Titel: Bemerkenswertes aus dem maschinen- und elektrotechnischen Gebiet auf der Weltausstellung in Brüssel 1910.
Autor: A. Linker
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 248
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Bemerkenswertes aus dem maschinen- und elektrotechnischen Gebiet auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. Von Dr.-Ing. A. Linker, Kiel. (Fortsetzung von S. 217 d. Bd.) Bemerkenswertes aus dem maschinen- und elektrotechnischen Gebiet usw. In der Maschinenhalle der deutschen Abteilung konnte man verschiedene Erzeugnisse der rühmlichst bekannten Spezialfabrik Dr. Paul Meyer A.-G., Berlin, beobachten. Dabei ist zuerst die Hauptschaltafel zu erwähnen, welche zur Verteilung der elektrischen Energie die dafür erforderlichen Instrumente und Apparate enthält. Außerdem fanden sich an ihr noch Apparate, die nicht im Betriebe vorgeführt wurden, sondern nur Ausstellungszwecken dienten. Die beiden äußersten Felder der rechten Seite enthielten vollständige Ausrüstungen für Hochspannungszentralen. Die Oelschalter besaßen dabei eine Einrichtung für Druckknopffernsteuerung. Die dabei notwendigen Einstell- und Regulierapparate befanden sich jedoch an einem Schaltpult und einer Schaltsäule, die vor der Tafel direkt am Geländer standen. Durch diese Anordnung ist man von der bisher gebräuchlichen Methode abgewichen, alle Apparate und Bedienungsschalter an einer senkrechten Tafel zu befestigen. Meines Ermessens dürfte diese Anordnung aus ästhetischen Rücksichten und mit Hinsicht auf manche praktischen Vorzüge nur zu empfehlen sein. Die Schalter (Fig. 13) sind an der Tafel so befestigt, daß nur der Bedienungshandgriff, wie allgemein üblich, vorne liegt, während die Einschaltung hinter der Tafel erfolgt. Die zwischen den Handgriffen und den stromführenden Teilen gelegenen Metallstücke sind zur Sicherung des Bedienungspersonals geerdet. Textabbildung Bd. 326, S. 247 Fig. 13.Schalter von Dr. Paul Meyer A.-G. Für Stromstärken bis 4000 Amp. sind die Schalter als Momentschaltung nach einheitlichem System durchgebildet. Bis 750 Amp. besitzen sie gebogene ruhende Kontakte und Messer, die dem Gestänge beim Ausschalten nachschnappen. Für höhere Stromstärken sind die Messer federnd angeordnet, machen jedoch die Momentbewegung nicht mit, sondern verlassen die Kontakte erst, nachdem kleinere Schnappmesserden Strom übernommen haben, die dann, durch Federkraft betätigt, eine augenblickliche Ausschaltung des Stromes bewirken. Dadurch sollen die Kontaktflächen der Hauptmesser geschont werden. Textabbildung Bd. 326, S. 248 Fig. 14.Hörnersicherung von Dr. Paul Meyer A.-G. Die selbsttätigen Schalter liegen ebenfalls hinter der Tafel, werden aber von vorne bedient. Damit nun die Fallhebel nicht mit dem Bedienungsgestänge zusammenstoßen, ist dieses so eingerichtet, daß es in die Ruhelage zurückfällt, wenn der Handgriff losgelassen wird. Um nun die Stellung des Schalters, die jetzt mit der des Handgriffs nicht in Einklang steht, anzuzeigen, sind kleine Merklampen vor der Schalttafel angebracht, die durch Hilfskontakte an den Schaltern betätigt werden (rot- eingeschaltet, grün = ausgeschaltet). Die Sicherungen über 800 Amp. für Niederspannung bis 750 Volt sind Hörnersicherungen (Fig. 14). Um hierbei unter geringem Energieverlust und niedriger Erwärmung den Strom sicher und schnell zu unterbrechen, sind die Schmelzeinsätze in Haupt- und Nebeneinsätze unterteilt, welche miteinander parallel geschaltet und so abgeglichen sind, daß zuerst der kurze Haupteinsatz von niedrigem Schmelzpunkt und nach einer kurzen Zeit erst die drahtförmigen Nebeneinsätze von geringer Masse und hohem Schmelzpunkt durchbrennen. Da die Drähte Schleifen bilden und die Hörner mit Eisen armiert sind, wird eine kräftige magnetische Blaswirkung erzielt. Textabbildung Bd. 326, S. 248 Fig. 15.Schaltsäule von Dr. Paul Meyer A.-G. Auch ein Doppelzellenschalter mit Spindel und Schlitten für 1000 Amp., der für selbsttätige oder auch Ferneinstellung eingerichtet ist, war ausgestellt. Er besitzt 23 Kontakte und eine besonders konstruierte patentierte Funkenentziehvorrichtung. Sobald nämlich eine Zelle zu- oder abgeschaltet werden soll, wird vorher durch einen mit der Spindel zwangläufig bewegten Schalter ein Parallelstromkreis zu den Hauptkontakten geschlossen, so daß an diesen keine Funken auftreten können. Der Schalter nimmt vielmehr den beim Oeffnen oder Schließen der Zelle auftretenden Funken auf. Durch die Vereinigung aller Abbrennkontakte in einen einzigen ist ein sicheres Arbeiten der Hauptkontakte und eine schnelle Auswechselbarkeit der verbrannten Kontakte ermöglicht, Da jedoch die Funkenentzieher in der Ruhestellung stromlos sind, so werden sie wenig abgenutzt, so daß eine Auswechslung erst nach längerem Gebrauch erforderlich und außerdem sogar während des Betriebes möglich ist. Textabbildung Bd. 326, S. 248 Fig. 16.Schaltpult von Dr. Paul Meyer A.-G. Der selbsttätige Antrieb der Spindel, welcher bei anderen Fabrikaten durch Kontaktvoltmeter bewirkt wird, geschieht durch eine verhältnismäßig kräftige und trotzdem sicher wirkende Vorrichtung. Durch Verwendung von magnetisch labilen Körpern, d.h. solchen, die bei der geringsten Entfernung aus der Ruhelage durch Verringerung des magnetischen Widerstandes eine immer stärker werdende Wirkung und Beschleunigung der Bewegung hervorrufen, wird ein kräftiger Druck zwischen den Kontaktstellen erreicht. Zu dem Zweck sind zwei Elektromagnete mit fast vollständig geschlossenem Eisenkreis verwendet, von denen der eine seinen Anker bei normaler Spannung noch nicht anziehen kann, beim Steigen derselben dagegen mit zunehmender Geschwindigkeit und Kraft anzieht und gegen einen Kontakt preßt. Der andere Magnet dagegen hält den Anker bei normaler Spannung gerade fest, jedoch beim Sinken derselben läßt er ihn mit wachsender Geschwindigkeit gegen einen Kontakt fallen. Durch Schließen eines der beiden Kontakte wird ein Relais betätigt, welches den Spindelmotor in entsprechender Drehrichtung einschaltet. Statt dieser Vorrichtung für schrittweise Verstellung des Zellenschalterschlittens kann auch eine Fernsteuerung vorgesehen werden, wie sie an der Schalttafel ebenfalls sichtbar war. Dabei braucht der Maschinist nicht erst jeden einzelnen Schritt der Bewegung abzuwarten, sondern kann durch Einstellung einer größeren Anzahl von Schritten an einem Handrade bewirken, daß der Apparat dieselben selbsttätig ausführt und bei dem richtigen Kontakt angelangt zum Stillstand kommt. Die Stellung des Schlittens wird dabei an einem Schauloch mit beweglichen Nummern abgelesen. Die Hochspannungsschalttafel halte ein Feld für 12000 Volt mit getrennt angeordneten Maximalausschaltern und eins für 6000 Volt mit Oelschaltern und direkt angebauten Maximal-Zeitauslösern. Die Oelschalter sind mit Ein- und Ausschaltspulen für Fernsteuerung versehen. Diese geschieht für den einen Schalter durch ein Druckknopftableau einer Schallsäule (Fig. 15), für den anderen durch ein ähnliches Tableau in einem besonderen Schaltpult Fig. 16). Als optisches Zeichen für die betreffende Schaltung dienen Glühlampen. Während im allgemeinen die Meßinstrumente für hochgespannten Wechselstrom über Meßtransformatoren mit der Leitung in Verbindung stehen war ein Strommesser der rechten Tafel in der Weise angeschlossen, daß die Wicklung direkt Hochspannung führt, während das Gehäuse auf einem Isolator sitzt (Fig. 17). Da die Berührung des Instruments lebensgefährlich sein kann, ist dasselbe im Gerüst tief versenkt und gegen die Schaltafel durch einen geerdeten Frontring mit doppelter Glasscheibe abgedeckt. Textabbildung Bd. 326, S. 249 Fig. 17.Hochspannungsstrommesser von Dr. Paul Meyer A.-G. Textabbildung Bd. 326, S. 249 Fig. 18.Hochspannungs-Schaltkasten von Dr. Paul Meyer A.-G. Das Schaltpult und die Schaltsäule dienten zur Regulierung je eines Generators und zur Parallelschaltung mehrerer Maschinen. Die Handräder sind dabei zur Steuerung von Hauptstrom- und Nebenschlußregulatoren und die Schalter für das Einschalten der Phasenlampen angeordnet. An der Brüstung des Schalttafelbedienungsganges waren einige Hochspannungsschaltkästen aufgestellt, wie sie Fig. 18 zeigt, und zwar zwei kleine für Spannungen bis 1000 Volt und Ströme bis 60 Amp., zwei größere für 3000 Volt und 60 Amp. Die sonst gebräuchlichen Schaltmesser sind dabei als Sicherungen ausgebildet und durch Porzellanisolatoren an beweglichen Haltern unter dem Deckel befestigt. Die Halter werden bei geschlossenem Deckel von außen durch einen Hebel nach abwärts bewegt. Die Zu- und Ableitungen der Hochspannung erfolgen durch den Boden des Kastens und endigen in Messerkontakten, die sich in. die federnden Kontakte des Sicherungshalters beim Herablassen desselben nach Schließung des Kastens einklemmen. Dadurch wird eine gewisse Sicherheit für die Bedienung ermöglicht; Reparaturen und Revision der Kontakte bezw. Auswechseln der Sicherungen sind gefahrlos auszuführen. Durch ein System von Anschlägen und Riegeln ist ferner eine Oeffnung des Deckels nur dann möglich, wenn der Schalter ausgeschaltet, d.h. der Sicherungshalter hochgezogen ist. Andererseits kann bei herabgelassenem Schalter der Deckel nicht soweit schließen, daß dadurch eine unbeabsichtigte Einschaltung der Sicherungen bewirkt wird. Die Schmelzstreifen sind um die Zähne eines kammartigen Isolierstreifens gewickelt. Hierdurch wird ein beim Durchbrennen der Sicherung sonst entstehender Lichtbogen in viele kleine Teile zerlegt. Der Energiebetrag der Partiallichtbögen wird in diesem Falle klein sein, so daß die Flamme schnell und sicher erlischt. Textabbildung Bd. 326, S. 249 Fig. 19.Zählereichtisch von Dr. Paul Meyer A-G. In der Unterabteilung „Elektrizität“ hatte die Firma außer verschiedenen elektrischen Apparaten eine komplette Eichstation für Wechselstromzähler ausgestellt. Sie besteht aus einem Tisch mit Rückwand zur Aufhängung der Zähler und einer Marmortafel (Fig. 19), auf der sämtliche Hilfsapparate vereinigt sind. Für mehr als vier Zähler können Zusatztische mit dem Haupttisch mechanisch und elektrisch leicht verbunden werden. Die Eichung geschieht mit getrennten Stromkreisen für die Strom- und Spannungsspule, und zwar wird der Hauptstrom einem kleinen Einphasentransformator mit 6–10 Volt Sekundärspannung entnommen, während der Spannungskreis über einen Phasenschieber an die Drehstromquelle angeschlossen wird. Der Phasenschieber hat die bekannte Form eines Drehstrommotors (Fabrikat der „Vulkan“ Motorengesellschaft, Berlin) mit entsprechender Rotorwicklung, die durch Schneckengetriebe verstellbar ist. Zur Regulierung der Statorspannung dienen drei gleiche Vorschalt widerstände (Ruhstrat, Göttingen). Ferner konnte man Registrierinstrumente für Spannung, Stromstärke und Leistung wahrnehmen, die wesentliche Verbesserungen an der Schreibvorrichtung besitzen. Auf einer besonderen Tafel waren Fabrikate mit Quecksilberröhren, z.B. Strombegrenzer, Fernschalter, Reklameapparate ausgestellt. Die Strombegrenzer haben den Zweck, bei Pauschaltarifen für elektrische Energie ein Ueberschreiten der Entnähme über die ausbedungene Stromstärke hinaus zu verhindern. Der Vorzug dieser Apparate gegenüber ähnlich wirkenden beruht in der Sicherheit des Arbeitens und in dem Wegfall der Abnutzung bezw. des Zusammenschmelzens an den Kontaktstellen, da die. Unterbrechung im Vakuum arbeitet. Außerdem wird bei Mehrentnahme die Leistung soweit heruntergedrückt, daß der Mittelwert des entnommenen unterbrochenen Stromes den höchstzulässigen Strom nicht überschreitet. Die Fernschalter und Reklameschalter „Oscillor“ beruhen auf demselben Prinzip. (Fortsetzung folgt.)