Titel: Veränderliche Tageslichtfärbung.
Autor: C. Michalke
Fundstelle: Band 336, Jahrgang 1921, S. 8
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Veränderliche Tageslichtfärbung. Von Oberingenieur Dr. C. Michalke, Charlottenburg. MICHALKE: Veränderliche Tageslichtfärbung. An künstliche Lichtquellen wird in der Technik häufig die Forderung gestellt, daß ihre Färbung der Tageslichtbeleuchtung entsprechen soll. Es wird also gewissermaßen die Farbe des Tageslichts als Normalfarbe angesehen, während doch diese Farbe, in verschiedenster Weise beeinflußt, sehr veränderlich ist. Zwei beleuchtete Flächen wird man dann als gleichfarbig bezeichnen, wenn die durch das Auge vermittelten Reize für alle Teile der sichtbaren Spektren, die von dem zurückgeworfenen Licht der beiden Flächen etwa entworfen werden, proportional verlaufen. Dies ist der Fall, wenn die eingestrahlte Lichtenergie für jede Wellenlänge, multipliziert mit dem Rückstrahlungskoeffizienten, d. i. dem Verhältnis des rückgestrahlten zum eingestrahlten Licht, für alle Teile des Spektrums gleich ist. Die an künstliche Lichtquellen gestellte Forderung, daß ihre Färbung dem Tageslicht gleich sein soll, erscheint erwünscht, z.B. in Gemäldegalerien, weil die Wirkung der einzelnen Farben nur dann so ist, wie sie der Maler für das Beschauen der Bilder wünscht, wenn sie bei richtiger Beleuchtungsart betrachtet werden. In allen den Geschäftsläden, in denen es auf genaues Erkennen der verschiedenen Farbentöne ankommt, hängt es von der Färbung der Lichtquellen ab, ob die Farben und Farbenunterschiede so erkannt werden, wie sie bei bestimmtem Tageslicht gesehen werden. Die Farben der Ostwald'schen Farbenabstufungen werden je nach der gewählten Lichtquelle verschieden erscheinen. Ein Vergleich einer zu untersuchenden Farbe mit einer Farbe des Farbenatlasses von Ostwald kann zwar unter Verwendung einer Lichtquelle, bei der eine besondere Farbe vorherrscht, erschwert, aber nicht unmöglich gemacht werden, da die Lichtquelle die zu untersuchende und die Vergleichsfarbe in gleicher Weise beeinflußt. Die üblichen künstlichen Lichtquellen genügen nicht, um in vollkommener Weise das Tageslicht zu ersetzen. Um der Sonnenstrahlung entsprechend gefärbte Lichtstrahlung von künstlichen Lichtquellen zu erlangen, müßten diese auf einen Wärmegrad nahe dem der Sonne, also auf rund 6000° C. gebracht werden mit dem Höchstwert der Strahlung in gelbgrün etwa bei λ = 0,55 μ,wobei auch im Auge eines farbentüchtigen Menschen die größte Empfindlichkeit vorhanden ist. Nach dem Wien'schen Verschiebungsgesetz ist λm T const., wobei λm die Wellenlänge ist, bei der die Strahlung von der absoluten Temperatur T ihren Höchstwert hat, T die absolute Temperatur des strahlenden Körpers ist, verschiebt sich der Höchstwert der Strahlung mehr nach den kürzeren Wellenlängen, das Licht wird als weißer bezeichnet. Petroleumlicht ist infolge der niedrigen Flammen-Temperatur rötlicher als das der Kohlefadenlampen; weißer als dieses, also reicher an blauen Strahlen ist das Licht der Metallfadenlampen, noch weißer das Licht der Bogenlampen. Bei Metalldrahtlampen kommt man bei wirtschaftlicher Ausnutzung nur auf etwa 2700° C, der positive Krater von Reinkohlen in der Bogenlampe erreicht bei Atmosphärendruck auch nur 4200°. Erreicht, wird bei den gebräuchlichen künstlichen Lichtquellen nicht die hohe Temperatur der Sonne, demnach nicht die entsprechende Lichtfärbung. Eine dem Tageslicht ähnliche Färbung suchte man zu erreichen, indem man z.B. durch Leuchtstoffe, die viel blaues Licht strahlen, in den Bogenlampenkohlen das Licht färbte. Es gibt dies aber für die einzelnen Farben des Spektrums keine genaue der oben aufgestellten Bedingungsgleichung entsprechende Strahlungskurve. Eine größere Annäherung wurde durch die entgegengesetzte Maßnahme erreicht, indem durch blaugrün gefärbte Filter ein Teil der langwelligen Strahlung zurückgehalten wird, wie dies beispielsweise bei den Verikolorlampen der Fall ist. Versuchte man, den künstlichen Lichtquellen eine dem Tageslicht ähnliche Färbung zu geben, so wurde im allgemeinen keine Rücksicht darauf genommen, daß die Färbung des Tageslichts stark wechselt. Wenn sich auch nach den Untersuchungen des Sonnenlichtes in verschiedenen Höhenlagen bis zu 4400 m ergab, daß trotz der in bezug auf die einzelnen Farben verschieden starken Auslöschung des Lichts durch die Atmosphäre die Lage des Energiehöchstwertes der im Zenit stehenden Sonne wenig beeinflußt zu sein scheint, so hat die Schichtdicke der von den Sonnenstrahlen zu durchdringenden Luft und der Zustand der Atmosphäre doch einen großen Einfluß auf die Färbung des Lichts. Der rötliche Schein des Sonnenlichtes bei Sonnenuntergang weist schon hierauf hin. Die unmittelbare Strahlung der Sonne kann, wenj nur Sonnenhöhen über 10° betrachtet werden, für eine bestimmte Wellenlänge nach der Formel Sφ = S . p 1/sin φLambert. Photometria sive de mensura et gradibus luminis, calorum et umbrae, Augsb. 1760. berechnet werden, wobei Sφ die Strahlung bei der Sonnenhöhe φ, S die Strahlung der Sonne außerhalb der Atmosphäre ist. Für φ – 90 wird S90 = S. p, d.h. p gibt den Betrag an, der von der Sonnenstrahlung bei senkrechtem Sonnenstände durchgelassen wird. Diese Durchlässigkeit kann einwandfrei nur in gleichmäßig klarer Luft festgestellt werden, wie sie beispielsweise in Großstädten oder gar an Industriestätten niemals herrscht. Würde p für alle Wellenlängen gleich sein, so wäre die Färbung der unmittelbaren Sonnenstrahlung unabhängig von der Sonnenhöhe. Es nimmt aber p mit abnehmender Wellenlänge ab. Für rote Strahlen (λ = 0,630 μ) ist beispielsweise p = 0,80, für grüne Strahlen (λ = 540 μ) ist p = 0,72. Bei einer Sonnenhöhe von 60° werden hiernach von der unmittelbaren Strahlung in rot 22 %, in grün 32 % durch die Atmosphäre verschluckt, bei 30° Sonnenstand in rot 35°, in grün 48 Der Betrag an den stärker brechbaren Strahlen nimmt um so mehr ab, einen je längeren Weg die SoѮnenstrahlen durch die Atmosphäre zu durchlaufen haben. Bei niedrigem Sonnenstande enthalten dieРStrahlen verhältnismäßig mehr rotes, bei höherem mehr blaues Licht. Die gleiche Aenderung der Strahlenfärbung findet bei Aenderung der Sonnenhöhe statt. Auf hohen Bergen, wo. die Sonnenstrahlen nicht die dichte Atmosphäre der Ebene zu durchdringen brauchen, ist das Sonnenlicht reicher an blauen, violetten (und ultravioletten) Strahlen als unten im Tal, worauf ja auch die verschiedenartige Wirkung auf die Organismen beruht. Für die Färbung des Tageslichtes ist aber nicht bloß die Farbe der unmittelbaren Sonnenstrahlen maßgebend. Zerstreute Strahlung geht nach wiederholter Zurückwerfung und Durchdringung der Luftmolekel vom- ganzen Himmelsgewölbe aus, ferner von den durchstrahlten Wolkenschichten. Hierdurch wird die Farbe des Tageslichtes weiter beeinflußt. Dies bekunden auch die zahlreichen Tageslichtmessungen, die Leonhard Weber in Breslau und Kiel vorgenommen hat. Bei zunehmender Bewölkung des Himmels, insbesondere bei Vorhandensein von hellen weißen Wolken, steigt im allgemeinen der Betrag an grünen und blauen Strahlen. Das Tageslicht wechselt hiernach erheblich, nicht bloß an Stärke, sondern auch an Beschaffenheit. Man kann daher nicht eindeutig von der Farbe des Tageslichtes sprechen, und diese ohne weiteres mit bestimmten künstlichen Lichtquellen in festen Vergleich ziehen. In Innenräumen, in Verkaufsläden, Sälen usw. ist die Färbung des Innenlichtes, auch wenn nur Tageslicht eindringt und keine künstlichen Lichtquellen vorhanden sind, noch von der Farbe der das Licht zurückwerfenden Wände und Decke abhängig, so daß im Innenraum und im Freien die Farbe des Tageslichtes merklich verschieden sein kann. Es können so in Rückwirkung des von den Wänden ausgestrahlten Lichts bunte Flächen im Innenraum anders gefärbt erscheinen, als dies im Freien der Fall sein würde, wenn für die Belichtung das im Innenraum zurückgeworfene Licht gegenüber dem unmittelbar von außen einströmenden Tageslicht wesentlich in Betracht kommt. Um für künstliche Lichtquellen annähernd einen Vergleich mit Tageslicht möglich zu machen, könnte man eine bestimmte Tagesbeleuchtung etwa bei wolkenlosem Himmel und bestimmter Sonnenhöhe in Meereshöhe zu Grunde legen. Es würde dies aber auch nur für bestimmte Gegenden und bestimmten Luftzustand gelten, da die Reinheit der Atmosphäre, Feuchtigkeit usw. noch von Einfluß sind. Als Vergleichslichtquelle eine solche von Sonnentemperatur, etwa 6000° C, wie sie Lummer mit Reinkohlen bei hohem Druck im Innern des Brennraumes erreicht hat, zu wählen und deren Strahlung bezüglich der Färbung als normale Tageslichtstrahlung zu bezeichnen, würde praktisch untunlich sein. Vergleicht man spektroskopisch eine Lichtquelle mit beispielsweise einer Amylacetatlampe unter Einfügen möglichst monochromatischer Filter im Photometer, so erhält man bei Beobachtung in rot, hellgrün, blau usw. andere Werte, je nach der Eigenfarbe der zu messenden Lichtquelle. Das Verhältnis der so etwa in grün und rot erhaltenen Werte gibt andererseits einen Maßstab zur Beurteilung der Färbung der photometrischen Lichtquelle, falls diese nicht, wie z.B. die Quecksilberdampflampe, auswählende Strahlung besitzt. Leonhard Weber, der Altmeister der Photometrie, hat hierauf die Wertbestimmung verschiedenfarbiger Lichtquellen mit seinem Photometer aufgebaut. Es wurde in Rot und Grün von bestimmter Wellenlänge die Helligkeit gemessen. Aus dem Verhältnis der ermittelten Werte konnte aus einer nach Versuchen zusammengestellten Tafel eine Zahl entnommen werden, mit der das in Rot erhaltene Meßergebnis zu multiplizieren war, um das Meßergebnis in „weiß,“ d.h. die richtige Meßzahl unabhängig von der Färbung der zu untersuchenden Lichtquelle zu erhalten. Hat man es mit den üblichen Lichtquellen ohne auswählendes Spektrum zu tun, so wird durch das Verhältnis der Messung in zwei Farben meist praktisch genau die Färbung der zu untersuchenden Lichtquelle bestimmt. Eine mittlere Tageslichtfärbung könnte demnach durch eine bestimmte Verhältniszahl aus Messung in zwei Farben festgelegt werden. Als Farbenfilter verwendete Leonhard Weber rote und dunkelgrüne Gläser in Kupferoxyd- und Kupferoxydulfärbung. Es können auch die bekannten farbigen Gläser von Schott und Genossen verwendet werden. Statt dunkelgrün könnte vorteilhafter ein Filter, wie es beispielsweise von Pirani für gelbgrün (etwa λ = 0,55 μ) angegeben hat, verwendet werden. Bei Temperaturstrahlern könnte man die durch sie unmittelbar oder in Verbindung mit gefärbten Lampenglocken erzeugte Beleuchtung für tageslichtähnlich bezeichnen, wenn das Verhältnis der in zwei verschiedenen Farben gemessenen Leuchtkraft einen bestimmten Wert hat, der einer mittleren Tageslichtbeleuchtung entspricht. Würde man unter Tageslichtbeleuchtung mittlerer Färbung etwa solche verstehen, wie die unmittelbare Sonnenstrahlung an klaren Tagen in Meereshöhe bei 45° Sonnenhöhe liefert, würde man zu einer Zahl 2,25 kommen, die das Verhältnis der grünen zur roten Strahlung angibt.