Titel: Die Berechnung von Holzverbandschrauben.
Autor: P. Stephan
Fundstelle: Band 336, Jahrgang 1921, S. 269
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Die Berechnung von Holzverbandschrauben. Von Prof. P. Stephan, Altona. STEPHAN, Die Berechnung von Holzverbandschrauben. Die Berechnung der Verbindungsteile von Baukonstruktionen wird oft, wenn überhaupt, sehr überschlägig und meist mit Formeln und Beanspruchungszahlen durchgeführt, die sachlich wenig zutreffen. Man findet so, wie in dieser Zeitschrift bei Gelegenheit von Buchbesprechungen mehrfach erwähnt wurde, auch in den besten Handbüchern gänzlich verkehrte Angaben. Aus dem Grunde dürfte die kurze Vorführung einer richtigen Berechnung an einem beliebig der Fachliteratur entnommenen Beispiel ihren Wert haben. Zu berechnen sei die auf Zug beanspruchte Untergurtverbindung eines hölzernen Fachwerkträgers, die größte Zugkraft sei P = 12 t, Material sei Kiefernholz. In dem durch das Bolzenloch vom Durchmesser d0 geschwächten Querschnitt von der Höhe h ist die Zugspannung am Lochrand erheblich größer als der Mittelwert. Das Verhältnis beträgt nach Léon und ZidlickyZ. d. V. d. I. 1915. bei Eisen \frac{\sigma_{max}}{\sigma_{m}}=\frac{6}{2+2\,.\,\frac{d_0}{h}+\left(\frac{d_0}{h}\right)^2+\left(\frac{d_0}{h}\right)^3} Da man allgemein die an dem isotropen Eisen gefundenen Ergebnisse auch auf die Berechnung von Holzkonstruktionen anwendet, so liegt kein Grund vor, sie in diesem Fall nicht zu beachten. Wählt man also das Verhältnis \frac{d_0}{h}\,\sim\,\frac{1}{4,5}=0,222, so wird \frac{\sigma_{max}}{\sigma_m}=2,51. Nun ist nach der Hütte die Proportionalitätsgrenze für Kiefernholz 200 kg/cm2, demnach die hier zulässige mittlere Beanspruchung \sigma_m=\frac{200}{2,51}=80 kg/cm2. Damit ergibt bei der Balkenbreite b die Gleichung P=b\,.\,(h-d_0)\,.\,\sigma_m=b\,.\,h\,.\,\left(1-\frac{d_0}{h}\right)\,.\,\sigma_m den erforderlichen Querschnitt zu b\,.\,h=\frac{P}{\left(1-\frac{d_0}{h}\right)\,.\,\sigma_m}=\frac{12000}{0,778\,.\,80}=194 cm2 dem entspricht b = h = 14 cm mit b . h = 196 cm2. Hiernach wird die Größe des Loches d_0=\frac{14}{4,5}=3,1 cm, also die Bolzenstärke d ~ 2,9 cm = 1⅛''. Bei den flußeisernen Decklaschen ist das Verhältnis \frac{d_0}{h_1}=0,30; damit wird wie oben \frac{\sigma_{max}}{\sigma_{z1}}=2,21. Als größte mittlere Beanspruchung ist bei Flußeisen von der Streckgrenze 2200 kg/cm2 also σz = 1000 kg/cm2 anzusetzen. Aus der Gleichung P=2\,.\,b_1\,.\,h_1\,.\,\left(1-\frac{d_0}{h_1}\right)\,.\,\sigma_{z1} folgt somit bei der Laschenhöhe h_1=\frac{3,0}{0,3}=10 cm die Stärke b=\frac{12000}{2\,.\,10\,.\,0,7\,.\,1000} Beim Zusammenbau der Verbindung werden die Bolzen einfach durchgesteckt und dann fest angezogen, und man verlangt, daß sich die Konstruktion bei der Probebelastung nur elastisch und nicht bleibend streckt. Die Verbindung muß also durch die Reibung der Laschen auf dem Balken zusammengehalten werden, was den Zusammenhang ergibt \frakfamily{S}\,.\,P=2\,\mu\,.\,Q\,.\,i, worin \frakfamily{S} die Sicherheit gegen Gleiten angibt, die wegen des Arbeitens und Schwindens des Holzes ziemlich hoch, etwa zu 1,5 anzusetzen ist; μ ist die Reibungsziffer zwischen Holz und rohem Flußeisen, die nach KleinZ. d. V. d. I. 1903. i . M . 0,40 beträgt, i die erforderliche Zahl der Bolzen und Q die Zugspannkraft eines Bolzens. Für die letztere gilt noch die Gleichung Q=\frac{\pi}{4}\,.\,{d^2}_1\,.\,\sigma_{z2} mit dem Kerndurchmesser d1 = 0,850 . d für Bolzen von der hier gebrauchten Stärke [gültig für d = 1 ÷ 2''] und σz2 = 1,32 . σz, weil die Gewindegänge die Festigkeit infolge Verhinderung der Querzusammenziehung um diesen Betrag vergrößern [Rudeloff].D. p. J. 1911. Berücksichtigt man ferner die nicht unerhebliche Verdrehungsbeanspruchung, die der Bolzen am inneren Gewinderand durch das Reibungsmoment zwischen Mutter und Gewinde erfährt, so ist für ruhende Belastung als größte Beanspruchung des Schraubeneisens anzusetzen \sigma_z=\frac{\sigma_{zul}}{1,67}=\frac{1200\,.\,1,32}{1,67}=950 kg/cm2. Jeder Bolzen erhält hiernach, bei richtigem Anziehen mit dieser Beanspruchung im Gewinde, die Spannkraft Q=\frac{\pi}{4}\,.\,2,9^2\,.\,0,85^2\,.\,950=4600 kg. Damit wird die erforderliche Zahl auf jeder Seite des Stoßes i=\frac{1,5\,.\,12000}{2\,.\,0,40\,.\,4600}=5. Die halbe Laschenlänge folgt aus i\,.\,Q=\left(h_1\,.\,l-i\,.\,\frac{\pi}{4}\,.\,{d_0}^2\right)\,.\,\sigma mit σ = 60 kg/cm2 Druckbeanspruchung des Holzes (Hütte) zu l=\frac{i}{h_1}\,.\,\left(\frac{Q}{\sigma}+\frac{\pi}{4}\,.\,{d_0}^2\right)=\frac{5}{10}\,.\,\left(\frac{4600}{60}+7,1\right)-42 cm, so daß die Bolzen rund 18,5 cm Abstand von einander haben. Trocknet das Holz sehr stark nach und werden die Bolzen nicht rechtzeitig nachgespannt, so gleitet die Verbindung, allerdings bei erheblicher Formänderung der ganzen Konstruktion, wenn \frakfamily{S}=1, also die Beanspruchung im Bolzenschaft \sigma_{z2}=\frac{950}{1,5}\,.\,0,85^2=450 kg/cm2 geworden ist. Die Bolzen legen sich dann an die Lochwandung an. Die größte, dann in einem Bolzen unter der Lasche auftretende Schubspannung ist beim Kreisquerschnitt das 1,5 fache der mittleren, also \tau=\frac{1,5\,.\,P}{2\,.\,i\,.\,\frac{\pi}{4}\,.\,d^2}=\frac{1,5\,.\,12000}{2\,.\,5\,\frac{\pi}{4}\,.\,2,9^2}=272 kg/cm2, also sehr gering. Der Druck im Laschenloch, das größer ist als der Bolzendurchmesser und daher höchstens auf 1 cm Breite anliegt, beträgt \sigma_2=\frac{P}{2\,.\,i\,.\,b_1\,.\,1}=\frac{12000}{2\,.\,5\,.\,1\,.\,1,0}=1200 kg/cm2, ist also ebenfalls verhältnismäßig klein. Die Biegungsbeanspruchung des vom Balken auf der ganzen Länge b belasteten Bolzens ergibt sich aus \frac{P}{i}\,.\,\frac{b+b_1}{8}=\frac{\pi}{32}\,.\,d^3\,.\,\sigma_b zu \sigma_b=\frac{12000\,.\,15\,.\,32}{5\,.\,8\,.\,\pi\,.\,2,9^2}=1875 kg/cm2. Da der Bolzen noch die oben berechnete Zugspannung σz2 = 450 kg/cm2 erfährt, so ist die größte, allerdings nur in einem Punkte des Querschnittes wirkende Gesamtbeanspruchung 2325 kg/cm2; sie erreicht also gerade die Streckgrenze, ebenso wie in den Laschen an einem Punkte des Lochrandes. Wenn man auch in diesem Ausnahmefall noch unterhalb der Streckgrenze bleiben will, wäre die Zahl der Bolzen auf jeder Seite des Stoßes auf i = 6 zu erhöhen, was als Sicherheit gegen Gleiten \frakfamily{S}=1,83 ergeben würde. Jedoch ist diese Vorsicht unnötig; die Streckgrenze kann in dem Ausnahmefall, um den es sich handelt, unbedenklich an einer kleinen Stelle des Querschnittes erreicht werden, denn die dort entstehende bleibende Dehnung führt sofort eine Entlastung herbei. Die Durchbiegung in der Bolzenmitte ist noch immer eine recht kleine, selbst wenn man annimmt, daß bei wenig sorgfältiger Arbeit ein Bolzen das doppelte der Durchschnittsbelastung erhält, und die Verringerung der Durchbiegung infolge der achsialen Zugkraft außer Acht läßt. Es wird dann der Biegungspfeil f=\left(\frac{1}{3}-\frac{1}{8}\right)\,.\,\frac{\alpha}{J}\ \frac{2\,P}{2\,.\,i}\,.\,\left(\frac{b}{2}\right)^3=\frac{5\,.\,64\,.\,12000\,.\,15^3}{24\,.\,2100000\,\pi\,.\,2,9^4\,.\,5\,.\,8}=0,029 cm. Der Bolzen legt sich mithin keinesfalls auf der Gegenseite des Loches an, wie öfter behauptet wird. Bei der geringen Durchbiegung bleibt die von der Lochlaibung des Balkens ausgeführte Belastung noch völlig gleichmäßig über die Länge verteilt. Die von Gesteschi angegebene Dreieckverteilung mit der größten Belastung an den äußeren Bolzenenden kommt erst bei starker Ueberbeanspruchung der Verbindung in dem bis zu Ende durch geführten Zerreißversuch zustande. Man darf eben derartige große Formänderungen, die der Versuch bei Belastungen zeigt, die weit über denen der praktischen Verwendung liegen, nicht auf die kleinen elastischen Dehnungen des Materials bei der sachgemäßen Beanspruchung der Praxis übertragen.