Titel: Bücherschau.
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 400
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Bücherschau. Bücherschau. Heizung und Lüftung von Gebäuden. Ein Lehrbuch für Architekten, Betriebsleiter und Konstrukteure von Dr.-Ing. Anton Gramberg, Dozent an der Königlichen Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr. 391 Seiten, mit 236 Abb. im Text und auf 3 Tafeln. Berlin 1909. Julius Springer. Preis geb. 12 Mark. Verfasser verfolgt den Zweck, mit seinem Buche die Fortschritte im Heizungs- und Lüftungsfache bis zum gegenwärtigen Stande in modern einfacher, aber wissenschaftlich kritischer Weise zu beleuchten, um damit einem praktischen Bedürfnisse Rechnung zu tragen. Von diesem Standpunkte ausgehend soll das Buch eine gewisse Ergänzung des Rietschelschen Leitfadens bilden. Die Aufgabe, die sich Gramberg gestellt hat, ist unzweifelhaft dankenswert, m.E. aber nur teilweise gelöst. Das größte Interesse an dem Heizungsfache usw. hat das Publikum, und nicht der Architekt oder Maschinenbauer. Das Publikum wirkt als Auftraggeber, so daß die Förderung seines Verständnisses für die Bedürfnisse der Hygiene der gesamten Heizungsindustrie zugute kommen würde. Dem Architekten usw. genügt vollends der Rietschelsche Leitfaden, dessen Neuauflage übrigens im Entstehen ist, denn er trennt in übersichtlicher Weise Theorie und Praxis, so daß jeder, sowohl der Heizungsfachmann als auch der gebildete Laie das Gewünschte vorfindet. Ein Bedürfnis für die Ergänzung des Rietschelschen Buches nach dieser Richtung hin war deshalb nicht vorhanden, zumal Gramberg die Berechnungsweise Rietschels ebenfalls zugrunde legt, nur in aridere Formen kleidet. Jedenfalls ist dieser Versuch nicht zu mißbilligen; denn warum sollte nicht auch auf dem Gebiete der Heizungsund Lüftungstechnik eine Bereicherung in der Literatur Platz greifen? Durch die graphischen Darstellungen enthält der Grambergsche Leitfaden viel Gutes. Leider vermisse ich an vielen Stellen die Gründlichkeit, die man bei den Fähigkeiten Grambergs hätte voraussetzen dürfen. Das Buch macht den Eindruck, als ob zu sehr wegen der schnellen Fertigstellung gehastet worden sei. Die Figuren haben keinen einheitlichen Charakter; man merkt ihnen an, daß hier mehrere Zeichner tätig gewesen sind. Gramberg hätte sich ein hohes Verdienst erworben, wenn er die Mittel zur Erzielung einer möglichsten Wirtschaftlichkeit eingehender besprochen hätte. Das ist ja grade das, was jeden ohne Ausnahme interessiert. Die Förderung der Hygiene ohne Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit ist ein Unding. Eine Heizungs- oder Lüftungsanlage bei unerschwinglichem Koks verbrauch führt zur Diskreditierung des Faches. In Krankenhäusern stellt man aus Ersparnisrücksichten die für die Lüftungsanlage erforderlichen Ventilatoren ab! Welche Ironie des Schicksals gegenüber diesen Errungenschaften der Ingenieurkunst! Der Kostenpunkt geht also auch den Aerzten über die Forderungen der Hygiene. Derartige Wahrnehmungen müssen von selbst zu jener Stätte führen, wo der Brennstoff verbrannt wird. Mit dem einfachen Hinweise, daß sich bei der Verbrennung keinerlei verbrennbare Bestandteile (CO) vorfinden dürfen, sind wir keinen Schritt vorwärts gekommen. Die Bedingungen, unter denen ein Brennstoff verbrannt werden muß, kennt fast jeder Praktiker, nur fehlen ihm die Mittel, diese zu erfüllen. Wir wissen alle, daß die gußeisernen Gliederkessel mit ihrem Koksschacht bezüglich Vermeidung von CO noch sehr der Verbesserung bedürfen. Aber es handelt sich ja nicht allein um CO, sondern u.a. auch um CH4 und H2! Verluste an unverbrannten Gasen bis zu 10% vom Heizwert des Kokses gehören nicht zu den Seltenheiten. Der Heizwert der Kohlen wird nach Gramberg im Bomben-Kalorimeter festgestellt. Warum fehlt die Erwähnung der Elementar-Analyse, ohne die wir vorläufig noch nicht auskommen? Der Heizwert des Koks speziell läßt sich in der Bombe überhaupt nicht feststellen, wenn man nicht für eine Mischung mit bekannter Braunkohle z.B. Sorge getragen hat. Hier mangelt es offenbar an Erfahrungen (Praxis). Die genaue Bestimmung des CO mit Hilfe der Kupferchlorürlösung ist unmöglich, wenigstens mit dem auf S. 87 skizzierten Orsat. Das Erschöpfen der Lösung, die sich aus ihr ausscheidenden Gase und daraus resultierende falsche Ablesungen sind Vorkommnisse, die auch ein Hochschulprofessor wissen muß; die Hochschule hat häufig für die Gerichte die Ober-Sachverständigen zu stellen! Die Formel 14 für den Luftüberschuß ist nicht ausreichend. Ein Luftüberschuß kann auch bei Gegenwert von CO, CH4 und H2 vorhanden sein. Mit der abgerundeten Art der Berechnung für den Verlust an unverbrannten Gasen kommt man auch in der Praxis nicht aus. Dieser Verlust kann u.U. höher sein als der Verlust durch die in den Kamin abziehenden Verbrennungsgase! Der Verlust in den Herdrückständen wird außer acht gelassen, jener der Wärmeleitung und Strahlung, „das Mädchen für alles,“ dem Hause gut geschrieben. Der Heizkeller muß tüchtig gelüftet werden, um die vielen Erkrankungen an Kohlenoxydgas-Vergiftungen usw. mit Sicherheit fernzuhalten. Solche Theorien sind bequem, führen aber zu Täuschungen. Ueber die schlechten Wirkungsgrade der Heizkessel in der Praxis, ihre Ursache, die zweckmäßigste Anordnung des Schornsteins, seine Lage zu den Heizkesseln, über die mangelhaften Zugverhältnisse und ihren Einfluß auf den Heizeffekt, über die unsachgemäßen Kellerräume usw. usw. findet sich nichts oder nichts Ausreichendes in dem Buche. Die Behandlung der generellen Regelung der Raumlufttemperaturen verdient Anerkennung. Daß solche Regelung tatsächlich möglich ist, und mit gutem Erfolge, vermag keine Theorie umzustoßen. Hierfür sprechen praktische Beweise, die ich über die Theorie setze. Was machen Windanfall, starke Besetzung der Räume auf einer Seite usw. aus gegenüber dem Riesenwärme-Akkumulator der Umfassungsmauern? Geringe Schwankungen in den Raumlufttemperaturen dürfen natürlich nicht in Betracht gezogen werden. Dem kann jeder Hauswirt dadurch begegnen, daß er sich nur zu 18° C verpflichtet, aber sich bemüht, dennoch 20° C Innentemperatur im Durchschnitt zu halten. Wir berechnen den Wärmebedarf eines Hauses für eine mittlere Temperatur der Heizkörper; erlaubt man sich diese für die Praxis vollständig genügende Abrundung, so darf man nicht bei Behandlung der Frage der generellen Regelung der Theorie A eine solche B gegenüberstellen, wie Gramberg dies bei seinen sonst bemerkenswerten Ausführungen tut. Spricht man aber von einer generellen Regelung, so muß man auch auf die Tagestemperaturen hinweisen. Wer mehrere Jahre beim Gericht als Sachverständiger fungiert hat, weiß ungefähr, wo einem der Schuh im Fach drückt. Ein Wirt wird beisp. bei Androhung einer Konventionalstrafe von M. 500 im Weigerungsfalle verurteilt, bei 12° C Außentemperatur zu heizen. Das Gericht läßt sich darüber nicht aus, wann diese Temperatur abgelesen werden soll. Vermutlich soll es eine mittlere Tagestemperatur sein, die das meteorologische Institut in Berlin aus drei Ablesungen von morgens 7 Uhr bis abends 9 Uhr berechnet. Wann kann die mittlere Tagestemperatur abgelesen werden? Ich werde diese Frage im Interesse der Allgemeinheit beantworten: Abends 9 Uhr. – Da sich Gramberg bei Behandlung der verschiedenen Aufgaben auch auf die Schulter seiner Vorgänger stellt, hätte er seinem Leitfaden ein Verzeichnis der benutzten Quellen mit Namensnennung anreihen müssen. Das ist nicht nur Takt, sondern Pflicht eines jeden technischen Schriftstellers. de Grahl.