Titel: DIE KÜHLANLAGE DER MARKTHALLE VIII IN BERLIN.
Autor: F. Döring
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 577
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DIE KÜHLANLAGE DER MARKTHALLE VIII IN BERLIN. Von Oberingenieur F. Döring, Pankow-Berlin. DOERING: Die Kühlanlage der Markthalle VIII in Berlin. Inhaltsübersicht. Kurze einleitende Bemerkungen über den wirthschaftlichen und hygienischen Wert der Kühlanlagen in. Verbindung mit Markthallen; Darstellung der Kühlanlage der Berliner Markthalle VIII hinsichtlich ihrer wichtigsten Einrichtungen. Beschreibung des Abnahmeversuchs und Vergleich der dabei erzielten Leistung mit der garantierten Leistung. Das Bestreben der großen Selbstverwaltungskörper, die Lage ihrer Bewohner, sowohl in wirthschaftlicher, als auch in hygienischer Hinsicht mehr und mehr zu verbessern, wird durch Errichtung von großen Verkaufszentren, den Markthallen, deutlich gekennzeichnet. Der bei weitem größte Theil aller Lebensmittel wird heutzutage in den Markthallen zum Verkauf angeboten und gekauft. Diese Zentralisation der Waren hat den großen Vortheil, daß stets die Verkaufspreise aller Händler fast die gleichen sind, bei gleicher Güte des Materials, und daß Uebervortheilungen der Käufer durch Konkurrenzbestrebungen der Verkäufer untereinander hierdurch unterbunden sind. Der Käufer selbst hat des weiteren den großen Vortheil, alle Waren, die er kaufen will, auf verhältnismäßig kleinem Raum vereinigt zu sehen, und auf diese Weise große Opfer an Zeit zu sparen. Ständige Kontrolle der Lebensmittel durch Beamte sorgt dafür, daß nur erstklassige und einwandfreie Lebensmittel zum Verkauf angeboten werden und so der Gesundheitszustand der Bevölkerung keinen Schaden durch Genuß schlechter Waren erleiden kann. Die großen Errungenschaften der Technik auf dem Gebiete der künstlichen Raumkühlung haben dazu geführt, in fast allen größeren Markthallen Kühlanlagen in größerem Maßstabe zu schaffen. Speziell für die Lagerung von Fleisch, Wurst und ähnlichen Waren sind diese Anlagen von unersetzlichem Wert; wird doch dadurch der Händler in die Lage versetzt, größere Mengen von Fleisch und dergl. selbst in der warmen Jahreszeit längere Zeit aufzubewahren, und, da er stets größere Mengen auf einmal kaufen kann, billiger ein- und somit auch verkaufen zu können. Die Stadt Berlin besitzt in mehreren Markthallen derartige Kühlanlagen; es sei eine solche, wie dieselbe in der Markthalle VIII Berlin O., Andreasstraße, vorhanden ist, in folgendem beschrieben: Die Kühlanlage wurde im Jahre 1909 von der Maschinenfabrik A. Borsig in Tegel gebaut; die Gesamtdisposition der Kühlanlage ist aus Fig. 1 ersichtlich. Maschinen-, Kühl- und Pökelraume sind im Kellergeschoß des Gebäudes untergebracht, und zwar sind vier Kühlraume von zusammen etwa 355 qm Grundfläche und ein Pökelraum von etwa 81 qm Grundfläche vorhanden. Die lichte Höhe der gekühlten Raume beträgt etwa 2,75 m. Die Kühlraume sind wieder durch Drahtgitter in Zellen eingetheilt, die an die verschiedenen Händler vermietet werden. Die Isolierung der Außenmauern ist durch Anordnung einer Luftschicht und Einbau von imprägnierten, geruchlosen Korksteinplatten hergestellt. Die Kühlung und Trocknung der Raumluft geschieht durch an der Decke angebrachte Kühlsysteme aus gußeisernen Rippenrohren. In diesen Rohren zirkuliert kalte Salzsole, welche von einer im Maschinenraum aufgestellten Zentrifugalpumpe durch die einzelnen Systeme gedrückt wird, um sich dann in einem gemeinsamen Sammelstück zu vereinigen und in den Salzwasserkühler abzufließen. Für intensive Luftbewegung und Lufterneuerung in den Kühlraumen ist durch Einbau von elektrisch angetriebenen Zentrifugalventilatoren reichlich gesorgt. Zum Auffangen des Schmelzwassers sind unter den Kühlsystemen Tropfrinnen angeordnet. Die Anordnung der Maschinen und Apparate im Maschinenraum ist aus Fig. 2 ersichtlich. Zum Antrieb der Maschinen dient ein Elektromotor, Fabrikat der Firma Bergmann Elektrizitätswerke, welcher bei 970 Umdr. i. d. Min. etwa 68 PSe leistet. Der Antrieb des Kompressors, der Kühlwasser- und Solepumpe, sowie des Verdampfer- und Kondensator-Rührwerks erfolgt von einer gemeinsamen Transmission aus. Der Kompressor arbeitet nach dem Schwefligsäure-Kompressions-Verfahren und ist mit Klappenventilen, System Gutertnuth, ausgestattet. Die garantierte Leistung betrug 110000 Kal. i. d. Std., bei – 7,5° C Soletemperatur im Salzwasserkühler. Der zum Niederschlägen der Schwefligsäuredämpfe erforderliche Kondensator ist als Tauchkondensator mit Ruhrwerk ausgebildet. Analog ist die Bauart des Salzwasserkühlers. Um die Betriebskosten möglichst gering zu gestalten, wurde als Kühlwasser Brunnenwasser verwendet, welches durch eine stehende Plungerpumpe in den Kondensator befördert wird. Da jedoch das Brunnenwasser in Berlin stark eisenhaltig ist, mußte, um ein Absetzen von Eisenoxyd auf den Rohrschlangen des Kondensators zu verhüten, eine Enteisenungsanlage eingebaut werden. Das Brunnenwasser wird daher, bevor dasselbe in den Kondensator fließt, durch zwei Enteisenungsapparate der „Voran-Apparate-Baugesellschaft“, Frankfurt a. M., gedrückt und so vom Eisengehalt befreit. Die Zirkulation der Sole geschieht durch eine Zentrifugalpumpe in der oben beschriebenen Weise. Die Uebernahme der Anlage von Seiten der Stadt Berlin erfolgte nach einem Abnahmeversuch, der die garantierte Leistung der gesamten Anlage feststellen sollte. Von Seiten der Firma A. Borsig war garantiert, daß der Kompressor stündlich 110000 Kal. bei – 7,5° C Soletemperatur leistet und daß der indizierte Kraftverbrauch bei dieser Leistung 33,6 PS bei einem-Kühlwasserbedarf von 11 cbm bei + 10° C Kühlwasserzufluß- und + 22°C Kühlwasserabflußtemperatur im Kondensator beträgt. Der Gesamtkraftbedarf, also des Kompressors, der Kühlwasser- und Solepumpe, der Rührwerke und der Transmissionsverluste sollte 50,5 eff. PS betragen. Die Garantien für die Raumtemperaturen und Feuchtigkeitsmengen in den Raumen waren in der Weise festgelegt, daß bei + 3° C Raumtemperatur der relative Feuchtigkeitsgehalt der Luft den Wert von 75 v. H. nicht übersteigen durfte. Die Anlage wurde im September 1909 auf die garantierten Verhältnisse hin untersucht. Die Feststellung der Kompressorleistung wurde durch einen Abkühlungsversuch der im Salzwasserkühler enthaltenen Sole vorgenommen. Die Sole war vorher bei stillstehendem Kompressor durch Zirkulation in den Rippenrohren der Kühlraume auf etwa ± 0° C angewärmt worden. Nach Inbetriebsetzung des Kompressors und Ausschaltung der Solepumpe wurde die im Verdampfer enthaltene Sole abgekühlt; die Ablesungen der Temperatur im Salzwasser und die Indizierungen des Kompressors erfolgten alle 5 Minuten, Die Messung der Sole ergab bei + 15° C ein spez. Gewicht von 1,183 und dementsprechend eine spez. Wärme von 0,796. Nach Abzug der Verdampferschlange, Stützen und des Rührwerkes betrug der Gesamtsoleinhalt des Verdampfers 8046,3 1. Das Interwall der Kühlzeit, welches für die Abkühlung in Rechnung gesetzt wurde, betrug 25 Minuten, und zwar bei Soletemperaturen, welche als Mittelwert – 7,5°C ergaben. Die effektive Kälteleistung durch Abkühlung der Sole betrug demnach i. d. Std.: \frac{8046,31\,.\,7,7\,.\,0,796\,.\,1,183\,.\,60}{25}=140071,4\mbox{ Kal.} Der Wasserwert des Verdampfers wurde zu 674,74 ermittelt.Die Kälteleistung durch Abkühlung des Eisens usw. beträgt: \frac{674,74\,.\,7,7\,.\,60}{25}=12469\mbox{ Kal.} Die Gesamtkälteleistung i. d. Std. beträgt demnach 140071,4 + 12469 = 152540 Kalorien. Bestimmung des Kraftverbrauchs. Die Hauptabmessungen des Kompressors sind folgende. Textabbildung Bd. 326, S. 578 Fig. 1. Zylinderdurchmesser = 400 mm, Kolbenstangendurchmesser =   65 mm, Kolbenhub = 600 mm. Die mittlere Umdrehungszahl des Kompressors i. d. Min. betrug 90,16. Aus den genommenen Diagrammen ergab sich der mittlere Druck zu: pm vorn = 1,56 kg/qcm, p m hinten = 1,59 kg/qcm. PS_i\,\mbox{vorn}=\frac{1223,46\,.\,0,6\,.\,1,56\,.\,90,16}{4500}=22,94, PS_i\,\mbox{hinten}=\frac{1256,64\,.\,0,6\,.\,1,59\,.\,90,16}{4500}=24,01. Der Gesamtkraft bedarf ergibt sich hieraus zu 46,95 PSi. Die Kälteleistung des Kompressors auf 1 PSi umgerechnet, ergibt \frac{152540}{46,95}=3249\mbox{ Kal./Std.} Umrechnung auf die garantierten Verhältnisse: Unter Hinweis auf die oben angegebenen Garantien stellt sich die Leistung folgendermaßen: Entsprechend einem Kühlwasserbedarf von 11 cbm bei 110000 Kal. f. d. Std. ergibt sich derselbe bei 152540 Kal. zu 15,3 cbm, bei + 10° C Kühlwasserzufluß und 22° C Ablauftemperatur. Die während des Versuches festgestellten Kühlwassertemperaturen betrugen für den Zulauf + 13,4° C und für den Ablauf + 23,56° C. Die Kühlwassererwärmung betrug demnach 10,16° C. Textabbildung Bd. 326, S. 579 Fig. 2. Für jeden Grad geringerer Erwärmung ist der Kraftverbrauch um etwa 4 v. H. niedriger, so daß zu dem indizierten Kraftverbrauch des Kompressors 4 v. H. für jeden Grad Differenz zu addieren sind, um ihn auf die Wassermenge von 15,3 cbm bei + 13,4° C Zuflußtemperatur und 12° C Erwärmung zu beziehen. Andererseits ist für jeden Grad höherer Zuflußtemperatur des Kühlwassers der Kraftbedarf um 4 v. H. höher, so daß von dem indizierten Kraftverbrauch 4 v. H. für jeden Grad Differenz zu subtrahieren sind, um ihn außerdem auf + 10° C Zuflußtemperatur zu reduzieren. Demnach wären vom indizierten Kraftverbrauch Ni • 0,04 • 3,4 – Ni • 0,04 • 1,84 = Ni • 0,04 • 1,56 zu subtrahieren. Dies ergibt: 46,95 – 2,93 = 44,02 PSi. Somit ist die gemessene Leistung f. d. PSi reduziert auf die garantierten Verhältnisse \frac{152540}{44,02}=3456\mbox{ Kal.,} gegenüber 3270 Kai., wie garantiert. Dieser Wert entspricht einer Mehrleistung von 6 v. H. Der effektive Kraftverbrauchf der Anlage stellte sich folgendermaßen: Nach Einschaltung der Solepumpe zeigten die Meßinstrumente 116 Amp. bei 440 Volt. Der Wirkungsgrad des Elektromotors ist auf dem Prüffelde der Bergmann Elektrizitätswerke unter Vollast mit 0,89 ermittelt worden. Die Leistung des Motors an der Welle betrug \frac{440\,.\,116\,.\,0,89}{736}=61,7 PSe bei etwa 15 cbm Kühlwasser von 13,4° C Zuflußtemperatur und einer Leistung von 152540 Kal./Std. Der gemessene indizierte Kraftverbrauch des Kompressors betrug während des Versuches 46,95 PS. Der Kraftverbrauch der Rührwerke, der Brunnenpumpe, Solepumpe, der Transmissionsverluste und des Leerlaufs des Kompressors betrug: 61,7 – 4 . 6,95 = 14,75 PSe. Bezogen auf + 10° C Kühlwasserzufluß- und + 22°C Abflußtemperatur beträgt der effektive Kraftverbrauch des Kompressors, der Brunnenpumpe, Rührwerke und Solepumpe einschließlich der Transmissionsverluste: 44,02 + 14,75 = 58,77 PS. Auf Garantieverhältnisse umgerechnet, ergibt dies für 110000 Kal. stündlich bei einem Kühlwasserverbrauch von 11 cbm von + 10° C Zuflußtemperatur \frac{58,77\,.\,100000}{152540}=42,31 PSe gegenüber den Garantien von 50,5 PSe bedeutet der ermittelte Wert von 42,31 eine Kraftersparnis von etwa 16,2 v. H. Eine weitere Ersparnis ergibt sich noch durch die oben erwähnten 6 v. H. Mehrleistung an Kalorien i. d. Std. und indiziertes Kompressorpferd, und zwar kann auf diese Weise die Betriebsstundenzahl entsprechend vermindert werden. Die Feuchtigkeitsbestimmungen in den Kühlraumen wurden mittels eines Psychrometers vorgenommen und ergaben, daß bei + 3° C Raumtemperatur ein relativer Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 67,5 bis 70 v. H. in allen Raumen vorhanden war. Die durch den Versuch festgestellten Resultate sind als äußerst günstige zu bezeichnen, da die Garantien in jeder Weise eingehalten worden sind.