Titel: Elektrolytische Anfressungen.
Autor: Michalke
Fundstelle: Band 336, Jahrgang 1921, S. 280
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Elektrolytische Anfressungen. Von Oberingenieur Dr. Michalke, Berlin-Siemensstadt. MICHALKE, Elektrolytische Anfressungen. Bei Untersuchung über den chemischen Angriff von Metallen wird häufig die Frage gestellt, ob der Angriff durch austretende elektrische Gleichströme oder durch unmittelbaren chemischen Angriff veranlaßt wurde. Von der richtigen Beurteilung der Ursache hängt die Wahl der Abwehrmaßnahmen ab. Zuweilen ist die Beantwortung der Frage entscheidend, wenn es sich um Schadenersatzansprüche handelt. Bei Angriff von Gas- und Wasserrohren galt beispielsweise eine Zeit lang als untrügliches Zeichen, daß die Angriffe der Eisenröhren von eingedrungenen Streuströmen der elektrischen Bahnen herrühren, wenn eine graphitische schneidbare Schicht auf der Oberfläche entstanden war. Ebenso wurde unregelmäßig verteilter Lochfraß am Metall der Wirkung der Elektrolyse durch austretende Ströme zugeschrieben, während gleichmäßig über die ganze Oberfläche verteilter Angriff meist rein chemischen Einflüssen zugeschrieben wurde. Es konnte aber festgestellt werden, daß auch Graphitierung des Eisens und Lochfraß beobachtet wurde, wo Einwirkung elektrischer Fremdströme völlig ausgeschlossen war. Es macht meist große Schwierigkeiten sicher festzustellen, wodurch Metallanfressungen veranlaßt worden sind, zumal örtlich auftretende Spannungen Zersetzungen hervorrufen können, z.B. wenn bei Metallegierungen nebeneinander gelagerte verschiedenartige Metallteilchen in Verbindung mit einem feuchten Leiter, also einem Elektrolyten, kommen. Wenn der Angriff rein chemisch ist, so sind elektrische Ströme außerhalb des Metalls nicht nachweisbar. Das gleiche ist bei örtlicher Elementenbildung der Fall, wenn diese zwischen kleinsten Teilchen verschiedener Beschaffenheit auftritt. Anders ist es, wenn ausgedehnte Metallteile sich in einem Elektrolyten befinden, z.B. Eisenrohre oder bewehrte Kabel in feuchtem Erdboden. Man erhält so ein offenes oder geschlossenes Element. Der Widerstand des Schließungkreises liegt bei den meisten in der Praxis vorkommenden Stromangriffen im Elektrolyten, während die verschiedenartigen Metalle unmittelbare Berührung haben. Solche Ströme können schon auftreten, wenn beispielsweise Kupferleitungen durch Eisenklemmen verschraubt sind und Feuchtigkeit sich an der Verbindungsstelle festsetzt. Die elektrolytischen Angriffe sind hierbei unschwer nachzuweisen. Schwieriger wird es, wenn etwa an gußeiserne Rohre schmiedeeiserne angesetzt sind, nachzuweisen, daß Zerstörungen durch Elementenbildung aufgetreten sind. Solche Ströme können aber auch schon zwischen schmiedeeisernen Rohren auftreten, auch wenn sie chemisch gleich sind, falls nur die Struktur des Eisens bei den einzelnen Rohren verschieden ist. Elektrolytische Anfressungen können ferner durch eingedrungene Fremdströme auftreten. Angegriffen wird das Metall an den Stellen, an denen der Strom aus dem Metall in den feuchten Leiter austritt. Ob Stromwirkung die Schäden verursacht hat, läßt sich feststellen, wenn die Große der Stromdichte an den Austrittsstellen gemessen werden kann, was meist sehr schwierig ist. Bei langgestreckten Leitern konnte man daran denken, die Stromstärke vor und hinter der Angriffsstelle zu messen, doch führt diese Messungsart, da es sich vielfach um Stromdichten in der Größenordnung eines Milliamperes auf eine Austrittsfläche von 1 dm2 handelt, selten zu einem brauchbaren Ergebnis. Die Haber'schen unpolarisierbaren Elektroden gestatten zwar unter günstigen Verhältnissen einwandfreie Messungen der Erdstromdichte, doch sind die Messungen umständlich, erfordern einige Erfahrung und gestatten keine Dauerversuche. Sie haben daher nicht die erwartete Verbreitung gefunden. Verhältnismäßig einfache Messungen können vorgenommen werden, wenn Stücke gleichen Metalls wie das dem Angriff ausgesetzten zur Verfügung stehenVergl. Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen 1909 S. 226., so daß keine merklichen Spannungen zwischen dem Versuchsstück und dem angegriffenen Metall entstehen, wenn beide sich im gleichen Elektrolyten befinden. Es sei beispielsweise ein blankes Bleikabel, das an der Oberfläche Angriffsstellen zeigt, daraufhin zu untersuchen, ob die Anfressungen von Stromwirkung herrühren. Wird ein abgemessenes Stück Bleiblech von gleicher Beschaffenheit wie der Bleimantel des Kabels isoliert auf den Kabelmantel in der Erde gelegt, so tritt keine Elementenbildung zwischen Kabelmantel und Bleiblech auf. Ein zwischen geschaltetes Meßgerät gibt keinen Ausschlag, wenn der Bleimantel frei von Fremdströmen ist. Sind solche aber im Bleimantel vorhanden, die an der Untersuchungsstelle infolge der Spannung zwischen Bleimantel und Erdboden in diesen austreten, so wird auch das isoliert aufgelegte Bleiblech Strom ausstrahlen, wenn es metallisch mit dem Bleimantel verbunden ist. Wird ein Meßgerät in die Verbindungsleitung gelegt, so zeigt dies an, wiewiel Strom vom Kabel auf das Bleiblech übergeht, wie groß also der Stromaustritt für die Fläche des Bleibleches ist. Da es sich hierbei fast stets um sehr kleine Ströme handelt, ist es kaum nötig, den Spannungsverlust in der Zuleitung durch Compensation auszugleichen. Ist der Widerstand des Meßgeräts gering, so daß angenommen werden kann, daß angenähert der Bleimantel des Kabels in dem Spannungszustand des Bleibleches ist, so ist die Stromdichte an beiden gleich. Es kann hiernach berechnet werden, wenn die Angriffszeit bekannt ist, ob diese Stromdichten am Bleimantel beobachtete Angriffe veranlaßt haben können. (Wirkt eine Dichte des aus Blei in einen Elektrolyten austretenden Stroms von 1 m A/dm2 ununterbrochen während der Dauer eines Jahres, so wird nach dem Faraday'schen Gesetz eine Schicht von 0,295 mm Blei zersetzt. Bei Eisen wird in der gleichen Zeit eine Schicht von 0,115 mm angefressen.) Bei Untersuchungen, durch die die Ursachen von Anfressungen von Metallteilen ergründet werden sollen, kommt es meist nicht auf sehr hohe Genauigkeit der Meßwerte an. Es genügt daher, um bei dem oben gewählten Beispiel zu bleiben, wenn das für die Messungen verwandte Bleiblech in der Nähe des Kabels als Sonde in die Erde eingebettet wird. Man kann zweckmäßig ein Stück vom Kabelmantel abgestreiftes, an den Enden zusammengelötetes oder sonstwie verschlossenes Bleirohr verwenden, wobei man sicher ist, gleichen Stoff wie im Bleimantel zu erhalten und so Elementenbildung zu vermeiden. Auf diese Weise werden die Messungen sehr vereinfacht, so daß schnell eine Uebersicht über die Gefährdung einer Kabelstrecke gewonnen wird. Das Verfahren hat sich auch in der Praxis bewährt. Untersuchungen über die Angriffsgefährdungen von Gas- und Wasserrohren müssen besonders vorsichtig behandelt werden, da Eisenstücke von verschiedener Beschaffenheit Spannungen gegeneinander geben. Da der Wiederstand des Schließungkreises bei der gewählten Anordnung im Elektrolyten liegt, außen die Metalle kurz geschlossen sind, so nützt es wenig, Wasserrohr und Sonde eine Zeit lang kurz zu schließen. Es wird aber meist möglich sein, den nahezu gleichbleibenden Elementenstrom von dem in das Rohr eingedrungenen veränderlichen Strom zu trennen. Wenn etwa vermutet wird, daß eingedrungene Ströme von dem elektrischen Betrieb der Straßenbahn herrühren, so würde man die Messungen bis nach Schluß des Straßenbahnbetriebes fortsetzen. Werden Spannungen zwischen dem korrodierten Metall und verschiedenen Stellen in der Erde gemessen, um die Gefährdung festzustellen, zweckmäßig mit Hilfe unpolarisierbarer Spannungelektroden (Zinkelektrode in Glasgefäß mit porösem Abschluß, das mit Zinkritriollösung von bestimmter Sättigung gefüllt ist), so ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß nicht infolge zu kleinen Widerstands des Spannungmessers nicht beim Messen der Spannungszustand der Meßstelle verändert wird. Die Spannungsmessungen haben also im Gegensatz zu obigen Messungen zur Voraussetzung, daß während des Messens der Spannungszustand an der Meßstelle, wo die Sonde in die Erde eingelegt wird, unverändert bleibt, während bei der oben geschilderten Meßanordnung vorausgesetzt wird, daß die Sonde den Spannungszustand (das Potential) des Metallkörpers, an dem die Stromdichte bestimmt werden soll, erhält. Bei beiden, verschiedenen Zwecken dienenden, aus obiger Darstellung sich ergebenden Meßanordnungen müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um Fehler zu vermeiden. Die Spannungen nehmen vom Kabelmantel oder von dem Eisenrohr in der Erde nach einer logarithmischen Kurve abVergl. Archiv der Mathematik und Physik III, Reihe XII, Heft 1, S. 51, Juli 1907., man erhält also verschiedene Werte für die Spannung, je nach der Entfernung von dem Kabel oder dem Rohr. Die Stromdichtemessungen sind in gewissem Maße unabhängig von der Entfernung; die Ergebnisse können aber durch Aenderung der Bodenbeschaffenheit beeinflußt werden, während auf Spannungsmessungen bei hohem Widerstand des Spannungsmessers dies von geringerem Einfluß ist. Die für die Stromdichte ermittelten Werte sind der Sondenfläche nahezu proportional, die Spannungswerte sind hiervon praktisch unabhängig. In Zweifelsfällen sind mehrere Messungen mit Sonden verschiedener Oberfläche, in verschiedener Entfernung oder mit verschiedenen Widerständen im Meßstromkreis vorzunehmen, wobei der Strom für Widerstand des äußeren Schließungkreises rechnerisch oder einfacher graphisch zu ermitteln ist. Es handelt sich hier eben um lose PotentialeVergl. Dinglers Polytechnisches Journal 1918, Heft 6 Seite 43. die leicht ihren Wert ändern können, so daß immerhin Vorsicht nötig ist. Ist durch die Messungen die Ueberzeugung gewonnen worden, daß es sich um Angriffe durch aus dem Metall tretende elektrische Ströme handelt, so kann die Herkunft dieser Ströme nur unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ermittelt werden. Handelt es sich um Elementenbildung, indem sich zwei Metalle von einiger Ausdehnung im Elektrolyten berühren, so ist zu untersuchen, ob die Richtung der gemessenen Ströme der Spannungsreihe der Metalle entspricht. Die Stromdichte ist, wenn es sich um Metalle in der Erde handelt, meist nicht groß, nur wenige Milliampere für 1 dm2, doch kann diese Dichte schon gefährlich werden, wenn sie ununterbrochen längere Zeit wirkt. (In den Vorschriften zum Schütze der Gas- und Wasserröhren wird eine Stromdichte, die 0,75 m A/dm2 übersteigt, für gefährlich gehalten). Die Stromdichte hängt von der Art der sich berührenden verschiedenen Metalle, deren Ausdehnung und Lage, von der Art des Elektrolyten, seiner Leitfähigkeit, von den auftretenden Gegenspannungen durch. Polarisation und dergleichen ab. Werden die Metallteile dauernd von Wasser umspült, so wird die Wirksamkeit der Polarisation vermindert, die Stromdichte erhöht. Textabbildung Bd. 336, S. 280 An Gleichstromkabeln kann der Bleimantel oder die Kabelbewehrung bei Kabelfehlern unter Spannung gesetzt werden. So kann die Bewehrung, wenn sie positiv gegen den umgebenden Erdboden ist, unter Anfressen der Bewehrung Strom ausstrahlenDinglers Polytechnisches Journal Bd. 334, 1919, Seite 57. und auch benachbarte Kabel, die mit dem fehlerhaften sich berühren, „anstecken.“ Auch in diesem Falle läßt sich die meist hohe und daher stark gefährdende Stromdichte nach dem erwähnten Verfahren ermitteln, wenn bei Untersuchung eines bewehrten Kabels ein Stück Bewehrung eingegraben und in eine Verbindungsleitung ein Meßgerät geschaltet wird (s. vorstehende Abb.). Sind die Bewehrungen an den Muffen nicht vorhanden, so kann eine Ueberbrückung über ein Meßgerät zu einem Ueberwachungssystem der Kabel ausgebildet werden. In zusammenhängende Metallmassen in der Erde dringen leicht Streuströme von elektrischen Bahnen ein, die die Gleise zur Rückleitung der Ströme benutzen. Wird hierbei die beschriebene Untersuchungsart angewandt, so machen sich diese Streuströme sofort durch die dauernden Schwankungen leicht kenntlich. Wird ein Telephon in den Meßkreis eingeschaltet, so sind in diesem die dem Gleichstrom übergelagerten Wechselströme zu hören, die vom Einfluß der Ankernuten und des Kommutators herrühren. Je nach der Ursache der gefährdenden Stromdichte sind die Maßnahmen zur Verminderung oder Beseitigung der Schäden verschieden. Ist es möglich, die gefährdeten Stellen auf einen negativen Spannungszustand gegenüber dem umgebenden Elektrolyten oder auf die Spannung Null gegenüber der Erde zu bringen, so daß keine Ströme in den Elektrolyten ausgestrahlt, sondern nur angesaugt werden, so wird dadurch die Gefahr beseitigt. Es sind hierzu verschiedene Mittel angewandt worden. Zum Schutz gegen gefährdende Streuströme wird in Amerika vielfach das Absaugen der in die Metallmasse eingedrungenen Ströme, das sogen. Dränieren, angewandt, indem die Kabelbewehrung oder die Rohre unmittelbar oder über Widerstände mit den zu schützenden Metallmassen verbunden werden. Nach den deutschen Vorschriften ist dies verboten, da durch derartige Mittel das Eindringen der Ströme in die Metallmassen verstärkt wird, so daß leicht durch Beseitigung der Gefahr an der einen Stelle eine Gefährdung an anderer eintritt. Ein deutsches Patent gibt ein Verfahren, nach dem die eingedrungenen Ströme in den Erdboden geleitet werden, wo sie aber auch Schäden anrichten können. Die Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker geben Anweisung zur Verminderung gefährdender Streuströme. Kessel oder Kondensatorröhren versucht man gegen Anfressungsgefahr zu schützen, indem man durch eine Stromquelle Ströme in entsprechender Richtung einleitet. Die engen Röhren erschweren hierbei das Eindringen der Ströme in die innersten Teile, falls es nicht möglich ist, Drähte in die Röhren einzuziehen, die mit dem positiven Pol der Stromquelle verbunden werden. Handelt es sich nur um Elementenbildung, so kann durch Verbindung des gefährdeten Metalls mit einer Zinkplatte die Anfressung von dem zu schützenden Metall auf die Zinkplatte übertragen werden.