Titel: Bücherschau.
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 400
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Bücherschau. Bücherschau. Die Patentfähigkeit von Erfindungen. Grundsätze für ihre Prüfung und für die Erteilung von Patenten. Von Erich von Boehmer, Geh. Regierungsrat, Mitglied des Kaiserlichen Patentamtes. Verlag von Leonh. Simion Nf., Berlin. Preis M 3,–. Wer ständig mit Patentangelegenheiten zu tun hat, wird die Beobachtung machen, daß häufig eine Uebereinstimmung der Ansichten über die Patentfähigkeit eines Anmeldungsgegenstandes zwischen dem Patentamt und dem Anmelder nur deshalb nicht zu erzielen ist, weil dem Anmelder die patenttechnische und patentrechtliche Terminologie nicht geläufig ist. Er ist deshalb geneigt, in den Bescheiden und Beschlüssen des Patentamtes den Niederschlag einseitiger Beurteilung vom grünen Tisch aus auch dann zu sehen, wenn es sich um die wohlerwogene Anwendung feststehender und auch außerhalb des Patentamtes in den Kreisen der Patentfachleute als richtig anerkannter Grundsätze handelt. Es ist daher nur zu begrüßen, wenn in dem obengenannten Werk ein Fachmann, der seit längerer Zeit als Mitglied des Patentamtes zur Prüfung der einlaufenden Patentanmeldungen und zur Mitwirkung bei der Entscheidung darüber berufen ist, das Wort ergreift, um in wissenschaftlich begründeter und philosophisch durchdachter Weise die Grundbegriffe und Grundsätze zu behandeln, die für die praktische Handhabung des Patentgesetzes in Frage kommen. Der Verfasser teilt seinen Stoff in sechs Teile ein und behandelt darin in klarer und verständlicher Sprache alle für Patentanmelder wissenswerten Gesichtspunkte, ohne die Durchsichtigkeit der Darstellung durch eine allzugroße Häufung der Anführung von Entscheidungen zu beeinträchtigen. Auf solche Entscheidungen ist nur da hingewiesen, wo entweder der entschiedene Fall als besonders gutes Beispiel für die theoretischen Darlegungen dienen konnte, oder wo es sich um die Entscheidung einer Streitfrage in einem Sinne handelt, mit dem sich der Verfasser nicht einverstanden erklärt. Der erste von den sechs Teilen des Buches betrifft die Gegenstände patentfähiger Erfindungen und erörtert zuerst die Frage: „Was ist Erfindung im Sinne des Patentgesetzes?“ Ausgehend von der allgemeinen Bedeutung des Wortes „Erfindung“ führt uns der Verfasser in logischer Gedankenfolge zum richtigen Verständnis des Begriffes der patentfähigen Erfindung, die das Patentgesetz im Auge hat. Dabei wird der Unterschied zwischen den Begriffen „Erfindung“ und „Gegenstand der Erfindung“, die häufig miteinander verwechselt werden, durch eingehende Betrachtungen scharf und gemeinverständlich hervorgehoben. Lehrreiche Bemerkungen über die bei der Anmeldung einer Erfindung erforderlichen Angaben, über Erfindungen, die ein Verfahren oder die Nahtungs-, Genuß- und Arzneimittel betreffen, sind an passender Stelle eingestreut. Sehr lesenswert sind die nun folgenden Ausführungen über die Prüfung der Neuheit von Erfindungen und über die gewerbliche Verwertung. Hier wird unter Hinweis auf Damme und Werner v. Siemens ausgeführt, daß für die Beurteilung der gewerblichen Verwertbarkeit einer Erfindung ausschlaggebend ist, ob die Veröffentlichung der Erfindung einen Wert für das Gewerbe haben soll. Dies Erfordernis ist nach v. Boehmer auch dann erfüllt, wenn die Erfindungsidee zwar nicht so praktisch ist, daß sich durch ihre Anwendung unmittelbar ein Nutzen erzielen läßt, die Idee aber geeignet erscheint, anregend und fördernd auf andere Sachverständige zu wirken. Daher kommt es, daß auch die Patentierung sogenannter „unpraktischer“ Erfindungen nicht in jedem Falle dem Geist des Patentgesetzes widerspricht. Trefflich gewählte Beispiele erläutern und veranschaulichen die praktische Bedeutung der vorangegangenen theoretischen Betrachtungen. Im zweiten Teil ist die offenkundig benutzte Erfindung behandelt. Die verschiedenen möglichen Arten der Offenkundigkeit und des Benutztseins werden übersichtlich und scharf voneinander unterschieden vorgeführt und durch Beispiele erläutert. Im dritten Teil behandelt der Verfasser die Erfindungseinheit und das Zusatzverhältnis. Wenn auch v. Boehmer den Umstand, daß es für den Anmelder mit Rücksicht auf die Gebührenersparnis vorteilhaft ist, mehr als eine Erfindung in einer Anmeldung zusammenzufassen, mit Recht nicht als maßgebend für die Auslegung der Bestimmungen über die Einheit der Erfindungen ansieht, so klingt doch durch seine Darlegungen über diese Frage deutlich hindurch, daß er nicht zu den Verfechtern der schroffen Praxis in der Frage der Teilung der Anmeldungen gehört. Allerdings verspricht sich v. Boehmer eine Beseitigung der Schwierigkeiten nur von einer Aenderung des Patentgesetzes. Sehr wichtig sind die Betrachtungen des vierten Teiles über die Fassung der Beschreibung und der Patentansprüche. Der Verfasser geht hier auf die neuere Rechtsprechung des Reichsgerichts ein, die bekanntlich der Fassung des Patentanspruchs nicht unter allen Umständen eine allein ausschlaggebende Bedeutung beimessen will, sondern es je nach Lage des Falles zuläßt, den Patentanspruch ausdehnend oder einschränkend auszulegen. Zutreffend weist v. Boehmer darauf hin, daß es im Gegensatz zu der neuerdings von verschiedenen Seiten ausgesprochenen Ansicht sehr wohl die Aufgabe des Patentanspruchs sei, den Umfang des Schutzes abzugrenzen. Diese Ansicht v. Boehmers wird gestützt durch den Wortlaut des Patentgesetzes, und wenn man auch vom Standpunkte der Industrie durchaus damit einverstanden sein muß, daß das Reichsgericht in seiner Rechtsprechung sich nicht sklavisch an jeden Ausdruck des Patentanspruchs anklammert, daß es insbesondere den wahren Sinn und die wahre technisch funktionelle Bedeutung einer Angabe des Patentanspruchs im Rahmen der Erfindung untersucht, ohne den Patentinhaber auf einen vielleicht nur zufällig gewählten Ausdruck festzunageln, so wird man doch andererseits die Rechtsunsicherheit beklagen, die dadurch entsteht, daß man den Patentanspruch seiner Bedeutung völlig entkleidet, v. Boehmer geht der hierauf gerichteten Tendenz, die in letzter Zeit in Literatur und Rechtsprechung immer mehr hervortritt, mit gewichtigen Gründen zu Leibe. Im fünften Teil untersucht der Verfasser das Verhältnis einer Anmeldung gegenüber einem älteren Patent. Die verschiedenen Möglichkeiten, die sich hierbei ergeben können, werden in anschaulicher Weise besprochen, wobei insbesondere auf den Unterschied zwischen Abhängigkeit und Identität der Erfindung hingewiesen wird. Der sechste Teil behandelt die widerrechtliche Entnahme und den dienstverpflichteten Erfinder, v. Boehmer empfiehlt mit Rücksicht auf die rechtliche Eigenart der bei der widerrechtlichen Entnahme zu entscheidenden Fragen die Beseitigung der Entscheidung hierüber im Patenterteilungsverfahren. Mit Kent und Schanze hält er die Rechtsbehelfe für genügend, die das bürgerliche Recht dem verletzten Erfindungseigentümer zur Geltendmachung vor dem Zivilgericht zur Verfügung stellt. Allerdings scheinen hierbei die dem wahren Erfinder zugute kommenden Vorteile der Einfachheit und der geringen Kosten des Einspruchsverfahrens vor dem Patentamte nicht ganz genügend berücksichtigt zu sein. Die am Schluß der Arbeit gegebene Zusammenfassung gibt eine gute Uebersicht über die in den sechs Teilen des Buches behandelten Fragen und zeigt aufs neue, daß wir es mit einer sachkundigen, das Wesentliche scharf erkennenden und hervorhebenden Arbeit eines den Stoff meisternden Fachmannes zu tun haben, einer Arbeit, die jeder, der sich für Patentangelegenheiten interessiert, besonders der Industrielle, nur mit Nutzen lesen wird. Th. Reuter-Sulzer, Winterthur. Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Das Skizzieren von Maschinenteilen in Perspektive, Von Ingenieur Karl Volk. Dritte, erweiterte Auflage. Mit 68 Figuren. Berlin 1911. Julius Springer. Preis geb. M 1,60. Moderne Werkzeugmaschinen und Werkzeuge unter besonderer Berücksichtigung Ludw. Loewescher Erzeugnisse. Von Ingenieur O. Stolzenberg, Leiter der Ludw. Loeweschen Fortbildungsschule Berlin. Hannover 1911. Dr. Max Jänicke. Preis M 4,–. Elektrizität aus Kehricht. Von Etienne de Fodor, Kgl. Ung. Hofrat, Generaldirektor der Budapester Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft. Mit 170 Figuren. Budapest 1911. Julius Benkö. Die konstruktive Anwendung der autogenen Schweißung. Von Imm. Friedmann, Ingenieur in Wien. Mit 58 Figuren. Düsseldorf 1911. A. Bagel. Berichtigung. Auf Seite 310 d. Bd. ist in meinem Aufsatz: „Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und Anwendung“ irrtümlich für Fig. 63 ein falscher Druckstock verwandt worden, welcher ein doppeltwirkendes Achsialdrucklager darstellt. Der richtige Druckstock, der leider nicht mehr zur Verfügung steht, stellt ein Transmissionslager mit zwei Radiallagern (ähnlich wie Fig. 64) der Schwedischen Kugellagerfabrik in Göteborg dar. Reg.-Baumeister Dierfeld.