leistungen, höher als beim Band und nähert sich hier der weit tiefer als dort verlaufenden Kurve der Verzinsung und Tilgung, mit dem Ergebnis geringerer Gesamtförderkosten. Das Beispiel beweist wohl, daß von einer einseitigen, für das Endergebnis schädlichen Betonung eines bestimmten Gesichtspunktes bei der Elektrohängebahn im Vergleich mit anderen Fördermitteln nicht die Rede sein kann. Textabbildung Bd. 325, S. 500 Fig. 25. Förderkostendiagramm einer Haldenseilbahn von 20 cbm Schlacke-Stundenleistung. Schließlich wird man noch einwenden können, der moderne Maschinenbau gehe überhaupt zu weit, und man wird auch möglicherweise aus dem Gebiete der Fördertechnik Anlagen anführen können, bei denen, wenigstens bei der vorläufig geringen Ausnutzung, eine Ersparnis nicht nachzuweisen ist. Darauf läßt sich erwidern, daß die Antwort, welche die Praxis auf solche Befürchtungen gibt, im allgemeinen wohl begründet zu sein pflegt, und daß ein so gewaltiger Aufschwung der Fördertechnik ohne ein wirklich vorhandenes praktisches Bedürfnis nicht möglich gewesen wäre. Aber es macht durchaus keine Schwierigkeiten, die Gründe für die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit auch in weniger klaren Fällen zu finden. Die üblichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind eben alle unvollkommen, weil gewisse Verhältnisse sich in Zahlen schwer ausdrücken lassen. Vor allem gehört dazu die Streikgefahr. Textabbildung Bd. 325, S. 500 Förderkostendiagramme für Hochbahn mit Rollwagen, Gurtförderer und Elektrohängebahn bei 200 m wagerechtem Transport. Ein erzwungener Stillstand des Werkes kann mit einem Schlag weit größere Werte vernichten, als die möglichen Ersparnisse bei der Beschaffung selbsttätiger Transporteinrichtungen ausmachen, welche die Möglichkeit geben, an allen wichtigen Posten nur noch fest angestellte Beamte zu haben. Weiter aber ist auch noch nicht berücksichtigt, was für einen Anspruch die Arbeiterschaft an die Betriebsleiter stellt. Es ist gar nicht selten, daß diese ihre besten Kräfte in beständigen Verhandlungen und Aerger mit den Arbeitern verzehren, anstatt sich voll den wichtigen technischen und kaufmännischen Fragen widmen zu können, die ihre eigentliche Aufgabe bilden. Eine moderne Fabrik sollte, soweit die Art der Fabrikation es zuläßt, wie eine große selbsttätige Maschine arbeiten, bei der sich genau berechnen läßt, wieviel sie leisten wird, und um wieviel die Fabrikation den Preis des Fertigerzeugnisses gegenüber dem der Rohstoffe erhöht. Das ist natürlich nur möglich, wenn die menschliche Leistungsfähigkeit und der menschliche gute Wille, weil unberechenbar, so weit als durchführbar ausgeschaltet werden. Wie ein einziger Arbeiter ohne die geringste Anstrengung eine ganze Reihe von selbsttätigen Drehbänken bedienen kann, so kann eine Persönlichkeit eine Anzahl solcher Fabriken bauen und überwachen und dabei ihre Kräfte weit mehr schonen als bei der Leitung eines einzigen, unvollkommen eingerichteten Werkes. Es ist kein Zufall, daß gerade die in industrieller Beziehung am raschesten fortschreitenden Länder in der Anwendung selbsttätiger Maschinen der übrigen Welt voraus sind; denn sie bekommen dadurch ungeheure Energien, körperlich wie geistig, frei, die sie mit allem Nachdruck auf bisher unbebaute Gebiete werfen können.