Titel: Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1909.
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 76
Download: XML
Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1909. (Schluß von S. 61 d. Bd.) Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes usw. Unter den Arbeiten der Abteilung für Papier- und textiltechnische Untersuchungen verdienen allgemeines Interesse folgende papiertechnische Untersuchungen 1. diejengen zur Aufklärung von Urkundenfälschungen. In einem solchen Falle handelte es sich darum nachzuweisen, ob die Schlußworte eines Schreibens mit anderer Tinte oder zu anderer Zeit geschrieben wurden als der übrige Text des Schreibens, und ob und welche Umstände etwa darauf hindeuteten, daß diese Worte nachträglich eingefügt waren. Die Schrift wurde chemisch und mikroskopisch bei auffallender, schräger und durchfallender Beleuchtung untersucht. Die Prüfung ergab keinen Anhalt dafür, daß die Schlußworte mit anderer Tinte oder zu anderer Zeit geschrieben wurden als der voraufgehende Teil des Schriftstückes. Dagegen wurde in einem anderen Fall durch mikroskopische und chemische Prüfung zweifelsfrei festgestellt, daß die 1 einer über 15 Mark lautenden Quittung mit anderer Tinte geschrieben war, als die fünf und der übrige Teil der Quittung. 2. Die Arbeiten zur Aufklärung der Frage wegen Selbstentzündung von Altpapier. Eine Firma hatte mit der Bahn eine Ladung Altpapier verschickt, die in Brand geraten war. Nach Ansicht der Eisenbahnbehörde lag Selbstentzündung vor, hervorgerufen durch fettiges Papier. Der Eisenbahnfiskus forderte daher von der Firma, die das Altpapier verfrachtet hatte, Schadenersatz. Die Firma verweigerte die Bezahlung des Schadens, weil sie es für ausgeschlossen hielt, daß sich das Altpapier, welches weder fett- noch ölhaltige Stoffe enthalten habe, selbst entzünden könnte. Das Amt stellte an den noch vorhandenen Proben der in Brand geratenen Ladung Altpapier fest, daß die Papiere tatsächlich weder fett- noch ölhaltige Stoffe enthielten. Das Amt schickte außerdem zur Klärung der Angelegenheit eine Rundfrage an zwölf Papiersortieranstalten, zehn Pappenfabriken und zehn Feuerversicherungsgesellschaften. Unter Berücksichtigung der bei der Prüfung der Papierreste gemachten Beobachtungen und der auf die Umfrage eingegangenen Antworten hielt es das Amt für sehr unwahrscheinlich, daß das eingeschickte Altpapier durch Selbstentzündung in Brand geraten war. Selbst wenn das Material fettige oder ölige Stücke enthalten hätte, würde eine Selbstentzündung nach den vorliegenden Erfahrungen sehr unwahrscheinlich sein. 3. Die Untersuchungen von Kohlenpapier auf Brauchbarkeit. Die Untersuchungen erstreckten sich auf Dickenmessungen, Gleichmäßigkeit der Farbschicht, Anzahl brauchbarer Durchschläge, die gleichzeitig hergestellt werden konnten, Ermittlung der Anzahl der mit einem Kohlenpapierblatt bei Benutzung derselben Stelle nacheinander herstellbaren, noch gut lesbaren Durchschläge, Schärfe und Deutlichkeit der Durchschläge, Verwischbarkeit der Schrift der Durchschläge, Belichtung der Durchschläge bei Tageslicht. 4. Die Untersuchung von Zellstoff auf Trockengehalt um festzustellen, ob bei der Trockengehaltsbestimmung der Zellstoffe durch Erhitzen auf 100–105° C eine so weitgehende Zersetzung des Stoffes eintritt, daß das Trockengewicht zu hoch oder zu niedrig gefunden wird. Das Gesamtergebnis der Untersuchungen ist dahin zusammenzufassen, daß die bisher übliche Bestimmung des Trockengehaltes von Zellstoffen bei etwa 105° C einwandfrei ist und zutreffende Werte liefert. Es trat selbst beim Trocknen des Zellstoffes bis zu 120° C keine so weitgehende Zersetzung des Zellstoffes ein, daß der Trockengehalt dadurch beeinflußt würde, selbst dann nicht, wenn die Stoffe nicht ganz ausgewaschen waren. 5. Die Arbeiten über Mittel und Wege zum Schutze alter Handschriften gegen Zerfall wurden nahezu beendigt. Die vom Amt hergestellte Zellitlösung hat sich für die Festigung morscher Schriftstücke gut bewährt und besitzt der bisher verwendeten Zaponlösung gegenüber mannigfache Vorteile. Die Herstellung der Lösung nach Angabe des Amtes und den Vertrieb haben die Elberfelder Farbenfabriken Bayer & Co. übernommen. Sämtliche Staatsarchive und Bibliotheken Deutschlands und die meisten städtischen Anstalten ähnlicher Art wurden auf die mit der Zellitlösung gemachten Erfahrungen aufmerksam gemacht und gebeten, die neue Lösung zu prüfen. Von einigen Stellen liegen bereits Aeußerungen über gute Erfahrungen vor. 6) Vergleichende Versuche mit Zeichenpapier deutschen Ursprunges und echtem Whatman-Papier auf Falzwiderstand ergaben für das deutsche Papier 7318, für Whatman nur 257 Doppelfalzungen. 7. Von den im Auftrage von Behörden untersuchten 1102 Normalpapieren entsprachen 83 = 7,5 v. H. den vorgeschriebenen Lieferungsbedingungen nicht. Die Verstöße waren im allgemeinen leichter Art. Der Verein deutscher Dachpappenfabrikanten ist zurzeit damit beschäftigt, Normen für Rohpappen zu schaffen, um den Handel mit diesem Sondererzeugnis auf feste Grundlagen zu stellen. In verschiedenen Beratungen, der auch Vertreter des Vereins Deutscher Rohpappenfabrikanten beiwohnten, wurden die Normenvorschläge der Dachpappenfabrikanten eingehend besprochen und Aenderungsvorschläge gemacht. Zu einer Einigung ist es bisher noch nicht gekommen, voraussichtlich wird es aber gelingen, eine Grundlage für die Normen zu schaffen, die die Zustimmung beider Interessentengruppen findet. Die Reichhaltigkeit der textiltechnischen Untersuchungen, auf die im Einzelnen einzugehen wir uns versagen müssen, möge durch folgende Aufzählung dargetan sein: Untersuchungen von Haargarntreibriemen und eines Geflechtes für Gasglühkörper auf Stoffzusammensetzung, von Isolierband auf das Verhalten in heißem Transformatorenöl, von Garn auf Aufsaugevermögen für flüssiges Bienenwachs, über die Ursachen mangelhafter Bleichung von Stuhlrohr und Mittel zur Beseitigung der Betriebsstörungen, über das Anlaufen von Silbertressen und Goldlitzen, über die Ursachen der Entstehung von Farbstreifen in Wollstoff und Seidengewebe sowie von glanzlosen mürben Stellen bei Kunstseide auf dem ursprünglich ganz neutralen Faden infolge Entwicklung saurer Stellen, über die Ursachen von Beschädigungen an Militärmänteln, Tornistern, an einem Seidenmantel und an Wäschestücken sowie über den Einfluß von Waschmitteln auf Halbleinen. Der Bericht der Abteilung für Metallographie enthält interessante Mitteilungen über den Widerstand der verschiedenen Eisensorten gegen Rosten. In ruhendem Wasser war der Rostangriff sowohl von Schweißeisen, als auch von Gußeisen zeitweise größer, zeitweise kleiner als der von Flußeisen. Die Gewichtsabnahmen von Schweißeisen und Gußeisen pendeln um die Gewichtsabnahme des Flußeisens herum. Man findet sonach je nach der Dauer des Versuches eine andere Reihenfolge der drei Eisensorten bezüglich der Stärke des Rostangriffes. Die Unterschiede liegen innerhalb der Grenze ± 10 v. H. War dagegen das Wasser, dem die Eisenarten ausgesetzt sind, in Bewegung, so war der Angriff des verwendeten Gußeisens im allgemeinen wesentlich stärker als derjenige der verwendeten schmiedbaren Eisensorten. Der hierdurch bedingte scheinbare Vorzug des verwendeten Flußeisens gegenüber dem verwendeten Gußeisen wird aber dadurch zum Teil wieder wettgemacht, daß der Angriff des Flußeisens in bewegtem Wasser sehr ungleichmäßig vor sich geht, so daß sich Stellen geringen Angriffs neben Stellen mit sehr starken Anfressungen finden. Bei dem verwendeten Gußeisen war der Angriff in der Regel wesentlich gleichmäßiger. Bei Verwendung von einprozentiger Schwefelsäure ergaben sich für die drei untersuchten Eisensorten folgende Gewichtsabnahmen: Flußeisen: Schweißeisen: Gußeisen = 1 : 2 : 100 und bei Verwendung von Wasser, das ständig mit Kohlensäure gesättigt erhalten wurde: Flußeisen: Schweißeisen: Gußeisen = 1 : 1,31 : 4,3. Rostversuche mit Lösungen zweier Salze in Wasser ergaben einige bemerkenswerte Tatsachen. Die Schutzwirkung des Natriumkarbonates wird durch Zusatz von Kochsalz aufgehoben, desgleichen die Schutzwirkung des Kaliumdichromates. Ammoniumchlorid hat auf Natriumkarbonat ähnliche Einwirkung wie Natriumchlorid, doch ist hier die Wirkung schwächer als beim Natriumchlorid. Zusatz von Natriumsulfat übt keine wesentliche Wirkung aus. Rostversuche bei höheren Wärmegraden ergaben in allen Fällen erhebliche Verstärkung des Rostangriffe. Die Steigerung des Angriffe geht bis zu einer bestimmten, bei etwa 60–80° C liegenden Temperatur, alsdann sinkt das Angriffsvermögen wieder ab. Starke Zersetzungserscheinungen vorwiegend auf der äußeren Rohrwandung gußeiserner Leitungsrohre nach 40 und 25 jährigem Betriebe werden damit zu erklären versucht, daß der Boden, in dem die Rohre lagen, reichliche Mengen von Schwefeleisen enthielt und die durch Zersetzung des Schwefeleisens bei Gegenwart von Luft und Feuchtigkeit freiwerdende Schwefelsäure das Eisen der Rohre überall dort angriff, wo der Schutzanstrich Verletzungen aufwies. Eine Stütze erhält diese Erklärung dadurch, daß auch im zersetzten Material Sulfat-Schwefel nachgewiesen werden konnte. Ferner gelangten verschiedene Flamm- und Siederohre zur Untersuchung, die bereits nach kurzer Betriebszeit starken örtlichen Rostangriff zeigten. Die Kessel waren laut Angabe der Antragsteller teils mit sehr reinem Wasser (Kondenswasser), teils mit weichgemachtem Wasser (Kalk und Soda) gespeist worden. Die Untersuchung ergab, daß von wesentlichem Einfluß auf den Rostangriff neben anderen Ursachen auch die Art des zur Speisung verwendeten Wassers sein kann. Ist das zur Speisung verwendete Wasser sehr rein, nähert es sich demnach in seiner chemischen Zusammensetzung dem destillierten Wasser, so kann schon hierdurch starker Angriff bewirkt werden, da destilliertes Wasser von allen für Kesselspeisung in Betracht kommenden Wassern und Salzlösungen das größte Lösungsvermögen für Luft (Sauerstoff) hat. Man verläßt sich vielfach darauf, daß Sodazusatz zu Wasser den Angriff des Eisens verhindert. Tatsächlich kann Zusatz von Soda zu Wasser unter bestimmten Umständen diese Wirkung ausüben. Unter anderen Umständen kann aber auch die gegenteilige Wirkung erzielt werden. Bei den Versuchen setzte diese Schutzwirkung der Sodalösung bei Zimmerwärme erst bei mindestens 10 g Na2CO3 im Liter ein, Bei höheren Wärmegraden rückte der zur Schutzwirkung erforderliche Mindestzusatz herunter, z.B. bis auf 1 g Na2CO3 im Liter bei 95° C. Sind die Sodagehalte geringer als diese Grenzwerte, so rostet das Eisen. Ganz besonders gefährlich ist bei Zimmerwärme ein Gehalt von etwa 1 g Na2CO3, bei etwa 95° C ein Gehalt von ungefähr 0,005 g Na2CO3 im Liter (kritischer Gehalt). Die Lösungen mit den kritischen Gehalten greifen sehr stark örtlich an; der Angriff verteilt sich sehr ungleichmäßig über die Fläche des Eisens. Während einzelne Stellen sehr stark rosten, rosten andere wieder gar nicht. Für die Technik ist eine solche Art des Angriffe besonders gefährlich, weil das Eisen an bestimmten Stellen durchgefressen wird, während es an benachbarten Stellen gut erhalten bleibt. Die Lebensdauer der Eisenteile ist somit unberechenbar. Vergleichende Versuche über den Rostangriff von Speisewasser auf Kesselblech ergab folgende erhebliche Unterschiede in der Gewichtsabnahme der Probeplättchen bei zwei verschiedenen Wassern, die zugleich auch deutliche Steigerung des Angriffe bei Steigerung der Temperatur erkennen lassen. Temperatur des Wassers Zimmerwärme 80° C Gewichts-abnähme in Leitungswasser des Amteseingesandtem Kondenswasser 100216 100401 Ueber Rostschutzmittel liegen folgende Versuche vor: Unter Mennigeanstrich kroch der Rost von einer nicht gestrichenen Stelle aus auf ziemlich weite Strecken weiter vor und führte schließlich zum Abblättern des Anstriches. Bei galvanischer Vernicklung wurde das Eisen an Stellen, wo die Vernicklung abgesprungen war, in destilliertem Wasser stark von Rost angegriffen. Feuerverzinkte Eisenproben widerstanden dem Rostangriff in Wasser wesentlich länger als elektrolytisch verzinkte Proben. Ueber Zersetzungserscheinungen an Aluminium wird ein ausführlicher Untersuchungsbericht angekündigt, hervorgehoben wird hierbei, daß beim Angriff des Aluminiums durch Wasser und Salzlösungen zwei verschiedene Wirkungen zu unterscheiden seien: Angriffsart a: Gleichmäßiger Angriff von der Oberfläche her, bedingt durch Umwandlung des Aluminiums in Aluminiumhydroxyd. Angriffsart b: Oertliche Einfressungen, Auftreten von Beulen und Aufblättern, wodurch selbst bei verhältnismäßig geringfügigen Mengen des in Aluminiumhydroxyd umgewandelten Aluminiums erhebliche Zerstörungen des Materials eintreten. Welche Art des Angriffs eintrete, hänge ab 1. von dem Zustand, in dem sich das Aluminium befindet und 2. von der Art des Wassers oder der Salzlösung. Je stärker die Kaltstreckung (bleibende Formveränderung bei niederen Wärmegraden) sei, um so mehr sei bei Gegenwart geeigneter Wassersorten oder Lösungen Neigung zur Angriffsart b ausgeprägt. Beseitige man die Kaltstreckung durch Erwärmen des Metalls auf etwa 450° C, so höre der Angriff nach Art b auf, es bleibe nur der Angriff nach Art a übrig, der für die Lebensdauer des Materials weniger gefährlich sei. Aus den sonst in dem vorliegenden Bericht erwähnten Untersuchungen mögen die folgenden hier kurz aufgeführt sein, um darzutun, in welchen Fällen die Metallographie mit Nutzen zu Rate gezogen werden kann: Aufklärung der Ursache von Materialbrüchen im Betriebe, in einer Reihe von Fällen konnten die Ursache auf fehlerhaftes Material (Schlackeneinschlüsse, Zonenbildung infolge Ausseigerungen von Phosphor und Schwefel, fehlerhafte Wärmebehandlung, Ueberhitzung beim Schweißen, unsachgemäße Härtung usw.), in anderen Fällen auf Ueberanstrengung und Zerstörung des Gefüges durch die Betriebsbeanspruchung zurückgeführt werden; Nachweis, ob gegossenes oder geschmiedetes Material vorliegt, sowie Nachweis mangelhafter Schweißungen. Unter den Arbeiten der Abteilung für allgemeine Chemie mögen die folgenden genannt sein: Ausbildung eines Verfahrens zur Bestimmung des Gehaltes von Kohlenstoff und Phosphor in Ferrophosphor; Untersuchung von Farbstoffen auf Verfälschungen mit Schwerspat (nachgewiesen sind bis zu 80 v. H.); Heizwertbestimmungen für Brennmaterialien; Untersuchungen von Holz auf das Eindringen der Imprägnierung, von Kesselspeisewasser auf schädliche Bestandteile, von Sprengstoffen zur Beurteilung der Transport- und Lagersicherheit, von Tinten, sowie von Kautschuk nach den von den vereinigten Fabrikanten isolierter Leitungen aufgestellten Lieferungsbedingungen. Bei den letzteren stellte sich heraus, daß die Innehaltung der von den Fabrikanten vorgeschriebenen Bedingungen insofern auf Schwierigkeiten stieß, als das fertige Material in seiner Zusammensetzung in vielen Fällen nicht mehr der ursprünglichen Rohmischung entspricht. Versuche ergaben, daß diese Erscheinung dadurch bedingt ist, daß das Kautschukmaterial während der Verarbeitung zumal bei Gegenwart von Ceresin Veränderungen erleidet. Da durch die Analyse nur die Zusammensetzung des fertigen Materials wiedergegeben wird, kann es vorkommen, daß Mischungen, die im unvulkanisierten Zustande den vorgeschriebenen Bedingungen genügen, dies nach der Vulkanisation nicht mehr tun. Empfohlen wird bei Neuaufstellung der Lieferungsbedingungen auf diese Veränderungen, die die Zusammensetzung der Kautschukmischungen im Laufe der Fabrikation erleidet, Rücksicht zu nehmen. Die Untersuchungen der Abteilung für Oelprüfung erstreckten sich im wesentlichen auf die Untersuchung von Rohölen, Benzin, Petroleum, Transformatorenölen, Schmierölen, Oelrückständen in Gasmaschinenzylindern, Schmierfette, Asphalt, Wachs, Wollfett, Glyzerin, Seifen, Firnis und Lacken.