Titel: Der heutige Stand im Dampfturbinenbau.
Autor: Meuth
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 427
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Der heutige Stand im Dampfturbinenbau. Von Bauinspektor Dr.-Ing. Meuth, Stuttgart. (Fortsetzung von S. 407 d. Bd.) MEUTH: Der heutige Stand im Dampfturbinenbau. Die Allgemeine Elektrizitätsgesellsehaft hat sich auch die Ausbildung der für Dampfturbinen so wichtigen Kondensationsanlagen zur Aufgabe gemacht. Die Größe der Kondensationsanlage steht vielfach im Mißverhältnis zur Ausdehnung der Turbine, zu welcher sie gehört und deren Raumbedarf gerade bei der Turbine der A. E. G. besonders gering ist. In Fig. 32 ist die Anordnung der Hilfsmaschinen für die Kondensation zu erkennen. Textabbildung Bd. 326, S. 427 Fig. 32.A. E. G-Kondensationsanlage. Als Hilfsmaschinen sind nur rotierende Pumpen gewählt, die alle auf einer gemeinsamen Welle sitzen und von einer kleinen einstufigen Dampfturbine A angetrieben werden. In der Mitte sitzt die Kühlwasserpumpe C, doppelseitig wirkend und infolgedessen vom Achsialschub entlastet, am Wellenende ist die Kondensationspumpe D2 und im gleichen Gehäuse die rotierende Luftpumpe D1 angeordnet. Die Einrichtung und Wirkungsweise der letzteren ist höchst eigenartig. Die Luftpumpe hat die Luft im Kondensator von sehr niederer Spannung auf atmosphärischen oder etwas höheren Druck zu verdichten, der etwa das 50fache des Anfangsdruckes beträgt. Dieses hohe Druckverhältnis würde mit den gewöhnlichen Mitteln einen vielstufigen Kompressor verlangen. Statt dessen wendet die A. E. G. eine kleine Zentrifugalpumpe an, welche Wasser in vielen Strahlen mit hoher Geschwindigkeit in einen feststehenden Leitring schleudert. Dieser ist, wie Fig. 33 zeigt, in eine große Zahl tangential verlaufender Kanäle geteilt, in welche das Wasser eintritt. Auf seinem Wege reißt es die Luft aus dem Kondensator mit in die Leitkanäle, wo sie immer zwischen zwei Wasserpfropfen eingeschlossen unier stetiger Zunahme des Druckes nach außen befördert wird. Die Kompressionswärme, welche bei diesem Vorgang frei wird, kann zusammen mit der Wärme, welche durch Kondensation des mitgerissenen Dampfes an das Schleuderwasser übergeht, dadurch wiedergewonnen werden, daß das letztere zur Kesselspeisung verwendet wird, es ist auch vollkommen ölfrei, falls als Schleuderwasser von vornherein reines Wasser verwendet wird. Textabbildung Bd. 326, S. 428 Fig. 33.A. E. G.-Strahlkondensator. Textabbildung Bd. 326, S. 428 Fig. 34.Kondensationsanlage gewöhnlicher Art. Zweckmäßig wird als Schleuderwasser der Ausguß der Kondensatpumpe, verwendet, das völlig rein ist. Es ist sehr wichtig, daß die Kanäle des Leitringes nicht durch Ablagerungen von Verunreinigungen des Schleuderwassers verstopft werden. Bei Verwendung des Kondensats als Schleuderwasser wird es notwendig, dieses möglichst auf die Temperatur des Kühlwassers zu bringen, weil davon die Höhe des Vakuums abhängt. Bei diesem Verfahren, wo der Ausguß der Luftpumpe auch noch zur Kesselspeisung dient, befindet sich das zur Dampferzeugung und Arbeitsleistung verwendete Wasser in einem steten Kreislauf. Beim Anlassen ist nur die Luftpumpe mit Frischwasser aufzufüllen, weil sie sonst nicht ansaugt. Der besondere Antrieb der Kühlwasser-Kondensat- und Luftpumpe durch eine Dampfturbine hat große Vorteile, vor allem durch die Unabhängigkeit von der Primärmaschine bei elektrischem Antrieb; es kann die Kondensationsanlage vor Inbetriebsetzung der Hauptmaschine angelassen und sofort mit vollem Vakuum angefahren werden. Die Abmessungen der Pumpen werden auch durch den Antrieb einer raschlaufenden Turbine kleiner. Textabbildung Bd. 326, S. 428 Fig. 35.A. E. G. Kondensationsanlage von gleicher Leistung wie in Fig. 34. Textabbildung Bd. 326, S. 428 Fig. 36.A. E. G.-Kondensationsanlage mit stehender Welle. In welcher Weise sich die Raumbeanspruchung und die Anordnung der Kondensationsanlage verbessert, zeigen Fig. 34 und 35, in welchen die Kondensationsanlage einer 6000 KW-Turbodynamo mit elektrisch angetriebenen gewöhnlichen Naßluftpumpen und diejenige einer gleichgroßen Maschine mit der neuen rotierenden Luftpumpe gegenübergestellt sind. Die Kondensationsanlage läßt sich in letzterem Falle auf der Grundfläche der Hauptdampfturbine unterbringen. In Fällen, wo die Kondensationsanlage nicht unter Flur gelegt werden kann, wird die senkrechte Bauart angewendet. Die Kondensatpumpe liegt hier, wie aus Fig. 36 hervorgeht, so tief, daß ihr das Kondensat aus der Turbine zuläuft. Die Leistung der neuen Pumpen ist höchst beachtenswert. Bei einem Versuch an einer Oberflächenkondensationsanlage für ein stündliches Dampfgewicht von 19000 kg wurde bei einer Kühlwassertemperatur von 9,5° C und mit der 14fachen Kühlwassermenge ein Vakuum von ∾ 87 v. H. erreicht; bei etwa 20facher Kühlwassermenge betrug das erreichte Vakuum 93,5 v. H. und bei 50facher Kühlwassermenge 97 v. H. In allen Fällen kam man dem theoretisch möglichen Vakuum, entsprechend der Temperatur des Kondensats, sehr nahe. Textabbildung Bd. 326, S. 429 Fig. 37.Reguliereinrichtung einer A. E. G.-Frischdampf-Abdampfturbine. An Spezialkonstruktionen ihrer Dampfturbinen führt die A. E. G. sowohl Abdampfturbinen mit und ohne vorgeschaltetes Hochdruck-Curtis-Rad als auch Gegendruck- und Anzapfturbinen für die Entnahme von Heizdampf aus. Aus Fig. 37 geht die Regulierungseinrichtung einer Frischdampfabdampfturbine hervor. Beide Regulierventile A und B für Frischdampf wie für Abdampf stehen durch dieselbe Druckölsteuerung unter dem Einfluß des Regulators. Der Steuerkolben führt jedoch erst dann das Drucköl der Frischdampfregulierung zu, wenn das Niederdruckregulierventil nahezu seine höchste Stellung erreicht hat. In der Abdampfleitung befindet sich noch ein Quecksilberdruckregler. Die Regulierungseinrichtung einer Anzapfturbine geht aus Fig. 38 hervor. Zwischen der Hochdruck- und Niederdruckstufe der Turbine ist eine Art Stauventil eingeschaltet, welches der Dampf, der in die Niederdruckturbine strömt, zu passieren hat. Textabbildung Bd. 326, S. 429 Fig. 38.Reguliereinrichtung einer A. E. G.-Anzapfturbine. Textabbildung Bd. 326, S. 429 Fig. 39.A. E. G.-Turbine zum Antrieb von Hilfsmaschinen auf Schiffen. Sinkt infolge größerer Heizdampfentnahme aus der Zwischenkammer der Druck in dieser, so schließt sich unter Einwirkung eines Druckölservomotors, der sich bei eingetretener Druckänderung in Bewegung setzt, dieses Ventil und läßt weniger Dampf in den Niederdruckteil strömen, oder sperrt diesen ganz ab. Das Ventil öffnet sich wieder, sobald weniger Heizdampf gebraucht wird oder bei gleichbleibendem Heizdampf bedarf die Leistung der Anzapfturbine und damit die Frischdampfmenge zunimmt. Hierbei wird der Druck in der Heizdampfleitung konstant gehalten; er kann durch eine Feder in beliebiger Höhe eingestellt werden. Für Schiffsbetrieb, und zwar für den Antrieb der Schiffsschrauben, führt die A. E. G. die größeren langsamlaufenden Maschinen in zwei Gehäusen aus. Der Hochdruckteil erhält eine größere Zahl mehrkränziger Gleichdruckräder, während die Schaufelkränze des Niederdruckteils auf einer Trommel sitzen, aber ebenfalls nach dem Gleichdruckprinzip arbeiten. Diese Trommelbauart ist deshalb gewählt, um den hier auftretenden Achsialschub als Entlastung für den Propellerschub zu benutzen. Im hinteren Teil des Niederdruckgehäuses ist die Rückwärtsturbine eingebaut, bestehend aus einzelnen Geschwindigkeitsstufenrädern und einer kürzeren Trommel mit einer Reihe von Gleichdruckschaufelkränzen. Hochdruck-, Niederdruck- und Rückwärtsturbine sitzen auf ein und derselben Welle. Für den Hilfsbetrieb auf Schiffen baut die A. E. G. langsamlaufende Turbinen, deren Konstruktion aus Fig. 39 hervorgeht, welche eine 200 KW-Maschine für 1800 Umdr. darstellt. Es sind hier vier je dreikränzige Einzelräder angeordnet. Besondere Sorgfalt ist auf die Kühlhaltung des Kollektors der angetriebenen Gleichstromdynamo verwendet. (Fortsetzung folgt.)